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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740.

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schrieb einen der allerverliebtesten Briefe an meinen
Leitstern, worinnen ich hauptsächlich bat, nicht al-
lein mich zu ihrem Liebhaber auf und anzunehmen,
sondern auch die Liberey nebst Dero Bildnisse zum
ersten Zeichen ihrer Gegen-Gunst in meinen Hän-
den zu lassen.

Zwey gantzer Tage lang liesse sie mich hierauff
zwischen Furcht und Hoffnung zappeln, biß ich
endlich die halb erfreuliche und halb traurige Ant-
wort erhielt: Jch möchte zwar behalten, was ich
durch Glück und Tapfferkeit mir zugeeignet hätte,
doch mit dem Bedinge: Daß ich solches niemahls
wiederum öffentlich zeigen, sondern vor jederman
geheim halten solte. Uber dieses solte mir auch er-
laubt seyn, sie morgenden Mittag in ihrem Zimmer
zu sprechen, allein abermahls mit der schweren Be-
dingung: Daß ich kein eintziges Wort von Liebes-
Sachen vorbrächte.

Dieses letztere machte mir den Kopff dermassen
wüste, daß ich mir weder zu rathen noch zu helffen
wuste, und an der Eroberung dieses Felsen-Hertzens
schon zu zweiffeln begunte, ehe noch ein recht ernst-
licher Sturm darauff gewagt war. Allein meine
Liebe hatte dermahlen mehr Glücke, als ich wün-
schen mögen, denn auf den ersten Besuch, wobey sich
mein Gemüthe sehr genau nach Eleonorens Be-
fehlen richtete, bekam ich die Erlaubniß ihr täglich
nach der Mittags-Mahlzeit aufzuwarten, und die
Zeit mit dem Bret-Spiele zu verkürtzen. Da aber
meine ungewöhnliche Blödigkeit nebst ihrem
ernstlich wiederholten Besehle das verliebte Vor-
bringen lange genung zurück gehalten hatten, gab

die

ſchrieb einen der allerverliebteſten Briefe an meinen
Leitſtern, worinnen ich hauptſaͤchlich bat, nicht al-
lein mich zu ihrem Liebhaber auf und anzunehmen,
ſondern auch die Liberey nebſt Dero Bildniſſe zum
erſten Zeichen ihrer Gegen-Gunſt in meinen Haͤn-
den zu laſſen.

Zwey gantzer Tage lang lieſſe ſie mich hierauff
zwiſchen Furcht und Hoffnung zappeln, biß ich
endlich die halb erfreuliche und halb traurige Ant-
wort erhielt: Jch moͤchte zwar behalten, was ich
durch Gluͤck und Tapfferkeit mir zugeeignet haͤtte,
doch mit dem Bedinge: Daß ich ſolches niemahls
wiederum oͤffentlich zeigen, ſondern vor jederman
geheim halten ſolte. Uber dieſes ſolte mir auch er-
laubt ſeyn, ſie morgenden Mittag in ihrem Zimmer
zu ſprechen, allein abermahls mit der ſchweren Be-
dingung: Daß ich kein eintziges Wort von Liebes-
Sachen vorbraͤchte.

Dieſes letztere machte mir den Kopff dermaſſen
wuͤſte, daß ich mir weder zu rathen noch zu helffen
wuſte, und an der Eroberung dieſes Felſen-Hertzens
ſchon zu zweiffeln begunte, ehe noch ein recht ernſt-
licher Sturm darauff gewagt war. Allein meine
Liebe hatte dermahlen mehr Gluͤcke, als ich wuͤn-
ſchen moͤgen, denn auf den erſten Beſuch, wobey ſich
mein Gemuͤthe ſehr genau nach Eleonorens Be-
fehlen richtete, bekam ich die Erlaubniß ihr taͤglich
nach der Mittags-Mahlzeit aufzuwarten, und die
Zeit mit dem Bret-Spiele zu verkuͤrtzen. Da aber
meine ungewoͤhnliche Bloͤdigkeit nebſt ihrem
ernſtlich wiederholten Beſehle das verliebte Vor-
bringen lange genung zuruͤck gehalten hatten, gab

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[508/0522] ſchrieb einen der allerverliebteſten Briefe an meinen Leitſtern, worinnen ich hauptſaͤchlich bat, nicht al- lein mich zu ihrem Liebhaber auf und anzunehmen, ſondern auch die Liberey nebſt Dero Bildniſſe zum erſten Zeichen ihrer Gegen-Gunſt in meinen Haͤn- den zu laſſen. Zwey gantzer Tage lang lieſſe ſie mich hierauff zwiſchen Furcht und Hoffnung zappeln, biß ich endlich die halb erfreuliche und halb traurige Ant- wort erhielt: Jch moͤchte zwar behalten, was ich durch Gluͤck und Tapfferkeit mir zugeeignet haͤtte, doch mit dem Bedinge: Daß ich ſolches niemahls wiederum oͤffentlich zeigen, ſondern vor jederman geheim halten ſolte. Uber dieſes ſolte mir auch er- laubt ſeyn, ſie morgenden Mittag in ihrem Zimmer zu ſprechen, allein abermahls mit der ſchweren Be- dingung: Daß ich kein eintziges Wort von Liebes- Sachen vorbraͤchte. Dieſes letztere machte mir den Kopff dermaſſen wuͤſte, daß ich mir weder zu rathen noch zu helffen wuſte, und an der Eroberung dieſes Felſen-Hertzens ſchon zu zweiffeln begunte, ehe noch ein recht ernſt- licher Sturm darauff gewagt war. Allein meine Liebe hatte dermahlen mehr Gluͤcke, als ich wuͤn- ſchen moͤgen, denn auf den erſten Beſuch, wobey ſich mein Gemuͤthe ſehr genau nach Eleonorens Be- fehlen richtete, bekam ich die Erlaubniß ihr taͤglich nach der Mittags-Mahlzeit aufzuwarten, und die Zeit mit dem Bret-Spiele zu verkuͤrtzen. Da aber meine ungewoͤhnliche Bloͤdigkeit nebſt ihrem ernſtlich wiederholten Beſehle das verliebte Vor- bringen lange genung zuruͤck gehalten hatten, gab die

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/522>, abgerufen am 21.11.2024.