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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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Wart-Frau in einen Canal werffen lassen, woran
doch in der That Ambrosius und die Wart-Frau,
so wol als ich vor GOTT und allen heiligen En-
geln unschuldig waren.

Solchergestalt vermeynten nun meine Inqui-
siteurs
ihr Amt an mir rechtschaffener weise verwal-
tet zu haben, liessen derowegen das Gerüchte durch
die gantze Stadt erschallen, daß ich nunmehro in
der Güte ohne alle Marter den Kinder-Mord nebst
allen behörigen Umständen solchergestalt bekennet,
daß niemand daran zu zweiffeln Ursach haben kön-
te, demnach war nichts mehr übrig als zubestimmen,
auf was vor Art und welchen Tag die arme Virgi-
lia
vom Leben zum Tode gebracht werden solte.
Jmmittelst wurde noch zur Zeit kein Priester oder
Seel-Sorger zu mir gesendet, ohngeacht ich schon
etliche Tage darum angehalten hatte. Endlich aber
nachdem noch zwey Wochen verlauffen, stellete sich
ein solcher, und zwar ein mir wohl bekandter from-
mer Prediger bey mir ein. Nach gethanem Grus-
se war seine ernsthaffte und erste Frage: Ob ich die
berüchtigte junge Raben-Mutter und Kinder-
Mörderin sey, auch wie ich mich so wohl in meinem
Gewissen als wegen der Leibes-Gesundheit befän-
de? Mein Herr! gab ich ihm sehr freymüthig zur
Antwort, in meinem Gewissen befinde ich mich weit
besser und gesunder als am Leibe, sonsten kan ich
GOTT eintzig und allein zum Zeugen anruffen,
daß ich niemals eine Mutter, weder eines todten
noch lebendigen Kindes gewesen bin, vielweniger ein
Kind ermordet oder solches zu ermorden zugelassen
habe. Ja, ich ruffe nochmahls GOTT zum Zeu-

gen

Wart-Frau in einen Canal werffen laſſen, woran
doch in der That Ambroſius und die Wart-Frau,
ſo wol als ich vor GOTT und allen heiligen En-
geln unſchuldig waren.

Solchergeſtalt vermeynten nun meine Inqui-
ſiteurs
ihr Amt an mir rechtſchaffener weiſe verwal-
tet zu haben, lieſſen derowegen das Geruͤchte durch
die gantze Stadt erſchallen, daß ich nunmehro in
der Guͤte ohne alle Marter den Kinder-Mord nebſt
allen behoͤrigen Umſtaͤnden ſolchergeſtalt bekennet,
daß niemand daran zu zweiffeln Urſach haben koͤn-
te, demnach war nichts mehr uͤbrig als zubeſtimmen,
auf was vor Art und welchen Tag die arme Virgi-
lia
vom Leben zum Tode gebracht werden ſolte.
Jmmittelſt wurde noch zur Zeit kein Prieſter oder
Seel-Sorger zu mir geſendet, ohngeacht ich ſchon
etliche Tage darum angehalten hatte. Endlich aber
nachdem noch zwey Wochen verlauffen, ſtellete ſich
ein ſolcher, und zwar ein mir wohl bekandter from-
mer Prediger bey mir ein. Nach gethanem Gruſ-
ſe war ſeine ernſthaffte und erſte Frage: Ob ich die
beruͤchtigte junge Raben-Mutter und Kinder-
Moͤrderin ſey, auch wie ich mich ſo wohl in meinem
Gewiſſen als wegen der Leibes-Geſundheit befaͤn-
de? Mein Herr! gab ich ihm ſehr freymuͤthig zur
Antwort, in meinem Gewiſſen befinde ich mich weit
beſſer und geſunder als am Leibe, ſonſten kan ich
GOTT eintzig und allein zum Zeugen anruffen,
daß ich niemals eine Mutter, weder eines todten
noch lebendigen Kindes geweſen bin, vielweniger ein
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habe. Ja, ich ruffe nochmahls GOTT zum Zeu-

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[406/0420] Wart-Frau in einen Canal werffen laſſen, woran doch in der That Ambroſius und die Wart-Frau, ſo wol als ich vor GOTT und allen heiligen En- geln unſchuldig waren. Solchergeſtalt vermeynten nun meine Inqui- ſiteurs ihr Amt an mir rechtſchaffener weiſe verwal- tet zu haben, lieſſen derowegen das Geruͤchte durch die gantze Stadt erſchallen, daß ich nunmehro in der Guͤte ohne alle Marter den Kinder-Mord nebſt allen behoͤrigen Umſtaͤnden ſolchergeſtalt bekennet, daß niemand daran zu zweiffeln Urſach haben koͤn- te, demnach war nichts mehr uͤbrig als zubeſtimmen, auf was vor Art und welchen Tag die arme Virgi- lia vom Leben zum Tode gebracht werden ſolte. Jmmittelſt wurde noch zur Zeit kein Prieſter oder Seel-Sorger zu mir geſendet, ohngeacht ich ſchon etliche Tage darum angehalten hatte. Endlich aber nachdem noch zwey Wochen verlauffen, ſtellete ſich ein ſolcher, und zwar ein mir wohl bekandter from- mer Prediger bey mir ein. Nach gethanem Gruſ- ſe war ſeine ernſthaffte und erſte Frage: Ob ich die beruͤchtigte junge Raben-Mutter und Kinder- Moͤrderin ſey, auch wie ich mich ſo wohl in meinem Gewiſſen als wegen der Leibes-Geſundheit befaͤn- de? Mein Herr! gab ich ihm ſehr freymuͤthig zur Antwort, in meinem Gewiſſen befinde ich mich weit beſſer und geſunder als am Leibe, ſonſten kan ich GOTT eintzig und allein zum Zeugen anruffen, daß ich niemals eine Mutter, weder eines todten noch lebendigen Kindes geweſen bin, vielweniger ein Kind ermordet oder ſolches zu ermorden zugelaſſen habe. Ja, ich ruffe nochmahls GOTT zum Zeu- gen

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/420>, abgerufen am 16.06.2024.