dingen solten, biß sich anständige Männer vor sie fänden, da ich denn einer jeden 300. Thlr. zur Aus- stattung zu geben, auch mitlerweile das Kost-Geld und andere Bedürffnisse zu zahlen versprach. Man kan leicht erachten, daß beyde hierüber ungemein froh gewesen, und es währete nicht lange, so hey- rathete die Aelteste einen Bader, und die Jüngste einen Gewürtz-Cramer, empfingen auch von mir die versprochenen Ehe-Gelder. Weil ich aber doch auch meinen jüngsten Bruder gern sehen und sprechen wolte, reisete ich zu ihm, traff ihn aber nicht als einen Gelehrten, sondern als einen schmu- tzigen Brau-Knecht an, jedoch er warff sich bald in weisse Wäsche und in einen seidenen Schlaff- Rock, und empfing mich nunmehro erstlich recht brüderlich, deßgleichen die Frau Schwägerin auch that, jedoch ihre Freundlichkeit nachhero erstlich recht blicken ließ, da ich einige Jtaliänische Sachen von nicht geringen Werthe zum Geschencke über- reichte. Dieserwegen eröffnete sich nun ihr hold- seeliger Mund dergestalt, daß, wenn man hinein sahe, man sich die Rudera eines abgebrandten Dorffs gantz eigentlich vorstellen konte, weil sie sich die Cronen von den Zähnen fast alle abgebissen, jedoch, wie ich nachhero gewahr wurde, noch ziem- lich keiffen konte. Jch hielt mich, weil ich meine Schwestern, mir Antwort dahin zu bringen, be- stellet hatte, etliche Tage bey meinem Bruder auf und wurde von ihm und seiner Frauen gantz wohl tractiret; allein, da ich kaum 3. oder 4. Tage da gewesen, hörete ich, wenn ich nur den Rücken ge-
wendet
dingen ſolten, biß ſich anſtaͤndige Maͤnner vor ſie faͤnden, da ich denn einer jeden 300. Thlr. zur Aus- ſtattung zu geben, auch mitlerweile das Koſt-Geld und andere Beduͤrffniſſe zu zahlen verſprach. Man kan leicht erachten, daß beyde hieruͤber ungemein froh geweſen, und es waͤhrete nicht lange, ſo hey- rathete die Aelteſte einen Bader, und die Juͤngſte einen Gewuͤrtz-Cramer, empfingen auch von mir die verſprochenen Ehe-Gelder. Weil ich aber doch auch meinen juͤngſten Bruder gern ſehen und ſprechen wolte, reiſete ich zu ihm, traff ihn aber nicht als einen Gelehrten, ſondern als einen ſchmu- tzigen Brau-Knecht an, jedoch er warff ſich bald in weiſſe Waͤſche und in einen ſeidenen Schlaff- Rock, und empfing mich nunmehro erſtlich recht bruͤderlich, deßgleichen die Frau Schwaͤgerin auch that, jedoch ihre Freundlichkeit nachhero erſtlich recht blicken ließ, da ich einige Jtaliaͤniſche Sachen von nicht geringen Werthe zum Geſchencke uͤber- reichte. Dieſerwegen eroͤffnete ſich nun ihr hold- ſeeliger Mund dergeſtalt, daß, wenn man hinein ſahe, man ſich die Rudera eines abgebrandten Dorffs gantz eigentlich vorſtellen konte, weil ſie ſich die Cronen von den Zaͤhnen faſt alle abgebiſſen, jedoch, wie ich nachhero gewahr wurde, noch ziem- lich keiffen konte. Jch hielt mich, weil ich meine Schweſtern, mir Antwort dahin zu bringen, be- ſtellet hatte, etliche Tage bey meinem Bruder auf und wurde von ihm und ſeiner Frauen gantz wohl tractiret; allein, da ich kaum 3. oder 4. Tage da geweſen, hoͤrete ich, wenn ich nur den Ruͤcken ge-
wendet
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0432"n="424"/>
dingen ſolten, biß ſich anſtaͤndige Maͤnner vor ſie<lb/>
faͤnden, da ich denn einer jeden 300. Thlr. zur Aus-<lb/>ſtattung zu geben, auch mitlerweile das Koſt-Geld<lb/>
und andere Beduͤrffniſſe zu zahlen verſprach. Man<lb/>
kan leicht erachten, daß beyde hieruͤber ungemein<lb/>
froh geweſen, und es waͤhrete nicht lange, ſo hey-<lb/>
rathete die Aelteſte einen Bader, und die Juͤngſte<lb/>
einen Gewuͤrtz-Cramer, empfingen auch von mir<lb/>
die verſprochenen Ehe-Gelder. Weil ich aber<lb/>
doch auch meinen juͤngſten Bruder gern ſehen und<lb/>ſprechen wolte, reiſete ich zu ihm, traff ihn aber<lb/>
nicht als einen Gelehrten, ſondern als einen ſchmu-<lb/>
tzigen Brau-Knecht an, jedoch er warff ſich bald<lb/>
in weiſſe Waͤſche und in einen ſeidenen Schlaff-<lb/>
Rock, und empfing mich nunmehro erſtlich recht<lb/>
bruͤderlich, deßgleichen die Frau Schwaͤgerin auch<lb/>
that, jedoch ihre Freundlichkeit nachhero erſtlich<lb/>
recht blicken ließ, da ich einige Jtaliaͤniſche Sachen<lb/>
von nicht geringen Werthe zum Geſchencke uͤber-<lb/>
reichte. Dieſerwegen eroͤffnete ſich nun ihr hold-<lb/>ſeeliger Mund dergeſtalt, daß, wenn man hinein<lb/>ſahe, man ſich die <hirendition="#aq">Rudera</hi> eines abgebrandten<lb/>
Dorffs gantz eigentlich vorſtellen konte, weil ſie<lb/>ſich die Cronen von den Zaͤhnen faſt alle abgebiſſen,<lb/>
jedoch, wie ich nachhero gewahr wurde, noch ziem-<lb/>
lich keiffen konte. Jch hielt mich, weil ich meine<lb/>
Schweſtern, mir Antwort dahin zu bringen, be-<lb/>ſtellet hatte, etliche Tage bey meinem Bruder auf<lb/>
und wurde von ihm und ſeiner Frauen gantz wohl<lb/><hirendition="#aq">tractir</hi>et; allein, da ich kaum 3. oder 4. Tage da<lb/>
geweſen, hoͤrete ich, wenn ich nur den Ruͤcken ge-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">wendet</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[424/0432]
dingen ſolten, biß ſich anſtaͤndige Maͤnner vor ſie
faͤnden, da ich denn einer jeden 300. Thlr. zur Aus-
ſtattung zu geben, auch mitlerweile das Koſt-Geld
und andere Beduͤrffniſſe zu zahlen verſprach. Man
kan leicht erachten, daß beyde hieruͤber ungemein
froh geweſen, und es waͤhrete nicht lange, ſo hey-
rathete die Aelteſte einen Bader, und die Juͤngſte
einen Gewuͤrtz-Cramer, empfingen auch von mir
die verſprochenen Ehe-Gelder. Weil ich aber
doch auch meinen juͤngſten Bruder gern ſehen und
ſprechen wolte, reiſete ich zu ihm, traff ihn aber
nicht als einen Gelehrten, ſondern als einen ſchmu-
tzigen Brau-Knecht an, jedoch er warff ſich bald
in weiſſe Waͤſche und in einen ſeidenen Schlaff-
Rock, und empfing mich nunmehro erſtlich recht
bruͤderlich, deßgleichen die Frau Schwaͤgerin auch
that, jedoch ihre Freundlichkeit nachhero erſtlich
recht blicken ließ, da ich einige Jtaliaͤniſche Sachen
von nicht geringen Werthe zum Geſchencke uͤber-
reichte. Dieſerwegen eroͤffnete ſich nun ihr hold-
ſeeliger Mund dergeſtalt, daß, wenn man hinein
ſahe, man ſich die Rudera eines abgebrandten
Dorffs gantz eigentlich vorſtellen konte, weil ſie
ſich die Cronen von den Zaͤhnen faſt alle abgebiſſen,
jedoch, wie ich nachhero gewahr wurde, noch ziem-
lich keiffen konte. Jch hielt mich, weil ich meine
Schweſtern, mir Antwort dahin zu bringen, be-
ſtellet hatte, etliche Tage bey meinem Bruder auf
und wurde von ihm und ſeiner Frauen gantz wohl
tractiret; allein, da ich kaum 3. oder 4. Tage da
geweſen, hoͤrete ich, wenn ich nur den Ruͤcken ge-
wendet
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 3. Nordhausen, 1739, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata03_1739/432>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.