Beutel mit 100. Ducaten, nebst einem kostbaren Ringe mit diesen Worten an mich lieferte: Neh- met hin, mein Aug-Apffel, dieses kleine Andencken, und liebet mich, so werdet ihr vor eurer Abreise von mir noch ein weit mehreres erhalten. Jch mochte mich wegern wie ich wolte, es halff nichts, sondern ich muste, ihren Zorn zu vermeiden, das Geschenck in meine Verwahrung nehmen. Sie zeigte sich dieserhalb höchst vergnügt, machte mir alle ersinn- liche Caressen, und sprach mit einem verliebten Seuffzer: Saget mir doch, mein Liebster! wo es herkommt, daß eure Person und Liebe in mir ein solches entzückendes Vergnügen erwecket? Ja ich schwere bey dem heiligen Glauben der Christen und der Tommi, daß meine Seele noch keinen solchen Zucker geschmecket. Jch versicherte sie vollkommen, daß es mit mir gleiche Bewandniß hätte, welches sich denn auch würcklich also befand. Jnzwischen weil mir das Wort Tommi in den Ohren hangen geblieben war, fragte ich gantz treuhertzig, was sie darunter verstünde? und erfuhr, daß selbiges eine gewisse Secte sey, worzu sich die Javaner bekenneten, und sich dabey weit höher und heiliger achteten, als andere Mahometaner; mit welchen sie doch sonsten, was die Haupt-Sätze der Lehre anbelangete, ziem- lich einig wären. Jch stutzte in etwas, da in Be- trachtung zog, wie ich allem Ansehen nach mit einer Heydin courtoisirte, doch die hefftige Liebe, so all- bereit meine Sinnen bezaubert hatte, konte den klei- nen Funcken des Religion-Scrupels gar leicht aus- löschen, zumahlen da durch ferneres Forschen er- fuhr, daß sie ungemeine Lust zu dem Christlicher,
Glaube
Beutel mit 100. Ducaten, nebſt einem koſtbaren Ringe mit dieſen Worten an mich lieferte: Neh- met hin, mein Aug-Apffel, dieſes kleine Andencken, und liebet mich, ſo werdet ihr vor eurer Abreiſe von mir noch ein weit mehreres erhalten. Jch mochte mich wegern wie ich wolte, es halff nichts, ſondern ich muſte, ihren Zorn zu vermeiden, das Geſchenck in meine Verwahrung nehmen. Sie zeigte ſich dieſerhalb hoͤchſt vergnuͤgt, machte mir alle erſinn- liche Careſſen, und ſprach mit einem verliebten Seuffzer: Saget mir doch, mein Liebſter! wo es herkommt, daß eure Perſon und Liebe in mir ein ſolches entzuͤckendes Vergnuͤgen erwecket? Ja ich ſchwere bey dem heiligen Glauben der Chriſten und der Tommi, daß meine Seele noch keinen ſolchen Zucker geſchmecket. Jch verſicherte ſie vollkommen, daß es mit mir gleiche Bewandniß haͤtte, welches ſich denn auch wuͤrcklich alſo befand. Jnzwiſchen weil mir das Wort Tommi in den Ohren hangen geblieben war, fragte ich gantz treuhertzig, was ſie darunter verſtuͤnde? und erfuhr, daß ſelbiges eine gewiſſe Secte ſey, worzu ſich die Javaner bekenneten, und ſich dabey weit hoͤher und heiliger achteten, als andere Mahometaner; mit welchen ſie doch ſonſten, was die Haupt-Saͤtze der Lehre anbelangete, ziem- lich einig waͤren. Jch ſtutzte in etwas, da in Be- trachtung zog, wie ich allem Anſehen nach mit einer Heydin courtoiſirte, doch die hefftige Liebe, ſo all- bereit meine Sinnen bezaubert hatte, konte den klei- nen Funcken des Religion-Scrupels gar leicht aus- loͤſchen, zumahlen da durch ferneres Forſchen er- fuhr, daß ſie ungemeine Luſt zu dem Chriſtlicher,
Glaube
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Beutel mit 100. Ducaten, nebſt einem koſtbaren
Ringe mit dieſen Worten an mich lieferte: Neh-
met hin, mein Aug-Apffel, dieſes kleine Andencken,
und liebet mich, ſo werdet ihr vor eurer Abreiſe von
mir noch ein weit mehreres erhalten. Jch mochte
mich wegern wie ich wolte, es halff nichts, ſondern
ich muſte, ihren Zorn zu vermeiden, das Geſchenck
in meine Verwahrung nehmen. Sie zeigte ſich
dieſerhalb hoͤchſt vergnuͤgt, machte mir alle erſinn-
liche Careſſen, und ſprach mit einem verliebten
Seuffzer: Saget mir doch, mein Liebſter! wo es
herkommt, daß eure Perſon und Liebe in mir ein
ſolches entzuͤckendes Vergnuͤgen erwecket? Ja ich
ſchwere bey dem heiligen Glauben der Chriſten und
der Tommi, daß meine Seele noch keinen ſolchen
Zucker geſchmecket. Jch verſicherte ſie vollkommen,
daß es mit mir gleiche Bewandniß haͤtte, welches
ſich denn auch wuͤrcklich alſo befand. Jnzwiſchen
weil mir das Wort Tommi in den Ohren hangen
geblieben war, fragte ich gantz treuhertzig, was ſie
darunter verſtuͤnde? und erfuhr, daß ſelbiges eine
gewiſſe Secte ſey, worzu ſich die Javaner bekenneten,
und ſich dabey weit hoͤher und heiliger achteten, als
andere Mahometaner; mit welchen ſie doch ſonſten,
was die Haupt-Saͤtze der Lehre anbelangete, ziem-
lich einig waͤren. Jch ſtutzte in etwas, da in Be-
trachtung zog, wie ich allem Anſehen nach mit einer
Heydin courtoiſirte, doch die hefftige Liebe, ſo all-
bereit meine Sinnen bezaubert hatte, konte den klei-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage… [mehr]
1731 erschien die Erstausgabe. Die zweite Auflage folgte schon 1732. Zum Zeitpunkt der Digitalisierung stand nur die dritte Auflage von 1740 zur Verfügung. (Link zur Erstausgabe: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:3:1-459276)
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. 3. Aufl. Bd. 1. Nordhausen, 1740, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata01_1740/56>, abgerufen am 22.11.2024.
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