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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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gen, und etliche Tage darauf die Haupt-Stadt
Turin; allwo mein Herr und wir alle von der be-
schwerlichen Reise ausruheten. Mir schwebte der
entleibte Marquis stets vor Augen, und wunderte
mich sehr, daß mein Herr sich dergleichen Blut-
Schulden gantz und gar nicht zu Gemüthe zohe,
sondern in Turin erstlich als gantz von neuen lu-
stig zu leben anfing, auch sich nicht nur mit einer,
sondern etlichen vornehmen Dames in ein gehei-
mes Liebes-Verständniß einließ, welches mir, als
dem Brief- und Complimenten-Träger, zwar man-
chen schönen Ducaten einbrachte, jedoch, weil ich
nunmehro schon ziemlich zu Verstande gekommen,
und bemerckt, daß meines Herrn Lebens-Art recht
Epicurisch, indem er sich weder um Beten, Sin-
gen, noch Religion etwas bekümmerte, auch so
lange ich bey ihm gewesen, nicht zum Heiligen A-
bendmahle gewesen war, wünschte ich, daß er sich
ändern, und nicht etwa einmahl so in seinen Sün-
den dahin fahren, oder, daß ich bald von ihm hin-
weg kommen, und solches Unglück nicht mit ansehen
möchte. Weil ich aber etliche Tage Zeit darzu
haben müste, wenn ich alle seine Liebes- und ande-
re zum Theil sehr verwegene Streiche, die er in Jta-
lien gespielet, ordentlich erzählen wolte, so will nur
um kurtz davon zu kommen, noch so viel melden,
daß, nachdem wir binnen 3. Jahren die vornehm-
sten Städte Jtaliens besehen, ihn das Angeden-
cken einer wunderschönen Kauffmanns-Frau zum
andern mahle fast von der Gräntze zurück nach May-
land zohe. Allein, da er das vorige mahl mit
derselben in der allergrösten Vertraulichkeit gelebt,

muste

gen, und etliche Tage darauf die Haupt-Stadt
Turin; allwo mein Herr und wir alle von der be-
ſchwerlichen Reiſe ausruheten. Mir ſchwebte der
entleibte Marquis ſtets vor Augen, und wunderte
mich ſehr, daß mein Herr ſich dergleichen Blut-
Schulden gantz und gar nicht zu Gemuͤthe zohe,
ſondern in Turin erſtlich als gantz von neuen lu-
ſtig zu leben anfing, auch ſich nicht nur mit einer,
ſondern etlichen vornehmen Dames in ein gehei-
mes Liebes-Verſtaͤndniß einließ, welches mir, als
dem Brief- und Complimenten-Traͤger, zwar man-
chen ſchoͤnen Ducaten einbrachte, jedoch, weil ich
nunmehro ſchon ziemlich zu Verſtande gekommen,
und bemerckt, daß meines Herrn Lebens-Art recht
Epicuriſch, indem er ſich weder um Beten, Sin-
gen, noch Religion etwas bekuͤmmerte, auch ſo
lange ich bey ihm geweſen, nicht zum Heiligen A-
bendmahle geweſen war, wuͤnſchte ich, daß er ſich
aͤndern, und nicht etwa einmahl ſo in ſeinen Suͤn-
den dahin fahren, oder, daß ich bald von ihm hin-
weg kommen, und ſolches Ungluͤck nicht mit anſehen
moͤchte. Weil ich aber etliche Tage Zeit darzu
haben muͤſte, wenn ich alle ſeine Liebes- und ande-
re zum Theil ſehr verwegene Streiche, die er in Jta-
lien geſpielet, ordentlich erzaͤhlen wolte, ſo will nur
um kurtz davon zu kommen, noch ſo viel melden,
daß, nachdem wir binnen 3. Jahren die vornehm-
ſten Staͤdte Jtaliens beſehen, ihn das Angeden-
cken einer wunderſchoͤnen Kauffmanns-Frau zum
andern mahle faſt von der Graͤntze zuruͤck nach May-
land zohe. Allein, da er das vorige mahl mit
derſelben in der allergroͤſten Vertraulichkeit gelebt,

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[412/0420] gen, und etliche Tage darauf die Haupt-Stadt Turin; allwo mein Herr und wir alle von der be- ſchwerlichen Reiſe ausruheten. Mir ſchwebte der entleibte Marquis ſtets vor Augen, und wunderte mich ſehr, daß mein Herr ſich dergleichen Blut- Schulden gantz und gar nicht zu Gemuͤthe zohe, ſondern in Turin erſtlich als gantz von neuen lu- ſtig zu leben anfing, auch ſich nicht nur mit einer, ſondern etlichen vornehmen Dames in ein gehei- mes Liebes-Verſtaͤndniß einließ, welches mir, als dem Brief- und Complimenten-Traͤger, zwar man- chen ſchoͤnen Ducaten einbrachte, jedoch, weil ich nunmehro ſchon ziemlich zu Verſtande gekommen, und bemerckt, daß meines Herrn Lebens-Art recht Epicuriſch, indem er ſich weder um Beten, Sin- gen, noch Religion etwas bekuͤmmerte, auch ſo lange ich bey ihm geweſen, nicht zum Heiligen A- bendmahle geweſen war, wuͤnſchte ich, daß er ſich aͤndern, und nicht etwa einmahl ſo in ſeinen Suͤn- den dahin fahren, oder, daß ich bald von ihm hin- weg kommen, und ſolches Ungluͤck nicht mit anſehen moͤchte. Weil ich aber etliche Tage Zeit darzu haben muͤſte, wenn ich alle ſeine Liebes- und ande- re zum Theil ſehr verwegene Streiche, die er in Jta- lien geſpielet, ordentlich erzaͤhlen wolte, ſo will nur um kurtz davon zu kommen, noch ſo viel melden, daß, nachdem wir binnen 3. Jahren die vornehm- ſten Staͤdte Jtaliens beſehen, ihn das Angeden- cken einer wunderſchoͤnen Kauffmanns-Frau zum andern mahle faſt von der Graͤntze zuruͤck nach May- land zohe. Allein, da er das vorige mahl mit derſelben in der allergroͤſten Vertraulichkeit gelebt, muſte

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/420>, abgerufen am 24.11.2024.