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Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

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Mittlerweile ließ uns die Schwester des A-
rab-Ogli
mit den allerbesten Speisen und Ge-
träncken versehen, welche allemahl credentzt wur-
den, damit wir uns nicht etwa einen Eckel oder
gar die Einbildung machen möchten, als ob etwa
Gifft darinnen befindlich wäre, ja, die Printzeßin
offenbahrete mir das gantze Gespräch, welches sie
mit der Schwester ihres Feindes gehalten, und
weilen diese nunmehro die regierende Furstin wä-
re, so wolten wir unverzagt und gutes Muths
seyn, zumahlen, da sie gewiß versichert worden,
daß es nicht ihr Vater, sondern ein anderer Mis-
sethäter, von der Gestalt des Fürsten von Can-
dahar
gewesen sey, welchen Arab-Ogli bloß ihr,
der Printzeßin, zum Schrecken erdrosseln lassen.
Jch ließ mir vor meine Person alles vorschwatzen,
so viel sie nur immer wolte, unter dessen aber wur-
de wenige Tage hernach Mirzamanda vor ein
peinliches Hals-Gerichte auf den grossen Saal
gefordert, auf das allerschärffste ausgefragt und
verhört; worauf ihr als einer Mörderin des regie-
renden Fürsten das Urtheil dermassen ausgespro-
chen wurde: daß sie auf einem 12. Ellen hohen Schei-
ter-Hauffen lebendig verbrandt werden solte.

Nach angehörtem Urtheil hielt Mirzamanda
in Persianischer Sprache eine Rede, die bald eine
Stunde lang währete: denn es waren mehr als
5. biß 600. Menschen auf dem Saale versammlet,
jedoch gieng erstlich alles gantz stille zu; nachhero
aber that diese ihre bewegliche Rede unter so vielen
Personen verschiedene recht Bewunderns-würdi-
ge Würckungen: denn manche fiengen zu heulen

und
(h h) 2

Mittlerweile ließ uns die Schweſter des A-
rab-Ogli
mit den allerbeſten Speiſen und Ge-
traͤncken verſehen, welche allemahl credentzt wur-
den, damit wir uns nicht etwa einen Eckel oder
gar die Einbildung machen moͤchten, als ob etwa
Gifft darinnen befindlich waͤre, ja, die Printzeßin
offenbahrete mir das gantze Geſpraͤch, welches ſie
mit der Schweſter ihres Feindes gehalten, und
weilen dieſe nunmehro die regierende Furſtin waͤ-
re, ſo wolten wir unverzagt und gutes Muths
ſeyn, zumahlen, da ſie gewiß verſichert worden,
daß es nicht ihr Vater, ſondern ein anderer Miſ-
ſethaͤter, von der Geſtalt des Fuͤrſten von Can-
dahar
geweſen ſey, welchen Arab-Ogli bloß ihr,
der Printzeßin, zum Schrecken erdroſſeln laſſen.
Jch ließ mir vor meine Perſon alles vorſchwatzen,
ſo viel ſie nur immer wolte, unter deſſen aber wur-
de wenige Tage hernach Mirzamanda vor ein
peinliches Hals-Gerichte auf den groſſen Saal
gefordert, auf das allerſchaͤrffſte ausgefragt und
verhoͤrt; worauf ihr als einer Moͤrderin des regie-
renden Fuͤrſten das Urtheil dermaſſen ausgeſpro-
chen wuꝛde: daß ſie auf einem 12. Ellen hohen Schei-
ter-Hauffen lebendig verbrandt werden ſolte.

Nach angehoͤrtem Urtheil hielt Mirzamanda
in Perſianiſcher Sprache eine Rede, die bald eine
Stunde lang waͤhrete: denn es waren mehr als
5. biß 600. Menſchen auf dem Saale verſammlet,
jedoch gieng erſtlich alles gantz ſtille zu; nachhero
aber that dieſe ihre bewegliche Rede unter ſo vielen
Perſonen verſchiedene recht Bewunderns-wuͤrdi-
ge Wuͤrckungen: denn manche fiengen zu heulen

und
(h h) 2
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[483/0493] Mittlerweile ließ uns die Schweſter des A- rab-Ogli mit den allerbeſten Speiſen und Ge- traͤncken verſehen, welche allemahl credentzt wur- den, damit wir uns nicht etwa einen Eckel oder gar die Einbildung machen moͤchten, als ob etwa Gifft darinnen befindlich waͤre, ja, die Printzeßin offenbahrete mir das gantze Geſpraͤch, welches ſie mit der Schweſter ihres Feindes gehalten, und weilen dieſe nunmehro die regierende Furſtin waͤ- re, ſo wolten wir unverzagt und gutes Muths ſeyn, zumahlen, da ſie gewiß verſichert worden, daß es nicht ihr Vater, ſondern ein anderer Miſ- ſethaͤter, von der Geſtalt des Fuͤrſten von Can- dahar geweſen ſey, welchen Arab-Ogli bloß ihr, der Printzeßin, zum Schrecken erdroſſeln laſſen. Jch ließ mir vor meine Perſon alles vorſchwatzen, ſo viel ſie nur immer wolte, unter deſſen aber wur- de wenige Tage hernach Mirzamanda vor ein peinliches Hals-Gerichte auf den groſſen Saal gefordert, auf das allerſchaͤrffſte ausgefragt und verhoͤrt; worauf ihr als einer Moͤrderin des regie- renden Fuͤrſten das Urtheil dermaſſen ausgeſpro- chen wuꝛde: daß ſie auf einem 12. Ellen hohen Schei- ter-Hauffen lebendig verbrandt werden ſolte. Nach angehoͤrtem Urtheil hielt Mirzamanda in Perſianiſcher Sprache eine Rede, die bald eine Stunde lang waͤhrete: denn es waren mehr als 5. biß 600. Menſchen auf dem Saale verſammlet, jedoch gieng erſtlich alles gantz ſtille zu; nachhero aber that dieſe ihre bewegliche Rede unter ſo vielen Perſonen verſchiedene recht Bewunderns-wuͤrdi- ge Wuͤrckungen: denn manche fiengen zu heulen und (h h) 2

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Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/493>, abgerufen am 27.11.2024.