Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Silber, 2. Schlag-Fässer voll Perlen, und drey Ki-
sten voll gemüntztes Gold und Silber an, von dessen
Glantze, indem er an seiner Jugend-Jahre gedenckt,
seine Augen gantz verblendet werden.

Jedoch meine guten Kinder halten sich hierbey
nicht lange auf, sondern greiffen zu allererst nach
den kostbarn Zeug-und Gewürtz-Waaren, tragen
so viel davon in das Boot als ihnen möglich ist, neh-
men die zwey Gebundenen mit sich, und kamen also
nachdem sie nicht länger als etwa 4. Stunden aus-
sen gewesen, wiederzurück, und zwar durch den
Wasser-Weg, auf die Jnsul. Wir vermerckten
gar bald an den zweyen Gebundenen, daß es rasen-
de Menschen wären, indem sie uns die gräßlichsten
Gebärden zeigten, so oft sie jemand ansahen, mit den
Zähnen knirscheten, diejenigen Speisen aber, welche
ihnen vorgehalten wurden, hurtiger als die Krani-
che verschlungen, weßwegen zu Alberts-Raum, ein
jeder in seine besondere Kammer gesperret, und mit
gebundenen Händen und Füssen aufs Lager gelegt,
dabey aber allmählig mit immer mehr und mehr
Speise und Tranck gestärckt wurden. Allein der
schlimste unter den beyden, reisset folgende Nacht
seine Banden an Händen und Füssen entzwey, frisset
erstlich allen herum liegenden Speise-Vorrath auf,
erbarmt sich hiernächst über ein Fäßlein/ welches
mit einer besondern Art von eingemachten Wur-
tzeln angefüllet ist, und frisst selbiges ebenfalls biß auf
die Helffte aus, bricht hernach die Thür entzwey,
und läufft dem Nord-Walde zu, allwo er folgen-
des Tages gegen Abend jämmerlich zerborsten ge-
funden, und auf selbiger Stelle begraben wurde.

Der

Silber, 2. Schlag-Faͤſſer voll Perlen, und drey Ki-
ſten voll gemuͤntztes Gold und Silber an, von deſſen
Glantze, indem er an ſeiner Jugend-Jahre gedenckt,
ſeine Augen gantz verblendet werden.

Jedoch meine guten Kinder halten ſich hierbey
nicht lange auf, ſondern greiffen zu allererſt nach
den koſtbarn Zeug-und Gewuͤrtz-Waaren, tragen
ſo viel davon in das Boot als ihnen moͤglich iſt, neh-
men die zwey Gebundenen mit ſich, und kamen alſo
nachdem ſie nicht laͤnger als etwa 4. Stunden auſ-
ſen geweſen, wiederzuruͤck, und zwar durch den
Waſſer-Weg, auf die Jnſul. Wir vermerckten
gar bald an den zweyen Gebundenen, daß es raſen-
de Menſchen waͤren, indem ſie uns die graͤßlichſten
Gebaͤrden zeigten, ſo oft ſie jemand anſahen, mit den
Zaͤhnen knirſcheten, diejenigen Speiſen aber, welche
ihnen vorgehalten wurden, hurtiger als die Krani-
che verſchlungen, weßwegen zu Alberts-Raum, ein
jeder in ſeine beſondere Kammer geſperret, und mit
gebundenen Haͤnden und Fuͤſſen aufs Lager gelegt,
dabey aber allmaͤhlig mit immer mehr und mehr
Speiſe und Tranck geſtaͤrckt wurden. Allein der
ſchlimſte unter den beyden, reiſſet folgende Nacht
ſeine Banden an Haͤnden und Fuͤſſen entzwey, friſſet
erſtlich allen herum liegenden Speiſe-Vorrath auf,
erbarmt ſich hiernaͤchſt uͤber ein Faͤßlein/ welches
mit einer beſondern Art von eingemachten Wur-
tzeln angefuͤllet iſt, und friſſt ſelbiges ebenfalls biß auf
die Helffte aus, bricht hernach die Thuͤr entzwey,
und laͤufft dem Nord-Walde zu, allwo er folgen-
des Tages gegen Abend jaͤmmerlich zerborſten ge-
funden, und auf ſelbiger Stelle begraben wurde.

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0440" n="426"/>
Silber, 2. Schlag-Fa&#x0364;&#x017F;&#x017F;er voll Perlen, und drey Ki-<lb/>
&#x017F;ten voll gemu&#x0364;ntztes Gold und Silber an, von de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Glantze, indem er an &#x017F;einer Jugend-Jahre gedenckt,<lb/>
&#x017F;eine Augen gantz verblendet werden.</p><lb/>
        <p>Jedoch meine guten Kinder halten &#x017F;ich hierbey<lb/>
nicht lange auf, &#x017F;ondern greiffen zu allerer&#x017F;t nach<lb/>
den ko&#x017F;tbarn Zeug-und Gewu&#x0364;rtz-Waaren, tragen<lb/>
&#x017F;o viel davon in das Boot als ihnen mo&#x0364;glich i&#x017F;t, neh-<lb/>
men die zwey Gebundenen mit &#x017F;ich, und kamen al&#x017F;o<lb/>
nachdem &#x017F;ie nicht la&#x0364;nger als etwa 4. Stunden au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en gewe&#x017F;en, wiederzuru&#x0364;ck, und zwar durch den<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;er-Weg, auf die Jn&#x017F;ul. Wir vermerckten<lb/>
gar bald an den zweyen Gebundenen, daß es ra&#x017F;en-<lb/>
de Men&#x017F;chen wa&#x0364;ren, indem &#x017F;ie uns die gra&#x0364;ßlich&#x017F;ten<lb/>
Geba&#x0364;rden zeigten, &#x017F;o oft &#x017F;ie jemand an&#x017F;ahen, mit den<lb/>
Za&#x0364;hnen knir&#x017F;cheten, diejenigen Spei&#x017F;en aber, welche<lb/>
ihnen vorgehalten wurden, hurtiger als die Krani-<lb/>
che ver&#x017F;chlungen, weßwegen zu <hi rendition="#aq">Alberts</hi>-Raum, ein<lb/>
jeder in &#x017F;eine be&#x017F;ondere Kammer ge&#x017F;perret, und mit<lb/>
gebundenen Ha&#x0364;nden und Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en aufs Lager gelegt,<lb/>
dabey aber allma&#x0364;hlig mit immer mehr und mehr<lb/>
Spei&#x017F;e und Tranck ge&#x017F;ta&#x0364;rckt wurden. Allein der<lb/>
&#x017F;chlim&#x017F;te unter den beyden, rei&#x017F;&#x017F;et folgende Nacht<lb/>
&#x017F;eine Banden an Ha&#x0364;nden und Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en entzwey, fri&#x017F;&#x017F;et<lb/>
er&#x017F;tlich allen herum liegenden Spei&#x017F;e-Vorrath auf,<lb/>
erbarmt &#x017F;ich hierna&#x0364;ch&#x017F;t u&#x0364;ber ein Fa&#x0364;ßlein/ welches<lb/>
mit einer be&#x017F;ondern Art von eingemachten Wur-<lb/>
tzeln angefu&#x0364;llet i&#x017F;t, und fri&#x017F;&#x017F;t &#x017F;elbiges ebenfalls biß auf<lb/>
die Helffte aus, bricht hernach die Thu&#x0364;r entzwey,<lb/>
und la&#x0364;ufft dem Nord-Walde zu, allwo er folgen-<lb/>
des Tages gegen Abend ja&#x0364;mmerlich zerbor&#x017F;ten ge-<lb/>
funden, und auf &#x017F;elbiger Stelle begraben wurde.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[426/0440] Silber, 2. Schlag-Faͤſſer voll Perlen, und drey Ki- ſten voll gemuͤntztes Gold und Silber an, von deſſen Glantze, indem er an ſeiner Jugend-Jahre gedenckt, ſeine Augen gantz verblendet werden. Jedoch meine guten Kinder halten ſich hierbey nicht lange auf, ſondern greiffen zu allererſt nach den koſtbarn Zeug-und Gewuͤrtz-Waaren, tragen ſo viel davon in das Boot als ihnen moͤglich iſt, neh- men die zwey Gebundenen mit ſich, und kamen alſo nachdem ſie nicht laͤnger als etwa 4. Stunden auſ- ſen geweſen, wiederzuruͤck, und zwar durch den Waſſer-Weg, auf die Jnſul. Wir vermerckten gar bald an den zweyen Gebundenen, daß es raſen- de Menſchen waͤren, indem ſie uns die graͤßlichſten Gebaͤrden zeigten, ſo oft ſie jemand anſahen, mit den Zaͤhnen knirſcheten, diejenigen Speiſen aber, welche ihnen vorgehalten wurden, hurtiger als die Krani- che verſchlungen, weßwegen zu Alberts-Raum, ein jeder in ſeine beſondere Kammer geſperret, und mit gebundenen Haͤnden und Fuͤſſen aufs Lager gelegt, dabey aber allmaͤhlig mit immer mehr und mehr Speiſe und Tranck geſtaͤrckt wurden. Allein der ſchlimſte unter den beyden, reiſſet folgende Nacht ſeine Banden an Haͤnden und Fuͤſſen entzwey, friſſet erſtlich allen herum liegenden Speiſe-Vorrath auf, erbarmt ſich hiernaͤchſt uͤber ein Faͤßlein/ welches mit einer beſondern Art von eingemachten Wur- tzeln angefuͤllet iſt, und friſſt ſelbiges ebenfalls biß auf die Helffte aus, bricht hernach die Thuͤr entzwey, und laͤufft dem Nord-Walde zu, allwo er folgen- des Tages gegen Abend jaͤmmerlich zerborſten ge- funden, und auf ſelbiger Stelle begraben wurde. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/440
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/440>, abgerufen am 16.06.2024.