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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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lis 1714. giengen wir abermahls dahin, die ange-
nehme Herbst-Zeit daselbst zu passiren, und weil die
galanten Fräuleins meines Principals, ingleichen
die ungemein wohlgebildete Charlotte, eine ziemli-
che Anzahl junger Cavalier dahin zogen, war an täg-
lich vergnügten Veränderungen und Lustbarkeiten
nicht der allergeringste Mangel zu spüren. Jedoch,
nachdem ich überlegt, daß es meine Schuldigkeit sey,
dem verwitweten Gemahl meiner ersten Wohlthä-
terin, die gehorsamste Aufwartung zu machen, bat
ich mir dieserwegen bey dem itzigen Versorger ein
Pferd aus, und ritte zum erstenmahle die Strasse
zurück, auf welcher mich vor etlichen Jahren ein
Bauer-Wagen in schmertzlichen Zustande, meinem
Glücke entgegen geführet hatte. Der alte recht-
schaffene von Adel empfing mich so wohl, als der
eine zu Hause lebende Herr Sohn, ungemein freund-
lich und complaisant, man tractirte mich unver-
dienter weise würcklich als einen Cavalier, und
wolte mir glaubend machen: ich hätte ein solches gu-
tes Ansehen und Geschicklichkeit erworben, daß ich
nunmehro im Stande sey, in Zukunfft ohne andere
Recommendation mein Glücke selbst zu befördern,
und allen Widerwärtigkeiten Trotz zu bieten.
Nachdem ich aber dem jüngern Herrn etliche wohl-
gemachte Zeichnungen von Landschafften, Städten,
Fortificationen und dergleichen gezeiget, und bey
Vermerckung seiner Begierde, selbige mir abzuhan-
deln, ihm ein angenehmes Praesent damit gemacht
hatte, überkam ich nicht allein sofort die von seiner
verstorbenen Mutter, mir vermachten 200. Thlr.
baar bezahlt, sondern von ihm 2. vortreffliche, fast

noch

lis 1714. giengen wir abermahls dahin, die ange-
nehme Herbſt-Zeit daſelbſt zu paſſiren, und weil die
galanten Fraͤuleins meines Principals, ingleichen
die ungemein wohlgebildete Charlotte, eine ziemli-
che Anzahl junger Cavalier dahin zogen, war an taͤg-
lich vergnuͤgten Veraͤnderungen und Luſtbarkeiten
nicht der allergeringſte Mangel zu ſpuͤren. Jedoch,
nachdem ich uͤberlegt, daß es meine Schuldigkeit ſey,
dem verwitweten Gemahl meiner erſten Wohlthaͤ-
terin, die gehorſamſte Aufwartung zu machen, bat
ich mir dieſerwegen bey dem itzigen Verſorger ein
Pferd aus, und ritte zum erſtenmahle die Straſſe
zuruͤck, auf welcher mich vor etlichen Jahren ein
Bauer-Wagen in ſchmertzlichen Zuſtande, meinem
Gluͤcke entgegen gefuͤhret hatte. Der alte recht-
ſchaffene von Adel empfing mich ſo wohl, als der
eine zu Hauſe lebende Herr Sohn, ungemein freund-
lich und complaiſant, man tractirte mich unver-
dienter weiſe wuͤrcklich als einen Cavalier, und
wolte mir glaubend machen: ich haͤtte ein ſolches gu-
tes Anſehen und Geſchicklichkeit erworben, daß ich
nunmehro im Stande ſey, in Zukunfft ohne andere
Recommendation mein Gluͤcke ſelbſt zu befoͤrdern,
und allen Widerwaͤrtigkeiten Trotz zu bieten.
Nachdem ich aber dem juͤngern Herrn etliche wohl-
gemachte Zeichnungen von Landſchafften, Staͤdten,
Fortificationen und dergleichen gezeiget, und bey
Vermerckung ſeiner Begierde, ſelbige mir abzuhan-
deln, ihm ein angenehmes Præſent damit gemacht
hatte, uͤberkam ich nicht allein ſofort die von ſeiner
verſtorbenen Mutter, mir vermachten 200. Thlr.
baar bezahlt, ſondern von ihm 2. vortreffliche, faſt

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[98/0112] lis 1714. giengen wir abermahls dahin, die ange- nehme Herbſt-Zeit daſelbſt zu paſſiren, und weil die galanten Fraͤuleins meines Principals, ingleichen die ungemein wohlgebildete Charlotte, eine ziemli- che Anzahl junger Cavalier dahin zogen, war an taͤg- lich vergnuͤgten Veraͤnderungen und Luſtbarkeiten nicht der allergeringſte Mangel zu ſpuͤren. Jedoch, nachdem ich uͤberlegt, daß es meine Schuldigkeit ſey, dem verwitweten Gemahl meiner erſten Wohlthaͤ- terin, die gehorſamſte Aufwartung zu machen, bat ich mir dieſerwegen bey dem itzigen Verſorger ein Pferd aus, und ritte zum erſtenmahle die Straſſe zuruͤck, auf welcher mich vor etlichen Jahren ein Bauer-Wagen in ſchmertzlichen Zuſtande, meinem Gluͤcke entgegen gefuͤhret hatte. Der alte recht- ſchaffene von Adel empfing mich ſo wohl, als der eine zu Hauſe lebende Herr Sohn, ungemein freund- lich und complaiſant, man tractirte mich unver- dienter weiſe wuͤrcklich als einen Cavalier, und wolte mir glaubend machen: ich haͤtte ein ſolches gu- tes Anſehen und Geſchicklichkeit erworben, daß ich nunmehro im Stande ſey, in Zukunfft ohne andere Recommendation mein Gluͤcke ſelbſt zu befoͤrdern, und allen Widerwaͤrtigkeiten Trotz zu bieten. Nachdem ich aber dem juͤngern Herrn etliche wohl- gemachte Zeichnungen von Landſchafften, Staͤdten, Fortificationen und dergleichen gezeiget, und bey Vermerckung ſeiner Begierde, ſelbige mir abzuhan- deln, ihm ein angenehmes Præſent damit gemacht hatte, uͤberkam ich nicht allein ſofort die von ſeiner verſtorbenen Mutter, mir vermachten 200. Thlr. baar bezahlt, ſondern von ihm 2. vortreffliche, faſt noch

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/112>, abgerufen am 27.11.2024.