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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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beteten und sungen also Wechsels-Weise, was ih-
nen der Geist eingab, der Alt-Vater hatte die Au-
gen verschlossen, rührete aber noch immer die Lip-
pen biß gegen 10. Uhr, da wir erstlich, indem er
Herrn Mag. Schmeltzern die Hand reichte, ver-
merckten, daß ihm die Sprache vergangen war,
und er immer schwächer zu athemen anfing, jedoch
der Verstand war noch vollkommen da, weil er
auf etliche Fragen, die Hr. Mag. Schmeltzer noch
an ihm that, das Haupt neigete, und die Hände
aufhub: Derowegen segnete ihn derselbe ein, und
gleich, nachdem der Seiger 11. geschlagen, trenne-
te sich die Seele von seinem Cörper, welcher doch
nicht das geringste Zeichen einiges Schmertzens, et-
wa mit Zucken oder sonsten von sich gegeben hätte,
sondern es blieb ihm nur der Mund offen stehen.

Nunmehro ging das Lamentiren und Weh-
Klagen bey Grossen und Kleinen erstlich recht an,
allein, die Herren Geistlichen redeten allen tröstlich
zu, so, daß sich die meisten auf die Seite machten,
und ihre Klage in Geheim führeten. Wir aber,
die wir in etlichen Tagen und Nächten daher sehr
wenig geschlaffen hatten, bestelleten andere Wäch-
ter bey die Leiche, und legten uns nieder, um etwas
auszuruhen.

Gleich mit Aufgang der Sonnen wurde dieser
Trauer-Fall allen Jusulanern mit 12. Canonen,
da immer eine, eine Minute nach der andern, abge-
feuret wurde, kund gethan / auch wurden Mittags
von 11. biß 12. Uhr alle Glocken auf dem Kirch-Thur-
me geläutet, und damit 6. Wochen nach einander
fortgefahren, da denn Capitain Horns ehemahli-

ge

beteten und ſungen alſo Wechſels-Weiſe, was ih-
nen der Geiſt eingab, der Alt-Vater hatte die Au-
gen verſchloſſen, ruͤhrete aber noch immer die Lip-
pen biß gegen 10. Uhr, da wir erſtlich, indem er
Herrn Mag. Schmeltzern die Hand reichte, ver-
merckten, daß ihm die Sprache vergangen war,
und er immer ſchwaͤcher zu athemen anfing, jedoch
der Verſtand war noch vollkommen da, weil er
auf etliche Fragen, die Hr. Mag. Schmeltzer noch
an ihm that, das Haupt neigete, und die Haͤnde
aufhub: Derowegen ſegnete ihn derſelbe ein, und
gleich, nachdem der Seiger 11. geſchlagen, trenne-
te ſich die Seele von ſeinem Coͤrper, welcher doch
nicht das geringſte Zeichen einiges Schmertzens, et-
wa mit Zucken oder ſonſten von ſich gegeben haͤtte,
ſondern es blieb ihm nur der Mund offen ſtehen.

Nunmehro ging das Lamentiren und Weh-
Klagen bey Groſſen und Kleinen erſtlich recht an,
allein, die Herren Geiſtlichen redeten allen troͤſtlich
zu, ſo, daß ſich die meiſten auf die Seite machten,
und ihre Klage in Geheim fuͤhreten. Wir aber,
die wir in etlichen Tagen und Naͤchten daher ſehr
wenig geſchlaffen hatten, beſtelleten andere Waͤch-
ter bey die Leiche, und legten uns nieder, um etwas
auszuruhen.

Gleich mit Aufgang der Sonnen wurde dieſer
Trauer-Fall allen Juſulanern mit 12. Canonen,
da immer eine, eine Minute nach der andern, abge-
feuret wurde, kund gethan / auch wurden Mittags
von 11. biß 12. Uhr alle Glocken auf dem Kirch-Thur-
me gelaͤutet, und damit 6. Wochen nach einander
fortgefahren, da denn Capitain Horns ehemahli-

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[248/0256] beteten und ſungen alſo Wechſels-Weiſe, was ih- nen der Geiſt eingab, der Alt-Vater hatte die Au- gen verſchloſſen, ruͤhrete aber noch immer die Lip- pen biß gegen 10. Uhr, da wir erſtlich, indem er Herrn Mag. Schmeltzern die Hand reichte, ver- merckten, daß ihm die Sprache vergangen war, und er immer ſchwaͤcher zu athemen anfing, jedoch der Verſtand war noch vollkommen da, weil er auf etliche Fragen, die Hr. Mag. Schmeltzer noch an ihm that, das Haupt neigete, und die Haͤnde aufhub: Derowegen ſegnete ihn derſelbe ein, und gleich, nachdem der Seiger 11. geſchlagen, trenne- te ſich die Seele von ſeinem Coͤrper, welcher doch nicht das geringſte Zeichen einiges Schmertzens, et- wa mit Zucken oder ſonſten von ſich gegeben haͤtte, ſondern es blieb ihm nur der Mund offen ſtehen. Nunmehro ging das Lamentiren und Weh- Klagen bey Groſſen und Kleinen erſtlich recht an, allein, die Herren Geiſtlichen redeten allen troͤſtlich zu, ſo, daß ſich die meiſten auf die Seite machten, und ihre Klage in Geheim fuͤhreten. Wir aber, die wir in etlichen Tagen und Naͤchten daher ſehr wenig geſchlaffen hatten, beſtelleten andere Waͤch- ter bey die Leiche, und legten uns nieder, um etwas auszuruhen. Gleich mit Aufgang der Sonnen wurde dieſer Trauer-Fall allen Juſulanern mit 12. Canonen, da immer eine, eine Minute nach der andern, abge- feuret wurde, kund gethan / auch wurden Mittags von 11. biß 12. Uhr alle Glocken auf dem Kirch-Thur- me gelaͤutet, und damit 6. Wochen nach einander fortgefahren, da denn Capitain Horns ehemahli- ge

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 248. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/256>, abgerufen am 24.11.2024.