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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

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lich aufgeführet hatte, bekam er wenig Wochen her-
nach seine völlige Dimission, mithin traten auch die
besten Kund-Leute bey Hofe und in der Stadt zu ei-
nem andern über. Er wurde solchergestalt nur de-
sto desperater im sauffen, spielen und andern lie-
derlichen Streichen, ruinirte sich und die Seinigen
immer mehr und mehr, so daß ich den Jammer bey
seiner sehr vernünfftigen Frauen und 6 Kindern nicht
mehr ansehen konte, sondern meinen Abschied nahm
und nachhero erfuhr, daß ihn der Wein, Bier und
Brantewein, noch zu rechter Zeit ins Grab ge-
bracht hatten, wie selig er aber gestorben, weiß
ich nicht.

Mich führete ein glückliches Fatum von dieser
Residenz-Stadt hinweg und auf eine berühmte
Universität, allwo ich zwar so gleich keine Condi-
tion
zu hoffen hatte, iedoch von einem genereusen
Lands-Manne, auf seine Stube genommen und
ausser der Kost und Kleidung in allen defrayiret
wurde. Dieser mein Lands-Mann studirte Medi-
cinam,
und da ich kaum zwey Tage bey ihm gewe-
sen, erwachte bey mir auf einmahl wiederum die
Lust zum studiren. Mein Vormund wegerte sich
nicht, mir nunmehro, da ich majorennis worden,
und ihm doch nicht gleich zu Halse gelauffen kam,
100. Thlr. zu schicken, welches aber auch das letzte
Geld war, welches ich von meinem väterlichen und
mütterlichen Erbtheile empfangen habe, ohngeacht
ich meiner gemachten Rechnung nach, wenigstens
noch 800. Thlr. rückständig zu haben vermeinete.
Jedoch da ich mich weder einiges Betrugs, noch
andern Unglücks befürchtete, machte sich mein, auf

das
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lich aufgefuͤhret hatte, bekam er wenig Wochen her-
nach ſeine voͤllige Dimiſſion, mithin traten auch die
beſten Kund-Leute bey Hofe und in der Stadt zu ei-
nem andern uͤber. Er wurde ſolchergeſtalt nur de-
ſto deſperater im ſauffen, ſpielen und andern lie-
derlichen Streichen, ruinirte ſich und die Seinigen
immer mehr und mehr, ſo daß ich den Jammer bey
ſeiner ſehr vernuͤnfftigen Frauen und 6 Kindern nicht
mehr anſehen konte, ſondern meinen Abſchied nahm
und nachhero erfuhr, daß ihn der Wein, Bier und
Brantewein, noch zu rechter Zeit ins Grab ge-
bracht hatten, wie ſelig er aber geſtorben, weiß
ich nicht.

Mich fuͤhrete ein gluͤckliches Fatum von dieſer
Reſidenz-Stadt hinweg und auf eine beruͤhmte
Univerſitaͤt, allwo ich zwar ſo gleich keine Condi-
tion
zu hoffen hatte, iedoch von einem genereuſen
Lands-Manne, auf ſeine Stube genommen und
auſſer der Koſt und Kleidung in allen defrayiret
wurde. Dieſer mein Lands-Mann ſtudirte Medi-
cinam,
und da ich kaum zwey Tage bey ihm gewe-
ſen, erwachte bey mir auf einmahl wiederum die
Luſt zum ſtudiren. Mein Vormund wegerte ſich
nicht, mir nunmehro, da ich majorennis worden,
und ihm doch nicht gleich zu Halſe gelauffen kam,
100. Thlr. zu ſchicken, welches aber auch das letzte
Geld war, welches ich von meinem vaͤterlichen und
muͤtterlichen Erbtheile empfangen habe, ohngeacht
ich meiner gemachten Rechnung nach, wenigſtens
noch 800. Thlr. ruͤckſtaͤndig zu haben vermeinete.
Jedoch da ich mich weder einiges Betrugs, noch
andern Ungluͤcks befuͤrchtete, machte ſich mein, auf

das
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[199/0213] lich aufgefuͤhret hatte, bekam er wenig Wochen her- nach ſeine voͤllige Dimiſſion, mithin traten auch die beſten Kund-Leute bey Hofe und in der Stadt zu ei- nem andern uͤber. Er wurde ſolchergeſtalt nur de- ſto deſperater im ſauffen, ſpielen und andern lie- derlichen Streichen, ruinirte ſich und die Seinigen immer mehr und mehr, ſo daß ich den Jammer bey ſeiner ſehr vernuͤnfftigen Frauen und 6 Kindern nicht mehr anſehen konte, ſondern meinen Abſchied nahm und nachhero erfuhr, daß ihn der Wein, Bier und Brantewein, noch zu rechter Zeit ins Grab ge- bracht hatten, wie ſelig er aber geſtorben, weiß ich nicht. Mich fuͤhrete ein gluͤckliches Fatum von dieſer Reſidenz-Stadt hinweg und auf eine beruͤhmte Univerſitaͤt, allwo ich zwar ſo gleich keine Condi- tion zu hoffen hatte, iedoch von einem genereuſen Lands-Manne, auf ſeine Stube genommen und auſſer der Koſt und Kleidung in allen defrayiret wurde. Dieſer mein Lands-Mann ſtudirte Medi- cinam, und da ich kaum zwey Tage bey ihm gewe- ſen, erwachte bey mir auf einmahl wiederum die Luſt zum ſtudiren. Mein Vormund wegerte ſich nicht, mir nunmehro, da ich majorennis worden, und ihm doch nicht gleich zu Halſe gelauffen kam, 100. Thlr. zu ſchicken, welches aber auch das letzte Geld war, welches ich von meinem vaͤterlichen und muͤtterlichen Erbtheile empfangen habe, ohngeacht ich meiner gemachten Rechnung nach, wenigſtens noch 800. Thlr. ruͤckſtaͤndig zu haben vermeinete. Jedoch da ich mich weder einiges Betrugs, noch andern Ungluͤcks befuͤrchtete, machte ſich mein, auf das n 4

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/213>, abgerufen am 18.12.2024.