daß du lesen lernest. Nein! sprach ich, daß ist mir ungelegen, ich mag mich mit keinem kleinen Buche herum hudeln, sondern ich will gleich aus diesem grossen Buche lesen lernen, und zwar vor mein gut Geld, welches ich euch den Augenblick geben will, so bald ich nur erstlich so gut, als die grossen Bengels lesen kan, die dort herum sitzen. Die Schüler fin- gen aufs neue zu lachen an, und der Rector selbst wurde ein wenig zum lächeln bewogen, welches mich dermassen verdroß, daß ich mit zornigen Geberden sprach: Jch habe gedacht an einen klugen Ort zu kommen, und treffe doch alberne Leute an, wollet ihr mir nicht lesen lernen, so laßt es bleiben, und lachet über euch Narren selbst, so lange ihr könnet. Hiermit setzte ich meine Mütze auf und wolte wieder fort gehen, allein der Rector nahm mich beym Arme und sagte: Mein Sohn, werde nicht böse, sondern setze dich hier auf diese kleine Banck, ich will dir das Lesen um- sonst lehren, und dir noch Geld darzu geben. Jch sahe ihn starr in die Augen, um zu erforschen, ob es sein Ernst sey, ließ mich aber endlich bereden ihm zu gehorsamen, da er denn alsobald den Folianten selbst aufschlug, mir zuerst 4. Buchstaben zeigete, und be- fahl, dieselben wohl zu mercken, noch mehr derglei- chen in dem grossen Buche zu suchen, und ihm nach- hero dieselben zu weisen. Jn einer Vierthel-Stun- de hatte ich nicht nur alle wohl ins Gedächtniß ge- fasset, sondern auch auf allen Seiten des Buchs, noch viele dergleichen mit den Nägeln gezeichnet, weßwegen mir der Rector vier neue, und bald her- noch abermahls 4. neue kennen lernete, so daß ich binnen einer Stunde schon das halbe A. B. C. inne
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daß du leſen lerneſt. Nein! ſprach ich, daß iſt mir ungelegen, ich mag mich mit keinem kleinen Buche herum hudeln, ſondern ich will gleich aus dieſem groſſen Buche leſen lernen, und zwar vor mein gut Geld, welches ich euch den Augenblick geben will, ſo bald ich nur erſtlich ſo gut, als die groſſen Bengels leſen kan, die dort herum ſitzen. Die Schuͤler fin- gen aufs neue zu lachen an, und der Rector ſelbſt wurde ein wenig zum laͤcheln bewogen, welches mich dermaſſen verdroß, daß ich mit zornigen Geberden ſprach: Jch habe gedacht an einen klugen Ort zu kommen, und treffe doch alberne Leute an, wollet ihr mir nicht leſen lernen, ſo laßt es bleiben, und lachet uͤber euch Narren ſelbſt, ſo lange ihr koͤnnet. Hiermit ſetzte ich meine Muͤtze auf und wolte wieder fort gehen, allein der Rector nahm mich beym Arme und ſagte: Mein Sohn, werde nicht boͤſe, ſondern ſetze dich hier auf dieſe kleine Banck, ich will dir das Leſen um- ſonſt lehren, und dir noch Geld darzu geben. Jch ſahe ihn ſtarr in die Augen, um zu erforſchen, ob es ſein Ernſt ſey, ließ mich aber endlich bereden ihm zu gehorſamen, da er denn alſobald den Folianten ſelbſt aufſchlug, mir zuerſt 4. Buchſtaben zeigete, und be- fahl, dieſelben wohl zu mercken, noch mehr derglei- chen in dem groſſen Buche zu ſuchen, und ihm nach- hero dieſelben zu weiſen. Jn einer Vierthel-Stun- de hatte ich nicht nur alle wohl ins Gedaͤchtniß ge- faſſet, ſondern auch auf allen Seiten des Buchs, noch viele dergleichen mit den Naͤgeln gezeichnet, weßwegen mir der Rector vier neue, und bald her- noch abermahls 4. neue kennen lernete, ſo daß ich binnen einer Stunde ſchon das halbe A. B. C. inne
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daß du leſen lerneſt. Nein! ſprach ich, daß iſt mir
ungelegen, ich mag mich mit keinem kleinen Buche
herum hudeln, ſondern ich will gleich aus dieſem
groſſen Buche leſen lernen, und zwar vor mein gut
Geld, welches ich euch den Augenblick geben will,
ſo bald ich nur erſtlich ſo gut, als die groſſen Bengels
leſen kan, die dort herum ſitzen. Die Schuͤler fin-
gen aufs neue zu lachen an, und der Rector ſelbſt
wurde ein wenig zum laͤcheln bewogen, welches mich
dermaſſen verdroß, daß ich mit zornigen Geberden
ſprach: Jch habe gedacht an einen klugen Ort zu
kommen, und treffe doch alberne Leute an, wollet ihr
mir nicht leſen lernen, ſo laßt es bleiben, und lachet
uͤber euch Narren ſelbſt, ſo lange ihr koͤnnet. Hiermit
ſetzte ich meine Muͤtze auf und wolte wieder fort gehen,
allein der Rector nahm mich beym Arme und ſagte:
Mein Sohn, werde nicht boͤſe, ſondern ſetze dich hier
auf dieſe kleine Banck, ich will dir das Leſen um-
ſonſt lehren, und dir noch Geld darzu geben. Jch
ſahe ihn ſtarr in die Augen, um zu erforſchen, ob es
ſein Ernſt ſey, ließ mich aber endlich bereden ihm zu
gehorſamen, da er denn alſobald den Folianten ſelbſt
aufſchlug, mir zuerſt 4. Buchſtaben zeigete, und be-
fahl, dieſelben wohl zu mercken, noch mehr derglei-
chen in dem groſſen Buche zu ſuchen, und ihm nach-
hero dieſelben zu weiſen. Jn einer Vierthel-Stun-
de hatte ich nicht nur alle wohl ins Gedaͤchtniß ge-
faſſet, ſondern auch auf allen Seiten des Buchs,
noch viele dergleichen mit den Naͤgeln gezeichnet,
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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 404. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/418>, abgerufen am 29.11.2024.
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