Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

und zu schreyen an; manche schlugen die Hände
über den Köpffen zusammen, klatschten auch wohl
darbey; noch manche stampfften mit den Füssen
auf die Erde, und spyen nach der Decke und den
Wänden des Saales zu. Demnach wuste Mir-
zamanda
so wenig, als ich zu begreiffen, was wir
uns unsers fernern Schicksals wegen zu getrösten
hätten. Jedoch die nunmehro regierende Fürstin
ließ uns beyde durch eine sichere Wache in unser
voriges Zimmer begleiten, folgte auch bald
nach, und unterredete sich abermahls mit Mir-
zamand
en, biß der Tag fast anbrechen wolte.
Aus ihren Reden vernahm ich so viel, daß der Für-
stin der Tod ihres gottlosen Bruders eben nicht
allzu nahe gieng, denn sie tröstete Mirzamanden
auf das allerliebreichste, und sagte zu letzt: Es
wird zwar vor euren Augen gleich morgendes Ta-
ges ein Scheiter-Hauffen gemacht werden, allein
darauf sollet ihr, meine Schwester! so wenig kom-
men, als eure Frau, die ihr bey euch habt, sondern
ich muß nur einigen meiner mißvergnügten Unter-
thanen einen blauen Dunst vor die Augen ma-
chen; an eurer Stelle aber will ich zwey Mord-
brennerinnen auf den Scheiter-Hauffen bringen,
und verbrennen lassen; Jhr hingegen sollet durch
mich zu gehöriger Zeit in Sicherheit gebracht wer-
den, weil ich die Christen weit mehr liebe, als die
Heyden.

Leichtlich ist es zu erachten, daß, da nach dem
Abgange der Fürstin wir unsere Ruhe suchten,
selbige doch keinesweges geniessen konten, vielmehr
die wenigen Schlaf-Zeits-Stunden mit tausend

sorgsa-

und zu ſchreyen an; manche ſchlugen die Haͤnde
uͤber den Koͤpffen zuſammen, klatſchten auch wohl
darbey; noch manche ſtampfften mit den Fuͤſſen
auf die Erde, und ſpyen nach der Decke und den
Waͤnden des Saales zu. Demnach wuſte Mir-
zamanda
ſo wenig, als ich zu begreiffen, was wir
uns unſers fernern Schickſals wegen zu getroͤſten
haͤtten. Jedoch die nunmehro regierende Fuͤrſtin
ließ uns beyde durch eine ſichere Wache in unſer
voriges Zimmer begleiten, folgte auch bald
nach, und unterredete ſich abermahls mit Mir-
zamand
en, biß der Tag faſt anbrechen wolte.
Aus ihren Reden vernahm ich ſo viel, daß der Fuͤr-
ſtin der Tod ihres gottloſen Bruders eben nicht
allzu nahe gieng, denn ſie troͤſtete Mirzamanden
auf das allerliebreichſte, und ſagte zu letzt: Es
wird zwar vor euren Augen gleich morgendes Ta-
ges ein Scheiter-Hauffen gemacht werden, allein
darauf ſollet ihr, meine Schweſter! ſo wenig kom-
men, als eure Frau, die ihr bey euch habt, ſondern
ich muß nur einigen meiner mißvergnuͤgten Unter-
thanen einen blauen Dunſt vor die Augen ma-
chen; an eurer Stelle aber will ich zwey Mord-
brennerinnen auf den Scheiter-Hauffen bringen,
und verbrennen laſſen; Jhr hingegen ſollet durch
mich zu gehoͤriger Zeit in Sicherheit gebracht wer-
den, weil ich die Chriſten weit mehr liebe, als die
Heyden.

Leichtlich iſt es zu erachten, daß, da nach dem
Abgange der Fuͤrſtin wir unſere Ruhe ſuchten,
ſelbige doch keinesweges genieſſen konten, vielmehr
die wenigen Schlaf-Zeits-Stunden mit tauſend

ſorgſa-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <floatingText>
          <body>
            <div>
              <p><pb facs="#f0494" n="484"/>
und zu &#x017F;chreyen an; manche &#x017F;chlugen die Ha&#x0364;nde<lb/>
u&#x0364;ber den Ko&#x0364;pffen zu&#x017F;ammen, klat&#x017F;chten auch wohl<lb/>
darbey; noch manche &#x017F;tampfften mit den Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
auf die Erde, und &#x017F;pyen nach der Decke und den<lb/>
Wa&#x0364;nden des Saales zu. Demnach wu&#x017F;te <hi rendition="#aq">Mir-<lb/>
zamanda</hi> &#x017F;o wenig, als ich zu begreiffen, was wir<lb/>
uns un&#x017F;ers fernern Schick&#x017F;als wegen zu getro&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
ha&#x0364;tten. Jedoch die nunmehro regierende Fu&#x0364;r&#x017F;tin<lb/>
ließ uns beyde durch eine &#x017F;ichere Wache in un&#x017F;er<lb/>
voriges <hi rendition="#g">Zimmer</hi> begleiten, folgte auch bald<lb/>
nach, und unterredete &#x017F;ich abermahls mit <hi rendition="#aq">Mir-<lb/>
zamand</hi>en, biß der Tag fa&#x017F;t anbrechen wolte.<lb/>
Aus ihren Reden vernahm ich &#x017F;o viel, daß der Fu&#x0364;r-<lb/>
&#x017F;tin der Tod ihres gottlo&#x017F;en Bruders eben nicht<lb/>
allzu nahe gieng, denn &#x017F;ie tro&#x0364;&#x017F;tete <hi rendition="#aq">Mirzaman</hi>den<lb/>
auf das allerliebreich&#x017F;te, und &#x017F;agte zu letzt: Es<lb/>
wird zwar vor euren Augen gleich morgendes Ta-<lb/>
ges ein Scheiter-Hauffen gemacht werden, allein<lb/>
darauf &#x017F;ollet ihr, meine Schwe&#x017F;ter! &#x017F;o wenig kom-<lb/>
men, als eure Frau, die ihr bey euch habt, &#x017F;ondern<lb/>
ich muß nur einigen meiner mißvergnu&#x0364;gten Unter-<lb/>
thanen einen blauen Dun&#x017F;t vor die Augen ma-<lb/>
chen; an eurer Stelle aber will ich zwey Mord-<lb/>
brennerinnen auf den Scheiter-Hauffen bringen,<lb/>
und verbrennen la&#x017F;&#x017F;en; Jhr hingegen &#x017F;ollet durch<lb/>
mich zu geho&#x0364;riger Zeit in Sicherheit gebracht wer-<lb/>
den, weil ich die Chri&#x017F;ten weit mehr liebe, als die<lb/>
Heyden.</p><lb/>
              <p>Leichtlich i&#x017F;t es zu erachten, daß, da nach dem<lb/>
Abgange der Fu&#x0364;r&#x017F;tin wir un&#x017F;ere Ruhe &#x017F;uchten,<lb/>
&#x017F;elbige doch keinesweges genie&#x017F;&#x017F;en konten, vielmehr<lb/>
die wenigen Schlaf-Zeits-Stunden mit tau&#x017F;end<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;org&#x017F;a-</fw><lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[484/0494] und zu ſchreyen an; manche ſchlugen die Haͤnde uͤber den Koͤpffen zuſammen, klatſchten auch wohl darbey; noch manche ſtampfften mit den Fuͤſſen auf die Erde, und ſpyen nach der Decke und den Waͤnden des Saales zu. Demnach wuſte Mir- zamanda ſo wenig, als ich zu begreiffen, was wir uns unſers fernern Schickſals wegen zu getroͤſten haͤtten. Jedoch die nunmehro regierende Fuͤrſtin ließ uns beyde durch eine ſichere Wache in unſer voriges Zimmer begleiten, folgte auch bald nach, und unterredete ſich abermahls mit Mir- zamanden, biß der Tag faſt anbrechen wolte. Aus ihren Reden vernahm ich ſo viel, daß der Fuͤr- ſtin der Tod ihres gottloſen Bruders eben nicht allzu nahe gieng, denn ſie troͤſtete Mirzamanden auf das allerliebreichſte, und ſagte zu letzt: Es wird zwar vor euren Augen gleich morgendes Ta- ges ein Scheiter-Hauffen gemacht werden, allein darauf ſollet ihr, meine Schweſter! ſo wenig kom- men, als eure Frau, die ihr bey euch habt, ſondern ich muß nur einigen meiner mißvergnuͤgten Unter- thanen einen blauen Dunſt vor die Augen ma- chen; an eurer Stelle aber will ich zwey Mord- brennerinnen auf den Scheiter-Hauffen bringen, und verbrennen laſſen; Jhr hingegen ſollet durch mich zu gehoͤriger Zeit in Sicherheit gebracht wer- den, weil ich die Chriſten weit mehr liebe, als die Heyden. Leichtlich iſt es zu erachten, daß, da nach dem Abgange der Fuͤrſtin wir unſere Ruhe ſuchten, ſelbige doch keinesweges genieſſen konten, vielmehr die wenigen Schlaf-Zeits-Stunden mit tauſend ſorgſa-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/494
Zitationshilfe: Gisander [i. e. Schnabel, Johann Gottfried]: Wunderliche Fata einiger See-Fahrer. Bd. 4. Nordhausen, 1743, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schnabel_fata04_1743/494>, abgerufen am 16.06.2024.