in Verwahrung unsers Schwagers, der ein wohl- habender Jubelier war, und reiseten in GOttes Nahmen von Amsterdam ab, dem Cap der guten Hoffnung, oder vielmehr unserm Unglück entgegen, denn mittlerweile, da wir an den Canarischen Jn- suln/ uns ein wenig zu erfrischen, angelandet waren, starb unser kleiner Sohn, und wurde auch daselbst zur Erden bestattet. Wenig Tage hierauf wurde die fernere Reise fortgesetzt, und mein Betrübniß vollkommen zu machen, überfielen uns zwey Räu- ber, mit welchen sich unser Schiff ins Treffen ein- lassen muste, auch so glücklich war, selbigen zu entge- hen, ich aber solte doch dabey die Allerunglückseelig- ste seyn, indem mein lieber Mann mit einer kleinen Kugel durch den Kopff geschoffen wurde, und dieser- wegen sein redliches Leben einbüssen muste.
Der Himmel weiß, ob mein seeliger William sei- nen tödlichen Schuß nicht vielmehr von einem Meu- chel-Mörder als von den See-Räubern bekommen hatte, denn alle Umstände kamen mir dabey sehr verdächtig vor, jedoch, GOtt verzeihe es mir, wenn ich den Severin Water in unrechten Verdacht halte.
Dieser Severin Water war ein junger Hollän- discher, sehr frecher und wollüstiger Kauffmann, und hatte schon öffters in Amsterdam Gelegenheit gesucht, mich zu einem schändlichen Ehe-Bruche zu verführen. Jch hatte ihn schon verschiedene mahl gewarnet, meine Tugend mit dergleichen verdammten Ansinnen zu verschonen, oder ich wür- de mich genöthiget finden, solches meinem Manne
zu
in Verwahrung unſers Schwagers, der ein wohl- habender Jubelier war, und reiſeten in GOttes Nahmen von Amſterdam ab, dem Cap der guten Hoffnung, oder vielmehr unſerm Ungluͤck entgegen, denn mittlerweile, da wir an den Canariſchen Jn- ſuln/ uns ein wenig zu erfriſchen, angelandet waren, ſtarb unſer kleiner Sohn, und wurde auch daſelbſt zur Erden beſtattet. Wenig Tage hierauf wurde die fernere Reiſe fortgeſetzt, und mein Betruͤbniß vollkommen zu machen, uͤberfielen uns zwey Raͤu- ber, mit welchen ſich unſer Schiff ins Treffen ein- laſſen muſte, auch ſo gluͤcklich war, ſelbigen zu entge- hen, ich aber ſolte doch dabey die Allerungluͤckſeelig- ſte ſeyn, indem mein lieber Mann mit einer kleinen Kugel durch den Kopff geſchoffen wurde, und dieſer- wegen ſein redliches Leben einbuͤſſen muſte.
Der Himmel weiß, ob mein ſeeliger William ſei- nen toͤdlichen Schuß nicht vielmehr von einem Meu- chel-Moͤrder als von den See-Raͤubern bekommen hatte, denn alle Umſtaͤnde kamen mir dabey ſehr verdaͤchtig vor, jedoch, GOtt verzeihe es mir, wenn ich den Severin Water in unrechten Verdacht halte.
Dieſer Severin Water war ein junger Hollaͤn- diſcher, ſehr frecher und wolluͤſtiger Kauffmann, und hatte ſchon oͤffters in Amſterdam Gelegenheit geſucht, mich zu einem ſchaͤndlichen Ehe-Bruche zu verfuͤhren. Jch hatte ihn ſchon verſchiedene mahl gewarnet, meine Tugend mit dergleichen verdammten Anſinnen zu verſchonen, oder ich wuͤr- de mich genoͤthiget finden, ſolches meinem Manne
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in Verwahrung unſers Schwagers, der ein wohl-
habender Jubelier war, und reiſeten in GOttes
Nahmen von Amſterdam ab, dem Cap der guten
Hoffnung, oder vielmehr unſerm Ungluͤck entgegen,
denn mittlerweile, da wir an den Canariſchen Jn-
ſuln/ uns ein wenig zu erfriſchen, angelandet waren,
ſtarb unſer kleiner Sohn, und wurde auch daſelbſt
zur Erden beſtattet. Wenig Tage hierauf wurde
die fernere Reiſe fortgeſetzt, und mein Betruͤbniß
vollkommen zu machen, uͤberfielen uns zwey Raͤu-
ber, mit welchen ſich unſer Schiff ins Treffen ein-
laſſen muſte, auch ſo gluͤcklich war, ſelbigen zu entge-
hen, ich aber ſolte doch dabey die Allerungluͤckſeelig-
ſte ſeyn, indem mein lieber Mann mit einer kleinen
Kugel durch den Kopff geſchoffen wurde, und dieſer-
wegen ſein redliches Leben einbuͤſſen muſte.
Der Himmel weiß, ob mein ſeeliger William ſei-
nen toͤdlichen Schuß nicht vielmehr von einem Meu-
chel-Moͤrder als von den See-Raͤubern bekommen
hatte, denn alle Umſtaͤnde kamen mir dabey ſehr
verdaͤchtig vor, jedoch, GOtt verzeihe es mir, wenn
ich den Severin Water in unrechten Verdacht halte.
Dieſer Severin Water war ein junger Hollaͤn-
diſcher, ſehr frecher und wolluͤſtiger Kauffmann,
und hatte ſchon oͤffters in Amſterdam Gelegenheit
geſucht, mich zu einem ſchaͤndlichen Ehe-Bruche
zu verfuͤhren. Jch hatte ihn ſchon verſchiedene
mahl gewarnet, meine Tugend mit dergleichen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/426>, abgerufen am 24.11.2024.
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