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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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bey meinem Vetter, Rapport von ihren Verrich-
tungen abzustatten, küssete den erblasseten Mund
und Hände meines liebsten Engels noch zu guter
letzt unzehlige mahl, setzte mich hernach auf instän-
diges Anhalten nebst meinen Compagnons zu
Pferde, und suchte aufs eiligste über die Grentzen
dieses mir höchst fatalen Ländgens zukommen.

Wir hielten uns ohne die äusserste Noth in kei-
nem Quartier sehr lange aus, bis endlich die be-
rühmte Stadt Straßburg erreicht war. Von
hieraus schrieb ich an meinen Vetter den Secreta-
rium,
berichtete demselben das mir zugestossene
Unglück mit behörigen Umständen, und bat, so
ferne meiner seligen Fräulein Bediente bey ihm
angelanget, mir ihren abgestatteten Rapport aufs
eiligste zu überschreiben, weil ich an ermeldten
Orte bis zu Einlauff seiner Antwort verziehen wol-
te. Vier Wochen hernach bekam ich also sein
Antworts-Schreiben, und erfuhr, daß kein Mägd-
gen zu ihm gekommen, sondern dieselbe vermuth-
lich des nächsten Wegs nach ihrer Heymath gerei-
set wäre, immittelst hätte er so viel vernommen,
daß so wohl mein sel. Fräulein als der Cörper des
entleibten von P. ** in eine kleine Dorff-Kirche,
vor den Altar nahe beysammen begraben worden,
welches Glück ich dem Stöhrer meines Vergnü-
gens durchaus nicht gönnete, und solches dennoch
leiden mußte. Jm übrigen hatte mein Vetter aus-
gekundschafft, daß meine Angelegenheiten beym
Regiment auf sehr schlimmen Fusse stünden, sin-
temahl ich ohne Urlaub hinweg gereiset, und über-
dieses dergleichen blutige Tragoedien angestifftet

hätte.

bey meinem Vetter, Rapport von ihren Verrich-
tungen abzuſtatten, kuͤſſete den erblaſſeten Mund
und Haͤnde meines liebſten Engels noch zu guter
letzt unzehlige mahl, ſetzte mich hernach auf inſtaͤn-
diges Anhalten nebſt meinen Compagnons zu
Pferde, und ſuchte aufs eiligſte uͤber die Grentzen
dieſes mir hoͤchſt fatalen Laͤndgens zukommen.

Wir hielten uns ohne die aͤuſſerſte Noth in kei-
nem Quartier ſehr lange auſ, bis endlich die be-
ruͤhmte Stadt Straßburg erreicht war. Von
hieraus ſchrieb ich an meinen Vetter den Secreta-
rium,
berichtete demſelben das mir zugeſtoſſene
Ungluͤck mit behoͤrigen Umſtaͤnden, und bat, ſo
ferne meiner ſeligen Fraͤulein Bediente bey ihm
angelanget, mir ihren abgeſtatteten Rapport aufs
eiligſte zu uͤberſchreiben, weil ich an ermeldten
Orte bis zu Einlauff ſeiner Antwort verziehen wol-
te. Vier Wochen hernach bekam ich alſo ſein
Antworts-Schreiben, und erfuhr, daß kein Maͤgd-
gen zu ihm gekommen, ſondern dieſelbe vermuth-
lich des naͤchſten Wegs nach ihrer Heymath gerei-
ſet waͤre, immittelſt haͤtte er ſo viel vernommen,
daß ſo wohl mein ſel. Fraͤulein als der Coͤrper des
entleibten von P. ** in eine kleine Dorff-Kirche,
vor den Altar nahe beyſammen begraben worden,
welches Gluͤck ich dem Stoͤhrer meines Vergnuͤ-
gens durchaus nicht goͤnnete, und ſolches dennoch
leiden mußte. Jm uͤbrigen hatte mein Vetter aus-
gekundſchafft, daß meine Angelegenheiten beym
Regiment auf ſehr ſchlimmen Fuſſe ſtuͤnden, ſin-
temahl ich ohne Urlaub hinweg gereiſet, und uͤber-
dieſes dergleichen blutige Tragœdien angeſtifftet

haͤtte.
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[155/0169] bey meinem Vetter, Rapport von ihren Verrich- tungen abzuſtatten, kuͤſſete den erblaſſeten Mund und Haͤnde meines liebſten Engels noch zu guter letzt unzehlige mahl, ſetzte mich hernach auf inſtaͤn- diges Anhalten nebſt meinen Compagnons zu Pferde, und ſuchte aufs eiligſte uͤber die Grentzen dieſes mir hoͤchſt fatalen Laͤndgens zukommen. Wir hielten uns ohne die aͤuſſerſte Noth in kei- nem Quartier ſehr lange auſ, bis endlich die be- ruͤhmte Stadt Straßburg erreicht war. Von hieraus ſchrieb ich an meinen Vetter den Secreta- rium, berichtete demſelben das mir zugeſtoſſene Ungluͤck mit behoͤrigen Umſtaͤnden, und bat, ſo ferne meiner ſeligen Fraͤulein Bediente bey ihm angelanget, mir ihren abgeſtatteten Rapport aufs eiligſte zu uͤberſchreiben, weil ich an ermeldten Orte bis zu Einlauff ſeiner Antwort verziehen wol- te. Vier Wochen hernach bekam ich alſo ſein Antworts-Schreiben, und erfuhr, daß kein Maͤgd- gen zu ihm gekommen, ſondern dieſelbe vermuth- lich des naͤchſten Wegs nach ihrer Heymath gerei- ſet waͤre, immittelſt haͤtte er ſo viel vernommen, daß ſo wohl mein ſel. Fraͤulein als der Coͤrper des entleibten von P. ** in eine kleine Dorff-Kirche, vor den Altar nahe beyſammen begraben worden, welches Gluͤck ich dem Stoͤhrer meines Vergnuͤ- gens durchaus nicht goͤnnete, und ſolches dennoch leiden mußte. Jm uͤbrigen hatte mein Vetter aus- gekundſchafft, daß meine Angelegenheiten beym Regiment auf ſehr ſchlimmen Fuſſe ſtuͤnden, ſin- temahl ich ohne Urlaub hinweg gereiſet, und uͤber- dieſes dergleichen blutige Tragœdien angeſtifftet haͤtte.

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/169>, abgerufen am 23.11.2024.