Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

Liebe von unsern Seiten nicht auf unsere Glaubens-
Genossen, sondern auf die Protestanten gefallen?
Es solten sich zwar wohl bey unserer Religion einige
finden, welche deßfalls bey diesem oder jenem einen
Gewissens-Scrupel erregen, oder erzwingen möch-
ten; Allein bey mir und den Meinigen werden sie
ihren Zweck nicht erreichen, denn unser Wahlspruch
ist dieser: Wir lieben die Tugend, und lassen je-
dennoch die Religion in ihren gebührlichen hohen
Würden. Nachdem wir noch eine gute Zeitlang
von dieser Materie pro und contra disputirt hat-
ten, bezogen mein Bruder und ich unsere angewie-
senen Zimmer, und lebten darauf dergestalt ruhig
und vergnügt mit dem wohlthätigen Gouverneur
und den Seinigen, daß ich, ausgenommen, was
Felsenburg anbelanget, nicht leicht an einem Orte
mehr Vergnügen auf dieser Welt gehabt.

So bald der Gouverneur und die Seinigen
das Wort von uns beyden heraus gelockt, ja, so zu sa-
gen, erzwungen hatten, wie wir wenigstens noch
2. Monathe bey ihnen blieben wolten; war das gan-
tze Hauß voller Freuden, damit wir aber eine
Haupt-Veränderung unserer Gemüther empfin-
den möchten, stellete der Gouverneur eine gene-
ral-Visitati
on der unter seinem Commando ste-
henden Jnsuln an, und lude uns darzu ein. Es
wurden auch so gleich Anstalten zur Abfahrt ge-
macht, indem er gesonnen, seine gantze Familie
mit sich zu führen, biß auf den ältesten Sohn und
jüngste Töchter, als welche beyde gute Wirth-
schafft führen solten. Wir beyden Brüder konten
ohne besondere Sorgen die Reise mit antreten,

weiln

Liebe von unſern Seiten nicht auf unſere Glaubens-
Genoſſen, ſondern auf die Proteſtanten gefallen?
Es ſolten ſich zwar wohl bey unſerer Religion einige
finden, welche deßfalls bey dieſem oder jenem einen
Gewiſſens-Scrupel erregen, oder erzwingen moͤch-
ten; Allein bey mir und den Meinigen werden ſie
ihren Zweck nicht erreichen, denn unſer Wahlſpruch
iſt dieſer: Wir lieben die Tugend, und laſſen je-
dennoch die Religion in ihren gebuͤhrlichen hohen
Wuͤrden. Nachdem wir noch eine gute Zeitlang
von dieſer Materie pro und contra diſputirt hat-
ten, bezogen mein Bruder und ich unſere angewie-
ſenen Zimmer, und lebten darauf dergeſtalt ruhig
und vergnuͤgt mit dem wohlthaͤtigen Gouverneur
und den Seinigen, daß ich, ausgenommen, was
Felſenburg anbelanget, nicht leicht an einem Orte
mehr Vergnuͤgen auf dieſer Welt gehabt.

So bald der Gouverneur und die Seinigen
das Wort von uns beyden heraus gelockt, ja, ſo zu ſa-
gen, erzwungen hatten, wie wir wenigſtens noch
2. Monathe bey ihnen blieben wolten; war das gan-
tze Hauß voller Freuden, damit wir aber eine
Haupt-Veraͤnderung unſerer Gemuͤther empfin-
den moͤchten, ſtellete der Gouverneur eine gene-
ral-Viſitati
on der unter ſeinem Commando ſte-
henden Jnſuln an, und lude uns darzu ein. Es
wurden auch ſo gleich Anſtalten zur Abfahrt ge-
macht, indem er geſonnen, ſeine gantze Familie
mit ſich zu fuͤhren, biß auf den aͤlteſten Sohn und
juͤngſte Toͤchter, als welche beyde gute Wirth-
ſchafft fuͤhren ſolten. Wir beyden Bruͤder konten
ohne beſondere Sorgen die Reiſe mit antreten,

weiln
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0168" n="158"/>
Liebe von un&#x017F;ern Seiten nicht auf un&#x017F;ere Glaubens-<lb/>
Geno&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern auf die <hi rendition="#aq">Prote&#x017F;tant</hi>en gefallen?<lb/>
Es &#x017F;olten &#x017F;ich zwar wohl bey un&#x017F;erer <hi rendition="#aq">Religi</hi>on einige<lb/>
finden, welche deßfalls bey die&#x017F;em oder jenem einen<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;ens-Scrupel erregen, oder erzwingen mo&#x0364;ch-<lb/>
ten; Allein bey mir und den Meinigen werden &#x017F;ie<lb/>
ihren Zweck nicht erreichen, denn un&#x017F;er Wahl&#x017F;pruch<lb/>
i&#x017F;t die&#x017F;er: Wir lieben die Tugend, und la&#x017F;&#x017F;en je-<lb/>
dennoch die <hi rendition="#aq">Religi</hi>on in ihren gebu&#x0364;hrlichen hohen<lb/>
Wu&#x0364;rden. Nachdem wir noch eine gute Zeitlang<lb/>
von die&#x017F;er <hi rendition="#aq">Materi</hi>e <hi rendition="#aq">pro</hi> und <hi rendition="#aq">contra di&#x017F;puti</hi>rt hat-<lb/>
ten, bezogen mein Bruder und ich un&#x017F;ere angewie-<lb/>
&#x017F;enen Zimmer, und lebten darauf derge&#x017F;talt ruhig<lb/>
und vergnu&#x0364;gt mit dem wohltha&#x0364;tigen <hi rendition="#aq">Gouverneur</hi><lb/>
und den Seinigen, daß ich, ausgenommen, was<lb/>
Fel&#x017F;enburg anbelanget, nicht leicht an einem Orte<lb/>
mehr Vergnu&#x0364;gen auf die&#x017F;er Welt gehabt.</p><lb/>
        <p>So bald der <hi rendition="#aq">Gouverneur</hi> und die Seinigen<lb/>
das Wort von uns beyden heraus gelockt, ja, &#x017F;o zu &#x017F;a-<lb/>
gen, erzwungen hatten, wie wir wenig&#x017F;tens noch<lb/>
2. Monathe bey ihnen blieben wolten; war das gan-<lb/>
tze Hauß voller Freuden, damit wir aber eine<lb/>
Haupt-Vera&#x0364;nderung un&#x017F;erer Gemu&#x0364;ther empfin-<lb/>
den mo&#x0364;chten, &#x017F;tellete der <hi rendition="#aq">Gouverneur</hi> eine <hi rendition="#aq">gene-<lb/>
ral-Vi&#x017F;itati</hi>on der unter &#x017F;einem <hi rendition="#aq">Commando</hi> &#x017F;te-<lb/>
henden Jn&#x017F;uln an, und lude uns darzu ein. Es<lb/>
wurden auch &#x017F;o gleich An&#x017F;talten zur Abfahrt ge-<lb/>
macht, indem er ge&#x017F;onnen, &#x017F;eine gantze <hi rendition="#aq">Famili</hi>e<lb/>
mit &#x017F;ich zu fu&#x0364;hren, biß auf den a&#x0364;lte&#x017F;ten Sohn und<lb/>
ju&#x0364;ng&#x017F;te To&#x0364;chter, als welche beyde gute Wirth-<lb/>
&#x017F;chafft fu&#x0364;hren &#x017F;olten. Wir beyden Bru&#x0364;der konten<lb/>
ohne be&#x017F;ondere Sorgen die Rei&#x017F;e mit antreten,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">weiln</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0168] Liebe von unſern Seiten nicht auf unſere Glaubens- Genoſſen, ſondern auf die Proteſtanten gefallen? Es ſolten ſich zwar wohl bey unſerer Religion einige finden, welche deßfalls bey dieſem oder jenem einen Gewiſſens-Scrupel erregen, oder erzwingen moͤch- ten; Allein bey mir und den Meinigen werden ſie ihren Zweck nicht erreichen, denn unſer Wahlſpruch iſt dieſer: Wir lieben die Tugend, und laſſen je- dennoch die Religion in ihren gebuͤhrlichen hohen Wuͤrden. Nachdem wir noch eine gute Zeitlang von dieſer Materie pro und contra diſputirt hat- ten, bezogen mein Bruder und ich unſere angewie- ſenen Zimmer, und lebten darauf dergeſtalt ruhig und vergnuͤgt mit dem wohlthaͤtigen Gouverneur und den Seinigen, daß ich, ausgenommen, was Felſenburg anbelanget, nicht leicht an einem Orte mehr Vergnuͤgen auf dieſer Welt gehabt. So bald der Gouverneur und die Seinigen das Wort von uns beyden heraus gelockt, ja, ſo zu ſa- gen, erzwungen hatten, wie wir wenigſtens noch 2. Monathe bey ihnen blieben wolten; war das gan- tze Hauß voller Freuden, damit wir aber eine Haupt-Veraͤnderung unſerer Gemuͤther empfin- den moͤchten, ſtellete der Gouverneur eine gene- ral-Viſitation der unter ſeinem Commando ſte- henden Jnſuln an, und lude uns darzu ein. Es wurden auch ſo gleich Anſtalten zur Abfahrt ge- macht, indem er geſonnen, ſeine gantze Familie mit ſich zu fuͤhren, biß auf den aͤlteſten Sohn und juͤngſte Toͤchter, als welche beyde gute Wirth- ſchafft fuͤhren ſolten. Wir beyden Bruͤder konten ohne beſondere Sorgen die Reiſe mit antreten, weiln

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/168
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/168>, abgerufen am 21.11.2024.