müßigen Stunden genaue Kundschafft mit einem alten beweibten Bildhauer-Gesellen, der mir vor ein leichtes Geld, die Kunst zu zeichnen, nebst den be- sten Vortheilen in ihrer Arbeit lehrete, und weil ich, wie bereits gemeldet, nicht allein gute Lust, sondern auch ein natürliches Geschicke darzu hatte, so brach- te es nachhero darinnen ziemlich weit. Endlich da ich mir binnen besagter Reise-Zeit ein Capital von fast anderthalb hundert Thalern gesammlet, kam mir die Lust, meine Vaters-Stadt zu sehen, wieder an. Meine Mutter war bereits vor etlichen Jah- ren gestorben, der Vater aber hatte sich, seines Al- ters und Unvermögens wegen, vor alle sein erspartes Guth ins Hospital eingekaufft, mein Wohlthäter der Rector aber lebte, ohngeacht seines hohen Alters, mit seiner Frauen annoch sehr vergnügt, und be- zeigte eine besondere Freude, da er mich in so guten Stande wieder kommen sahe, welche Freude nicht um ein geringes vermehret wurde, da ich ihm unter- schiedliche Raritäten, nicht allein von künstlichen, sondern auch natürlichen Sachen mitbrachte, in- dem mir bewußt war, daß er selbst eine artige com- pendieuse Naturalien-Cammer besaß, und derglei- chen Sachen wegen, mit den vornehm sten Leuten Correspondenz führete. Der ehrliche Mann gestunde mir etwa ein halbes Jahr hernach, daß er aus meinen Sachen bey nahe hundert Thaler gelö- set, bot mir derowegen die Helffte solches Geldes zu meinem Bürger- und Meister-Rechte in selbiger Stadt an, da ich aber durchaus nichts annehmen wolte, sondern zu erkennen gab, wie er nechst GOtt allein derjenige sey, welchem ich alles, was ich im
Kopfe
muͤßigen Stunden genaue Kundſchafft mit einem alten beweibten Bildhauer-Geſellen, der mir vor ein leichtes Geld, die Kunſt zu zeichnen, nebſt den be- ſten Vortheilen in ihrer Arbeit lehrete, und weil ich, wie bereits gemeldet, nicht allein gute Luſt, ſondern auch ein natuͤrliches Geſchicke darzu hatte, ſo brach- te es nachhero darinnen ziemlich weit. Endlich da ich mir binnen beſagter Reiſe-Zeit ein Capital von faſt anderthalb hundert Thalern geſammlet, kam mir die Luſt, meine Vaters-Stadt zu ſehen, wieder an. Meine Mutter war bereits vor etlichen Jah- ren geſtorben, der Vater aber hatte ſich, ſeines Al- ters und Unvermoͤgens wegen, vor alle ſein erſpartes Guth ins Hoſpital eingekaufft, mein Wohlthaͤter der Rector aber lebte, ohngeacht ſeines hohen Alters, mit ſeiner Frauen annoch ſehr vergnuͤgt, und be- zeigte eine beſondere Freude, da er mich in ſo guten Stande wieder kommen ſahe, welche Freude nicht um ein geringes vermehret wurde, da ich ihm unter- ſchiedliche Raritaͤten, nicht allein von kuͤnſtlichen, ſondern auch natuͤrlichen Sachen mitbrachte, in- dem mir bewußt war, daß er ſelbſt eine artige com- pendieuſe Naturalien-Cammer beſaß, und derglei- chen Sachen wegen, mit den vornehm ſten Leuten Correſpondenz fuͤhrete. Der ehrliche Mann geſtunde mir etwa ein halbes Jahr hernach, daß er aus meinen Sachen bey nahe hundert Thaler geloͤ- ſet, bot mir derowegen die Helffte ſolches Geldes zu meinem Buͤrger- und Meiſter-Rechte in ſelbiger Stadt an, da ich aber durchaus nichts annehmen wolte, ſondern zu erkennen gab, wie er nechſt GOtt allein derjenige ſey, welchem ich alles, was ich im
Kopfe
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0422"n="408"/>
muͤßigen Stunden genaue Kundſchafft mit einem<lb/>
alten beweibten Bildhauer-Geſellen, der mir vor<lb/>
ein leichtes Geld, die Kunſt zu zeichnen, nebſt den be-<lb/>ſten Vortheilen in ihrer Arbeit lehrete, und weil ich,<lb/>
wie bereits gemeldet, nicht allein gute Luſt, ſondern<lb/>
auch ein natuͤrliches Geſchicke darzu hatte, ſo brach-<lb/>
te es nachhero darinnen ziemlich weit. Endlich da<lb/>
ich mir binnen beſagter Reiſe-Zeit ein <hirendition="#aq">Capital</hi> von<lb/>
faſt anderthalb hundert Thalern geſammlet, kam<lb/>
mir die Luſt, meine Vaters-Stadt zu ſehen, wieder<lb/>
an. Meine Mutter war bereits vor etlichen Jah-<lb/>
ren geſtorben, der Vater aber hatte ſich, ſeines Al-<lb/>
ters und Unvermoͤgens wegen, vor alle ſein erſpartes<lb/>
Guth ins <hirendition="#aq">Hoſpital</hi> eingekaufft, mein Wohlthaͤter<lb/>
der <hirendition="#aq">Rector</hi> aber lebte, ohngeacht ſeines hohen Alters,<lb/>
mit ſeiner Frauen annoch ſehr vergnuͤgt, und be-<lb/>
zeigte eine beſondere Freude, da er mich in ſo guten<lb/>
Stande wieder kommen ſahe, welche Freude nicht<lb/>
um ein geringes vermehret wurde, da ich ihm unter-<lb/>ſchiedliche Raritaͤten, nicht allein von kuͤnſtlichen,<lb/>ſondern auch natuͤrlichen Sachen mitbrachte, in-<lb/>
dem mir bewußt war, daß er ſelbſt eine artige <hirendition="#aq">com-<lb/>
pendieuſe Naturali</hi>en-Cammer beſaß, und derglei-<lb/>
chen Sachen wegen, mit den vornehm ſten Leuten<lb/><hirendition="#aq">Correſpondenz</hi> fuͤhrete. Der ehrliche Mann<lb/>
geſtunde mir etwa ein halbes Jahr hernach, daß er<lb/>
aus meinen Sachen bey nahe hundert Thaler geloͤ-<lb/>ſet, bot mir derowegen die Helffte ſolches Geldes zu<lb/>
meinem Buͤrger- und Meiſter-Rechte in ſelbiger<lb/>
Stadt an, da ich aber durchaus nichts annehmen<lb/>
wolte, ſondern zu erkennen gab, wie er nechſt GOtt<lb/>
allein derjenige ſey, welchem ich alles, was ich im<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Kopfe</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[408/0422]
muͤßigen Stunden genaue Kundſchafft mit einem
alten beweibten Bildhauer-Geſellen, der mir vor
ein leichtes Geld, die Kunſt zu zeichnen, nebſt den be-
ſten Vortheilen in ihrer Arbeit lehrete, und weil ich,
wie bereits gemeldet, nicht allein gute Luſt, ſondern
auch ein natuͤrliches Geſchicke darzu hatte, ſo brach-
te es nachhero darinnen ziemlich weit. Endlich da
ich mir binnen beſagter Reiſe-Zeit ein Capital von
faſt anderthalb hundert Thalern geſammlet, kam
mir die Luſt, meine Vaters-Stadt zu ſehen, wieder
an. Meine Mutter war bereits vor etlichen Jah-
ren geſtorben, der Vater aber hatte ſich, ſeines Al-
ters und Unvermoͤgens wegen, vor alle ſein erſpartes
Guth ins Hoſpital eingekaufft, mein Wohlthaͤter
der Rector aber lebte, ohngeacht ſeines hohen Alters,
mit ſeiner Frauen annoch ſehr vergnuͤgt, und be-
zeigte eine beſondere Freude, da er mich in ſo guten
Stande wieder kommen ſahe, welche Freude nicht
um ein geringes vermehret wurde, da ich ihm unter-
ſchiedliche Raritaͤten, nicht allein von kuͤnſtlichen,
ſondern auch natuͤrlichen Sachen mitbrachte, in-
dem mir bewußt war, daß er ſelbſt eine artige com-
pendieuſe Naturalien-Cammer beſaß, und derglei-
chen Sachen wegen, mit den vornehm ſten Leuten
Correſpondenz fuͤhrete. Der ehrliche Mann
geſtunde mir etwa ein halbes Jahr hernach, daß er
aus meinen Sachen bey nahe hundert Thaler geloͤ-
ſet, bot mir derowegen die Helffte ſolches Geldes zu
meinem Buͤrger- und Meiſter-Rechte in ſelbiger
Stadt an, da ich aber durchaus nichts annehmen
wolte, ſondern zu erkennen gab, wie er nechſt GOtt
allein derjenige ſey, welchem ich alles, was ich im
Kopfe
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 408. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/422>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.