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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739.

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Von meinem Vater, konte mir dieser mein älte-
ster Bruder so viel Nachricht geben, daß derselbe
gleich nach dem gehabten Unglücke in ein Römisch-
Catholisches Ländgen geflüchtet, sich daselbst in ein
Hospital gekaufft, allwo er gut Essen und Trin-
cken, auch gute Verpflegung gehabt, dahero von
seinen Kindern nichts verlanget, sondern denselben
noch etliche 30. Thlr. zurück geschickt; es wäre aber
derselbe vor ohngefähr zwey Jahren gestorben.
Mein jüngster Bruder hätte durch Vorschub gu-
ter Leute studiret, aber nur biß an den Hals, in-
dem er sich auf Universitäten, in der besten Zeit,
auf die faule Seite gelegt, und die Stipendia, so
er verstudiren sollen, durch die Gurgel gejagt, je-
doch sässe derselbe voritzo gantz wohl, indem er in
der nächsten Stadt eine gebrechliche Wittbe ge-
heyrathet, die ihm einen Secretarien-Titul ge-
kaufft, nur daß sie mit solcher Manier sich auch in
vornehmer Tracht sehen lassen dürffte. Endlich
ersuhr ich, daß meine älteste Schwester als Vieh-
Magd, und die jünaste als Mädgen auf einem
Edel-Hofe dieneten. Diese beyden letztern jam-
merten mich am meisten, weßwegen ich ihnen einen
Bothen schickte, und sie zu mir ruffen ließ. Es
war in Wahrheit Schade, daß diese beyden armen
Thiere bishero so verächtlich leben müssen, denn
sie sahen nicht häßlich aus, derowegen befahl ich
ihnen, sich so bald als möglich, Dienst-loß zu ma-
chen, gab einer jeden 50. Thlr. davor sie sich sau-
bere Bürgerliche Kleider anschaffen, und in der
nächsten Stadt bey guten Leuten in die Kost ver-

dingen
(D d 4)

Von meinem Vater, konte mir dieſer mein aͤlte-
ſter Bruder ſo viel Nachricht geben, daß derſelbe
gleich nach dem gehabten Ungluͤcke in ein Roͤmiſch-
Catholiſches Laͤndgen gefluͤchtet, ſich daſelbſt in ein
Hoſpital gekaufft, allwo er gut Eſſen und Trin-
cken, auch gute Verpflegung gehabt, dahero von
ſeinen Kindern nichts verlanget, ſondern denſelben
noch etliche 30. Thlr. zuruͤck geſchickt; es waͤre aber
derſelbe vor ohngefaͤhr zwey Jahren geſtorben.
Mein juͤngſter Bruder haͤtte durch Vorſchub gu-
ter Leute ſtudiret, aber nur biß an den Hals, in-
dem er ſich auf Universitaͤten, in der beſten Zeit,
auf die faule Seite gelegt, und die Stipendia, ſo
er verſtudiren ſollen, durch die Gurgel gejagt, je-
doch ſaͤſſe derſelbe voritzo gantz wohl, indem er in
der naͤchſten Stadt eine gebrechliche Wittbe ge-
heyrathet, die ihm einen Secretarien-Titul ge-
kaufft, nur daß ſie mit ſolcher Manier ſich auch in
vornehmer Tracht ſehen laſſen duͤrffte. Endlich
erſuhr ich, daß meine aͤlteſte Schweſter als Vieh-
Magd, und die juͤnaſte als Maͤdgen auf einem
Edel-Hofe dieneten. Dieſe beyden letztern jam-
merten mich am meiſten, weßwegen ich ihnen einen
Bothen ſchickte, und ſie zu mir ruffen ließ. Es
war in Wahrheit Schade, daß dieſe beyden armen
Thiere bishero ſo veraͤchtlich leben muͤſſen, denn
ſie ſahen nicht haͤßlich aus, derowegen befahl ich
ihnen, ſich ſo bald als moͤglich, Dienſt-loß zu ma-
chen, gab einer jeden 50. Thlr. davor ſie ſich ſau-
bere Buͤrgerliche Kleider anſchaffen, und in der
naͤchſten Stadt bey guten Leuten in die Koſt ver-

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(D d 4)
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[423/0431] Von meinem Vater, konte mir dieſer mein aͤlte- ſter Bruder ſo viel Nachricht geben, daß derſelbe gleich nach dem gehabten Ungluͤcke in ein Roͤmiſch- Catholiſches Laͤndgen gefluͤchtet, ſich daſelbſt in ein Hoſpital gekaufft, allwo er gut Eſſen und Trin- cken, auch gute Verpflegung gehabt, dahero von ſeinen Kindern nichts verlanget, ſondern denſelben noch etliche 30. Thlr. zuruͤck geſchickt; es waͤre aber derſelbe vor ohngefaͤhr zwey Jahren geſtorben. Mein juͤngſter Bruder haͤtte durch Vorſchub gu- ter Leute ſtudiret, aber nur biß an den Hals, in- dem er ſich auf Universitaͤten, in der beſten Zeit, auf die faule Seite gelegt, und die Stipendia, ſo er verſtudiren ſollen, durch die Gurgel gejagt, je- doch ſaͤſſe derſelbe voritzo gantz wohl, indem er in der naͤchſten Stadt eine gebrechliche Wittbe ge- heyrathet, die ihm einen Secretarien-Titul ge- kaufft, nur daß ſie mit ſolcher Manier ſich auch in vornehmer Tracht ſehen laſſen duͤrffte. Endlich erſuhr ich, daß meine aͤlteſte Schweſter als Vieh- Magd, und die juͤnaſte als Maͤdgen auf einem Edel-Hofe dieneten. Dieſe beyden letztern jam- merten mich am meiſten, weßwegen ich ihnen einen Bothen ſchickte, und ſie zu mir ruffen ließ. Es war in Wahrheit Schade, daß dieſe beyden armen Thiere bishero ſo veraͤchtlich leben muͤſſen, denn ſie ſahen nicht haͤßlich aus, derowegen befahl ich ihnen, ſich ſo bald als moͤglich, Dienſt-loß zu ma- chen, gab einer jeden 50. Thlr. davor ſie ſich ſau- bere Buͤrgerliche Kleider anſchaffen, und in der naͤchſten Stadt bey guten Leuten in die Koſt ver- dingen (D d 4)

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/431>, abgerufen am 24.11.2024.