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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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uns sehr zu Gemüthe zogen, jedoch ich ließ mich
nicht gegen ihn mercken, daß ich dieses vor eine
gerechte Straffe erkennete, sondern begegnete ihm
mit aller Freundlichkeit, in Hoffnung, daß er sich
von nun an bessern würde, welches er denn auch
allem Ansehen nach that, und eine lange Zeit gar
nicht aus dem Hause ging. Da ihm aber nach und
nach der Appetit zur lustigen Compagnie und an-
dere Ausschweiffungen wieder ankam, ging er wie-
der Tag vor Tag aus, kam aber mehrentheils sehr
mißvergnügt | nach Hause, indem er wegen gemeld-
ter Historie fast in allen Compagnien aufgezogen
und geschraubt worden, derowegen mochte er meh-
rentheils dieserwegen auf die Desperation gerathen,
mit einem andern Kauffmanne in Compagnie
und selbsten die Reise nach Ost-Jndien anzutreten,
in Hoffnung, daß währender Zeit seines Abseyns,
seine Geschichte würden vergessen und den Leuten
neuere Mähren in den Mund gelegt werden.

So wohl seine als meine Eltern waren mit die-
ser Resolution hertzlich zufrieden, und ohngeacht
ich die letzte war, so davon Wissenschafft bekam,
gab ich doch nicht allein meinen Willen drein, son-
dern ließ mich auch bereden, mit ihm zu reisen,
weiln er vorgab, daß er ohne mich nicht leben kön-
te. Die Haupt-Ursache war, ihn von der aus
Geilheit und sonsten allerley Boßheit zusammenge-
setzten Helena abzubringen, alles vergangene zu ver-
gessen, und nunmehro unser Ehe-Band desto vester
und angenehmer zu verknüpffen. Allein, wir hat-
ten, nachdem wir zu Schiffe gegangen, kaum die
äuserste Spitze von Europa, nehmlich das Capo

de
III. Theil. (L)

uns ſehr zu Gemuͤthe zogen, jedoch ich ließ mich
nicht gegen ihn mercken, daß ich dieſes vor eine
gerechte Straffe erkennete, ſondern begegnete ihm
mit aller Freundlichkeit, in Hoffnung, daß er ſich
von nun an beſſern wuͤrde, welches er denn auch
allem Anſehen nach that, und eine lange Zeit gar
nicht aus dem Hauſe ging. Da ihm aber nach und
nach der Appetit zur luſtigen Compagnie und an-
dere Ausſchweiffungen wieder ankam, ging er wie-
der Tag vor Tag aus, kam aber mehrentheils ſehr
mißvergnuͤgt | nach Hauſe, indem er wegen gemeld-
ter Hiſtorie faſt in allen Compagnien aufgezogen
und geſchraubt worden, derowegen mochte er meh-
rentheils dieſerwegen auf die Deſperation gerathen,
mit einem andern Kauffmanne in Compagnie
und ſelbſten die Reiſe nach Oſt-Jndien anzutreten,
in Hoffnung, daß waͤhrender Zeit ſeines Abſeyns,
ſeine Geſchichte wuͤrden vergeſſen und den Leuten
neuere Maͤhren in den Mund gelegt werden.

So wohl ſeine als meine Eltern waren mit die-
ſer Reſolution hertzlich zufrieden, und ohngeacht
ich die letzte war, ſo davon Wiſſenſchafft bekam,
gab ich doch nicht allein meinen Willen drein, ſon-
dern ließ mich auch bereden, mit ihm zu reiſen,
weiln er vorgab, daß er ohne mich nicht leben koͤn-
te. Die Haupt-Urſache war, ihn von der aus
Geilheit und ſonſten allerley Boßheit zuſammenge-
ſetzten Helena abzubringen, alles vergangene zu ver-
geſſen, und nunmehro unſer Ehe-Band deſto veſter
und angenehmer zu verknuͤpffen. Allein, wir hat-
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de
III. Theil. (L)
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[161/0169] uns ſehr zu Gemuͤthe zogen, jedoch ich ließ mich nicht gegen ihn mercken, daß ich dieſes vor eine gerechte Straffe erkennete, ſondern begegnete ihm mit aller Freundlichkeit, in Hoffnung, daß er ſich von nun an beſſern wuͤrde, welches er denn auch allem Anſehen nach that, und eine lange Zeit gar nicht aus dem Hauſe ging. Da ihm aber nach und nach der Appetit zur luſtigen Compagnie und an- dere Ausſchweiffungen wieder ankam, ging er wie- der Tag vor Tag aus, kam aber mehrentheils ſehr mißvergnuͤgt | nach Hauſe, indem er wegen gemeld- ter Hiſtorie faſt in allen Compagnien aufgezogen und geſchraubt worden, derowegen mochte er meh- rentheils dieſerwegen auf die Deſperation gerathen, mit einem andern Kauffmanne in Compagnie und ſelbſten die Reiſe nach Oſt-Jndien anzutreten, in Hoffnung, daß waͤhrender Zeit ſeines Abſeyns, ſeine Geſchichte wuͤrden vergeſſen und den Leuten neuere Maͤhren in den Mund gelegt werden. So wohl ſeine als meine Eltern waren mit die- ſer Reſolution hertzlich zufrieden, und ohngeacht ich die letzte war, ſo davon Wiſſenſchafft bekam, gab ich doch nicht allein meinen Willen drein, ſon- dern ließ mich auch bereden, mit ihm zu reiſen, weiln er vorgab, daß er ohne mich nicht leben koͤn- te. Die Haupt-Urſache war, ihn von der aus Geilheit und ſonſten allerley Boßheit zuſammenge- ſetzten Helena abzubringen, alles vergangene zu ver- geſſen, und nunmehro unſer Ehe-Band deſto veſter und angenehmer zu verknuͤpffen. Allein, wir hat- ten, nachdem wir zu Schiffe gegangen, kaum die aͤuſerſte Spitze von Europa, nehmlich das Capo de III. Theil. (L)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/169>, abgerufen am 24.11.2024.