Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737.

Bild:
<< vorherige Seite

Art, wie schon oben erwehnet, zu informiren, und
weilen nunmehro seit kurtzem auch das Studium
Musicum
darzu gekommen war, brachten wir sämt-
lich sehr wenig Stunden müßig zu, der Alt-Vater
hatte sein innigliches Vergnügen, die Jugend also
fleißig zu sehen, besuchte derowegen sehr öffters die
Schul-Stuben, ausserdem aber vertrieb er seine Zeit
mit Lesung geistlicher Bücher, |ingleichen seine Chro-
nicke ordentlich fort zu schreiben, weil ihm bis dato die
Augen noch sehr klar und helle waren.

Solchergestalt befand sich das Kirchen-Schul-
und Haus-Wesen eins so wohl als das andere in
vollkommen gutem Stande, Kummer, Sorge und
andere Verdrießlichkeiten aber, waren uns gäntzlich
unbewußt. Nur allein befand sich in meiner Seele
sehr öffters eine grosse Betrübniß, wenn ich an meine
zurückgelassene Schwester, vornemlich aber an
meinen lieben Vater Franz Martin Julium, gedach-
te, als von welchen ich nicht wußte, ob er unter die
Toden oder Lebendigen zu zehlen sey. Demnach
wartete ich in Wahrheit mit einiger Ungedult auf
die Zurückkunfft des Capitain Horns, und beschloß
gäntzlich, daß wo derselbe aufs längste vor Ablauff
des 1728ten Jahres nicht käme, ich sodann dem Alt-
Vater keine Ruhe lassen wolte, bis er mich mit benö-
thigter Fracht an Gold, Perlen und Edel-Steinen
auf die Jnsul St. Helenae schiffen liesse, von wannen
ich dann schon weiter zu kommen trauete, um zu er-
fahren, ob sich mein lieber Vater bey unsern guten
Freunden nicht etwa gemeldet hätte, oder da ich ja
nicht so glücklich seyn solte, von ihm sichere Nach-

richt

Art, wie ſchon oben erwehnet, zu informiren, und
weilen nunmehro ſeit kurtzem auch das Studium
Muſicum
darzu gekommen war, brachten wir ſaͤmt-
lich ſehr wenig Stunden muͤßig zu, der Alt-Vater
hatte ſein innigliches Vergnuͤgen, die Jugend alſo
fleißig zu ſehen, beſuchte derowegen ſehr oͤffters die
Schul-Stuben, auſſerdem aber vertrieb er ſeine Zeit
mit Leſung geiſtlicher Buͤcher, |ingleichen ſeine Chro-
nicke ordentlich fort zu ſchreiben, weil ihm bis dato die
Augen noch ſehr klar und helle waren.

Solchergeſtalt befand ſich das Kirchen-Schul-
und Haus-Weſen eins ſo wohl als das andere in
vollkommen gutem Stande, Kummer, Sorge und
andere Verdrießlichkeiten aber, waren uns gaͤntzlich
unbewußt. Nur allein befand ſich in meiner Seele
ſehr oͤffters eine groſſe Betruͤbniß, wenn ich an meine
zuruͤckgelaſſene Schweſter, vornemlich aber an
meinen lieben Vater Franz Martin Julium, gedach-
te, als von welchen ich nicht wußte, ob er unter die
Toden oder Lebendigen zu zehlen ſey. Demnach
wartete ich in Wahrheit mit einiger Ungedult auf
die Zuruͤckkunfft des Capitain Horns, und beſchloß
gaͤntzlich, daß wo derſelbe aufs laͤngſte vor Ablauff
des 1728ten Jahres nicht kaͤme, ich ſodann dem Alt-
Vater keine Ruhe laſſen wolte, bis er mich mit benoͤ-
thigter Fracht an Gold, Perlen und Edel-Steinen
auf die Jnſul St. Helenæ ſchiffen lieſſe, von wannen
ich dann ſchon weiter zu kommen trauete, um zu er-
fahren, ob ſich mein lieber Vater bey unſern guten
Freunden nicht etwa gemeldet haͤtte, oder da ich ja
nicht ſo gluͤcklich ſeyn ſolte, von ihm ſichere Nach-

richt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0479" n="463"/>
Art, wie &#x017F;chon oben erwehnet, zu <hi rendition="#aq">informi</hi>ren, und<lb/>
weilen nunmehro &#x017F;eit kurtzem auch das <hi rendition="#aq">Studium<lb/>
Mu&#x017F;icum</hi> darzu gekommen war, brachten wir &#x017F;a&#x0364;mt-<lb/>
lich &#x017F;ehr wenig Stunden mu&#x0364;ßig zu, der Alt-Vater<lb/>
hatte &#x017F;ein innigliches Vergnu&#x0364;gen, die Jugend al&#x017F;o<lb/>
fleißig zu &#x017F;ehen, be&#x017F;uchte derowegen &#x017F;ehr o&#x0364;ffters die<lb/>
Schul-Stuben, au&#x017F;&#x017F;erdem aber vertrieb er &#x017F;eine Zeit<lb/>
mit Le&#x017F;ung gei&#x017F;tlicher Bu&#x0364;cher, |ingleichen &#x017F;eine Chro-<lb/>
nicke ordentlich fort zu &#x017F;chreiben, weil ihm bis dato die<lb/>
Augen noch &#x017F;ehr klar und helle waren.</p><lb/>
          <p>Solcherge&#x017F;talt befand &#x017F;ich das Kirchen-Schul-<lb/>
und Haus-We&#x017F;en eins &#x017F;o wohl als das andere in<lb/>
vollkommen gutem Stande, Kummer, Sorge und<lb/>
andere Verdrießlichkeiten aber, waren uns ga&#x0364;ntzlich<lb/>
unbewußt. Nur allein befand &#x017F;ich in meiner Seele<lb/>
&#x017F;ehr o&#x0364;ffters eine gro&#x017F;&#x017F;e Betru&#x0364;bniß, wenn ich an meine<lb/>
zuru&#x0364;ckgela&#x017F;&#x017F;ene Schwe&#x017F;ter, vornemlich aber an<lb/>
meinen lieben Vater <hi rendition="#aq">Franz Martin Julium,</hi> gedach-<lb/>
te, als von welchen ich nicht wußte, ob er unter die<lb/>
Toden oder Lebendigen zu zehlen &#x017F;ey. Demnach<lb/>
wartete ich in Wahrheit mit einiger Ungedult auf<lb/>
die Zuru&#x0364;ckkunfft des <hi rendition="#aq">Capitain Horns,</hi> und be&#x017F;chloß<lb/>
ga&#x0364;ntzlich, daß wo der&#x017F;elbe aufs la&#x0364;ng&#x017F;te vor Ablauff<lb/>
des 1728ten Jahres nicht ka&#x0364;me, ich &#x017F;odann dem Alt-<lb/>
Vater keine Ruhe la&#x017F;&#x017F;en wolte, bis er mich mit beno&#x0364;-<lb/>
thigter Fracht an Gold, Perlen und Edel-Steinen<lb/>
auf die Jn&#x017F;ul <hi rendition="#aq">St. Helenæ</hi> &#x017F;chiffen lie&#x017F;&#x017F;e, von wannen<lb/>
ich dann &#x017F;chon weiter zu kommen trauete, um zu er-<lb/>
fahren, ob &#x017F;ich mein lieber Vater bey un&#x017F;ern guten<lb/>
Freunden nicht etwa gemeldet ha&#x0364;tte, oder da ich ja<lb/>
nicht &#x017F;o glu&#x0364;cklich &#x017F;eyn &#x017F;olte, von ihm &#x017F;ichere Nach-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">richt</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[463/0479] Art, wie ſchon oben erwehnet, zu informiren, und weilen nunmehro ſeit kurtzem auch das Studium Muſicum darzu gekommen war, brachten wir ſaͤmt- lich ſehr wenig Stunden muͤßig zu, der Alt-Vater hatte ſein innigliches Vergnuͤgen, die Jugend alſo fleißig zu ſehen, beſuchte derowegen ſehr oͤffters die Schul-Stuben, auſſerdem aber vertrieb er ſeine Zeit mit Leſung geiſtlicher Buͤcher, |ingleichen ſeine Chro- nicke ordentlich fort zu ſchreiben, weil ihm bis dato die Augen noch ſehr klar und helle waren. Solchergeſtalt befand ſich das Kirchen-Schul- und Haus-Weſen eins ſo wohl als das andere in vollkommen gutem Stande, Kummer, Sorge und andere Verdrießlichkeiten aber, waren uns gaͤntzlich unbewußt. Nur allein befand ſich in meiner Seele ſehr oͤffters eine groſſe Betruͤbniß, wenn ich an meine zuruͤckgelaſſene Schweſter, vornemlich aber an meinen lieben Vater Franz Martin Julium, gedach- te, als von welchen ich nicht wußte, ob er unter die Toden oder Lebendigen zu zehlen ſey. Demnach wartete ich in Wahrheit mit einiger Ungedult auf die Zuruͤckkunfft des Capitain Horns, und beſchloß gaͤntzlich, daß wo derſelbe aufs laͤngſte vor Ablauff des 1728ten Jahres nicht kaͤme, ich ſodann dem Alt- Vater keine Ruhe laſſen wolte, bis er mich mit benoͤ- thigter Fracht an Gold, Perlen und Edel-Steinen auf die Jnſul St. Helenæ ſchiffen lieſſe, von wannen ich dann ſchon weiter zu kommen trauete, um zu er- fahren, ob ſich mein lieber Vater bey unſern guten Freunden nicht etwa gemeldet haͤtte, oder da ich ja nicht ſo gluͤcklich ſeyn ſolte, von ihm ſichere Nach- richt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/479
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 2. Nordhausen, 1737, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata02_1737/479>, abgerufen am 16.06.2024.