Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

te keinen Fleiß noch Kosten, mich zu fernern studi-
ren anzuhalten, in Meinung, daß hinter der grossen
Lust, welche ich zum lesen und schreiben bezeiget,
vielleicht noch eine höhere verborgen stäcke, er fand
sich aber betrogen. Denn so leichte mir bis daher
alles angekommen war, so schwer fiel mir nachdem,
das Latein in den Kopf zu bringen, ja ich konte mit
Mühe und Noth kaum so viel fassen, endlich in mei-
nem 15ten Jahre in Secunda zu kommen. Zu Hause
rühreten meine Hände aus eigener Bewegung kein
Buch an, hergegen war mein eintziges Vergnügen,
ein und andere Stückgen Holtz auszusuchen, und
recht verwunderns würdige Narrenpossen daraus
zu schnitzen.

Jedoch weil ich mich sonsten in des Rectors Hau-
se jederzeit dienstfertig, gehorsam und getreue fin-
den lassen, nahm mich derselbe eines Tages vor, und
sagte: Mein lieber Junge! ich habe nunmehro wider
mein Vermuthen vollkommen angemerckt daß aus
dir schwerlich ein Gelehrter werden wird, denn du bist
ein Holtz-Wurm, und hast mehr Lust zu schnitzeln
und hacken, als zum Latein und andern gelehrten
Ubungen, derowegen sage nur frey heraus, ob dir
beliebig ist ein Zimmermann, Tischler, Drechsler,
Bildhauer oder dergleichen zu werden, so will ich
nebst andern guthertzigen Leuten Sorge tragen, daß
du zu einem guten Meister, von dieser Professionen
einer gethan wirst, und dieselbe Zunfftmäßig erler-
nest. Jch war vor Freuden gantz ausser mir selbst,
da ich den Rector also reden hörete, bat derowegen
mich entweder zu einem Drechsler oder Bildhauer
zu bringen, weil sich zu diesen beyden Professionen

bey

te keinen Fleiß noch Koſten, mich zu fernern ſtudi-
ren anzuhalten, in Meinung, daß hinter der groſſen
Luſt, welche ich zum leſen und ſchreiben bezeiget,
vielleicht noch eine hoͤhere verborgen ſtaͤcke, er fand
ſich aber betrogen. Denn ſo leichte mir bis daher
alles angekommen war, ſo ſchwer fiel mir nachdem,
das Latein in den Kopf zu bringen, ja ich konte mit
Muͤhe und Noth kaum ſo viel faſſen, endlich in mei-
nem 15ten Jahre in Secunda zu kommen. Zu Hauſe
ruͤhreten meine Haͤnde aus eigener Bewegung kein
Buch an, hergegen war mein eintziges Vergnuͤgen,
ein und andere Stuͤckgen Holtz auszuſuchen, und
recht verwunderns wuͤrdige Narrenpoſſen daraus
zu ſchnitzen.

Jedoch weil ich mich ſonſten in des Rectors Hau-
ſe jederzeit dienſtfertig, gehorſam und getreue fin-
den laſſen, nahm mich derſelbe eines Tages vor, und
ſagte: Mein lieber Junge! ich habe nunmehro wider
mein Vermuthen vollkommen angemerckt daß aus
dir ſchwerlich ein Gelehrter werden wird, denn du biſt
ein Holtz-Wurm, und haſt mehr Luſt zu ſchnitzeln
und hacken, als zum Latein und andern gelehrten
Ubungen, derowegen ſage nur frey heraus, ob dir
beliebig iſt ein Zimmermann, Tiſchler, Drechsler,
Bildhauer oder dergleichen zu werden, ſo will ich
nebſt andern guthertzigen Leuten Sorge tragen, daß
du zu einem guten Meiſter, von dieſer Profeſſionen
einer gethan wirſt, und dieſelbe Zunfftmaͤßig erler-
neſt. Jch war vor Freuden gantz auſſer mir ſelbſt,
da ich den Rector alſo reden hoͤrete, bat derowegen
mich entweder zu einem Drechsler oder Bildhauer
zu bringen, weil ſich zu dieſen beyden Profeſſionen

bey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0420" n="406"/>
te keinen Fleiß noch Ko&#x017F;ten, mich zu fernern <hi rendition="#aq">&#x017F;tudi-</hi><lb/>
ren anzuhalten, in Meinung, daß hinter der gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Lu&#x017F;t, welche ich zum le&#x017F;en und &#x017F;chreiben bezeiget,<lb/>
vielleicht noch eine ho&#x0364;here verborgen &#x017F;ta&#x0364;cke, er fand<lb/>
&#x017F;ich aber betrogen. Denn &#x017F;o leichte mir bis daher<lb/>
alles angekommen war, &#x017F;o &#x017F;chwer fiel mir nachdem,<lb/>
das <hi rendition="#aq">Latein</hi> in den Kopf zu bringen, ja ich konte mit<lb/>
Mu&#x0364;he und Noth kaum &#x017F;o viel fa&#x017F;&#x017F;en, endlich in mei-<lb/>
nem 15ten Jahre in <hi rendition="#aq">Secunda</hi> zu kommen. Zu Hau&#x017F;e<lb/>
ru&#x0364;hreten meine Ha&#x0364;nde aus eigener Bewegung kein<lb/>
Buch an, hergegen war mein eintziges Vergnu&#x0364;gen,<lb/>
ein und andere Stu&#x0364;ckgen Holtz auszu&#x017F;uchen, und<lb/>
recht verwunderns wu&#x0364;rdige Narrenpo&#x017F;&#x017F;en daraus<lb/>
zu &#x017F;chnitzen.</p><lb/>
          <p>Jedoch weil ich mich &#x017F;on&#x017F;ten in des <hi rendition="#aq">Rectors</hi> Hau-<lb/>
&#x017F;e jederzeit dien&#x017F;tfertig, gehor&#x017F;am und getreue fin-<lb/>
den la&#x017F;&#x017F;en, nahm mich der&#x017F;elbe eines Tages vor, und<lb/>
&#x017F;agte: Mein lieber Junge! ich habe nunmehro wider<lb/>
mein Vermuthen vollkommen angemerckt daß aus<lb/>
dir &#x017F;chwerlich ein Gelehrter werden wird, denn du bi&#x017F;t<lb/>
ein Holtz-Wurm, und ha&#x017F;t mehr Lu&#x017F;t zu &#x017F;chnitzeln<lb/>
und hacken, als zum <hi rendition="#aq">Latein</hi> und andern gelehrten<lb/>
Ubungen, derowegen &#x017F;age nur frey heraus, ob dir<lb/>
beliebig i&#x017F;t ein Zimmermann, Ti&#x017F;chler, Drechsler,<lb/>
Bildhauer oder dergleichen zu werden, &#x017F;o will ich<lb/>
neb&#x017F;t andern guthertzigen Leuten Sorge tragen, daß<lb/>
du zu einem guten Mei&#x017F;ter, von die&#x017F;er <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;ion</hi>en<lb/>
einer gethan wir&#x017F;t, und die&#x017F;elbe Zunfftma&#x0364;ßig erler-<lb/>
ne&#x017F;t. Jch war vor Freuden gantz au&#x017F;&#x017F;er mir &#x017F;elb&#x017F;t,<lb/>
da ich den <hi rendition="#aq">Rector</hi> al&#x017F;o reden ho&#x0364;rete, bat derowegen<lb/>
mich entweder zu einem Drechsler oder Bildhauer<lb/>
zu bringen, weil &#x017F;ich zu die&#x017F;en beyden <hi rendition="#aq">Profe&#x017F;&#x017F;ion</hi>en<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">bey</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[406/0420] te keinen Fleiß noch Koſten, mich zu fernern ſtudi- ren anzuhalten, in Meinung, daß hinter der groſſen Luſt, welche ich zum leſen und ſchreiben bezeiget, vielleicht noch eine hoͤhere verborgen ſtaͤcke, er fand ſich aber betrogen. Denn ſo leichte mir bis daher alles angekommen war, ſo ſchwer fiel mir nachdem, das Latein in den Kopf zu bringen, ja ich konte mit Muͤhe und Noth kaum ſo viel faſſen, endlich in mei- nem 15ten Jahre in Secunda zu kommen. Zu Hauſe ruͤhreten meine Haͤnde aus eigener Bewegung kein Buch an, hergegen war mein eintziges Vergnuͤgen, ein und andere Stuͤckgen Holtz auszuſuchen, und recht verwunderns wuͤrdige Narrenpoſſen daraus zu ſchnitzen. Jedoch weil ich mich ſonſten in des Rectors Hau- ſe jederzeit dienſtfertig, gehorſam und getreue fin- den laſſen, nahm mich derſelbe eines Tages vor, und ſagte: Mein lieber Junge! ich habe nunmehro wider mein Vermuthen vollkommen angemerckt daß aus dir ſchwerlich ein Gelehrter werden wird, denn du biſt ein Holtz-Wurm, und haſt mehr Luſt zu ſchnitzeln und hacken, als zum Latein und andern gelehrten Ubungen, derowegen ſage nur frey heraus, ob dir beliebig iſt ein Zimmermann, Tiſchler, Drechsler, Bildhauer oder dergleichen zu werden, ſo will ich nebſt andern guthertzigen Leuten Sorge tragen, daß du zu einem guten Meiſter, von dieſer Profeſſionen einer gethan wirſt, und dieſelbe Zunfftmaͤßig erler- neſt. Jch war vor Freuden gantz auſſer mir ſelbſt, da ich den Rector alſo reden hoͤrete, bat derowegen mich entweder zu einem Drechsler oder Bildhauer zu bringen, weil ſich zu dieſen beyden Profeſſionen bey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/420
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/420>, abgerufen am 29.11.2024.