Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

Bild:
<< vorherige Seite

daß er Grillen hatte, und zornig war, allein, er
konte sich doch auch in so weit bezwingen, einem je-
den, was er auf heute zu befehlen hatte, mit ziemli-
cher Gelassenheit zu sagen. Nachhero rieff er den
Secretarium und Cammer-Diener in sein Cabinet,
besprach sich mit beyden länger als eine Stunde in
Geheim, und fuhr darauf, indem er nur einen ein-
tzigen Laqueyen und mich zur Bedtenung mit sich
genommen, zu einem guten Freunde aufs Land.
Wir waren daselbst sehr willkommen und wohl tra-
ctir
et; nach Mittags aber, da der Hauß-Herr mit
seinem Gerichts-Halter in einem Ober-Zimmer et-
was geheimes zu tractiren hatte, und mein Herr
mitlerweile allein mit der Hauß-Frauen das Bret-
spiel zum Zeitvertreibe genommen hatte, merckte
ich, der ich allein im Zimmer aufwartete, doch gar
zu bald, daß beyde einander schon besser kennen mü-
sten. Denn mein Herr küssete und caressirte
diese Dame ohngescheuet, und ob sie gleich anfäng-
lich wegen meiner Gegenwart in etwas darüber er-
schrack, so gab sie sich doch bald zufrieden, als ihr
mein Herr, vielleicht meinetwegen, nurwenig Wor-
te ins Ohr gesagt hatte; blieb ihm auch keinen Kuß
und Gegen-Caresse schuldig, ja sie wurden gar so
dreuste, in ein kleines Cabinet, worinnen nur ein
Schlaff-Stuhl und ein Tisch stund, zu gehen, ob
sie nun da ebenfalls ein Damen-Spiel spieleten,
oder nur zum Fenster hinaus in den Lust-Garten sa-
hen, das weiß ich nicht, jedoch kamen beyde, ehe je-
mand anders ins Zimmer kam, wieder heraus, und
spieleten nunmehro recht ernsthafft im Brete fort.

Abends
(A a 3)

daß er Grillen hatte, und zornig war, allein, er
konte ſich doch auch in ſo weit bezwingen, einem je-
den, was er auf heute zu befehlen hatte, mit ziemli-
cher Gelaſſenheit zu ſagen. Nachhero rieff er den
Secretarium und Cammer-Diener in ſein Cabinet,
beſprach ſich mit beyden laͤnger als eine Stunde in
Geheim, und fuhr darauf, indem er nur einen ein-
tzigen Laqueyen und mich zur Bedtenung mit ſich
genommen, zu einem guten Freunde aufs Land.
Wir waren daſelbſt ſehr willkommen und wohl tra-
ctir
et; nach Mittags aber, da der Hauß-Herr mit
ſeinem Gerichts-Halter in einem Ober-Zimmer et-
was geheimes zu tractiren hatte, und mein Herr
mitlerweile allein mit der Hauß-Frauen das Bret-
ſpiel zum Zeitvertreibe genommen hatte, merckte
ich, der ich allein im Zimmer aufwartete, doch gar
zu bald, daß beyde einander ſchon beſſer kennen muͤ-
ſten. Denn mein Herr kuͤſſete und careſſirte
dieſe Dame ohngeſcheuet, und ob ſie gleich anfaͤng-
lich wegen meiner Gegenwart in etwas daruͤber er-
ſchrack, ſo gab ſie ſich doch bald zufrieden, als ihr
mein Herr, vielleicht meinetwegen, nurwenig Wor-
te ins Ohr geſagt hatte; blieb ihm auch keinen Kuß
und Gegen-Careſſe ſchuldig, ja ſie wurden gar ſo
dreuſte, in ein kleines Cabinet, worinnen nur ein
Schlaff-Stuhl und ein Tiſch ſtund, zu gehen, ob
ſie nun da ebenfalls ein Damen-Spiel ſpieleten,
oder nur zum Fenſter hinaus in den Luſt-Garten ſa-
hen, das weiß ich nicht, jedoch kamen beyde, ehe je-
mand anders ins Zimmer kam, wieder heraus, und
ſpieleten nunmehro recht ernſthafft im Brete fort.

Abends
(A a 3)
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0381" n="373"/>
daß er Grillen hatte, und zornig war, allein, er<lb/>
konte &#x017F;ich doch auch in &#x017F;o weit bezwingen, einem je-<lb/>
den, was er auf heute zu befehlen hatte, mit ziemli-<lb/>
cher Gela&#x017F;&#x017F;enheit zu &#x017F;agen. Nachhero rieff er den<lb/><hi rendition="#aq">Secretarium</hi> und Cammer-Diener in &#x017F;ein Cabinet,<lb/>
be&#x017F;prach &#x017F;ich mit beyden la&#x0364;nger als eine Stunde in<lb/>
Geheim, und fuhr darauf, indem er nur einen ein-<lb/>
tzigen Laqueyen und mich zur Bedtenung mit &#x017F;ich<lb/>
genommen, zu einem guten Freunde aufs Land.<lb/>
Wir waren da&#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ehr willkommen und wohl <hi rendition="#aq">tra-<lb/>
ctir</hi>et; nach Mittags aber, da der Hauß-Herr mit<lb/>
&#x017F;einem Gerichts-Halter in einem Ober-Zimmer et-<lb/>
was geheimes zu <hi rendition="#aq">tractir</hi>en hatte, und mein Herr<lb/>
mitlerweile allein mit der Hauß-Frauen das Bret-<lb/>
&#x017F;piel zum Zeitvertreibe genommen hatte, merckte<lb/>
ich, der ich allein im Zimmer aufwartete, doch gar<lb/>
zu bald, daß beyde einander &#x017F;chon be&#x017F;&#x017F;er kennen mu&#x0364;-<lb/>
&#x017F;ten. Denn mein Herr ku&#x0364;&#x017F;&#x017F;ete und <hi rendition="#aq">care&#x017F;&#x017F;ir</hi>te<lb/>
die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Dame</hi> ohnge&#x017F;cheuet, und ob &#x017F;ie gleich anfa&#x0364;ng-<lb/>
lich wegen meiner Gegenwart in etwas daru&#x0364;ber er-<lb/>
&#x017F;chrack, &#x017F;o gab &#x017F;ie &#x017F;ich doch bald zufrieden, als ihr<lb/>
mein Herr, vielleicht meinetwegen, nurwenig Wor-<lb/>
te ins Ohr ge&#x017F;agt hatte; blieb ihm auch keinen Kuß<lb/>
und Gegen-<hi rendition="#aq">Care&#x017F;&#x017F;e</hi> &#x017F;chuldig, ja &#x017F;ie wurden gar &#x017F;o<lb/>
dreu&#x017F;te, in ein kleines Cabinet, worinnen nur ein<lb/>
Schlaff-Stuhl und ein Ti&#x017F;ch &#x017F;tund, zu gehen, ob<lb/>
&#x017F;ie nun da ebenfalls ein <hi rendition="#aq">Damen-</hi>Spiel &#x017F;pieleten,<lb/>
oder nur zum Fen&#x017F;ter hinaus in den Lu&#x017F;t-Garten &#x017F;a-<lb/>
hen, das weiß ich nicht, jedoch kamen beyde, ehe je-<lb/>
mand anders ins Zimmer kam, wieder heraus, und<lb/>
&#x017F;pieleten nunmehro recht ern&#x017F;thafft im Brete fort.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">(A a 3)</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Abends</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[373/0381] daß er Grillen hatte, und zornig war, allein, er konte ſich doch auch in ſo weit bezwingen, einem je- den, was er auf heute zu befehlen hatte, mit ziemli- cher Gelaſſenheit zu ſagen. Nachhero rieff er den Secretarium und Cammer-Diener in ſein Cabinet, beſprach ſich mit beyden laͤnger als eine Stunde in Geheim, und fuhr darauf, indem er nur einen ein- tzigen Laqueyen und mich zur Bedtenung mit ſich genommen, zu einem guten Freunde aufs Land. Wir waren daſelbſt ſehr willkommen und wohl tra- ctiret; nach Mittags aber, da der Hauß-Herr mit ſeinem Gerichts-Halter in einem Ober-Zimmer et- was geheimes zu tractiren hatte, und mein Herr mitlerweile allein mit der Hauß-Frauen das Bret- ſpiel zum Zeitvertreibe genommen hatte, merckte ich, der ich allein im Zimmer aufwartete, doch gar zu bald, daß beyde einander ſchon beſſer kennen muͤ- ſten. Denn mein Herr kuͤſſete und careſſirte dieſe Dame ohngeſcheuet, und ob ſie gleich anfaͤng- lich wegen meiner Gegenwart in etwas daruͤber er- ſchrack, ſo gab ſie ſich doch bald zufrieden, als ihr mein Herr, vielleicht meinetwegen, nurwenig Wor- te ins Ohr geſagt hatte; blieb ihm auch keinen Kuß und Gegen-Careſſe ſchuldig, ja ſie wurden gar ſo dreuſte, in ein kleines Cabinet, worinnen nur ein Schlaff-Stuhl und ein Tiſch ſtund, zu gehen, ob ſie nun da ebenfalls ein Damen-Spiel ſpieleten, oder nur zum Fenſter hinaus in den Luſt-Garten ſa- hen, das weiß ich nicht, jedoch kamen beyde, ehe je- mand anders ins Zimmer kam, wieder heraus, und ſpieleten nunmehro recht ernſthafft im Brete fort. Abends (A a 3)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/381
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/381>, abgerufen am 17.06.2024.