Schnitzler, Arthur: Anatol. Berlin, 1893. Gabriele. Also ... erzählen Sie mir endlich von dem ... süßen Mädl! Anatol. Sie ist nicht fascinirend schön -- sie ist nicht besonders elegant -- und sie ist durchaus nicht geistreich ... Gabriele. Ich will ja nicht wissen, was sie nicht ist -- Anatol. Aber sie hat die weiche Anmuth eines Früh- lingsabends ... und die Grazie einer verzauberten Prin- zessin ... und den Geist eines Mädchens, das zu lieben weiß! Gabriele. Diese Art von Geist soll ja so sehr verbreitet sein ... in Ihrer kleinen Welt! ... Anatol. Sie können sich da nicht hinein denken! ... Man hat Ihnen zu viel verschwiegen, als Sie junges Mädchen waren -- und hat Ihnen zu viel gesagt, seit Sie junge Frau sind! ... darunter leidet die Naivetät Ihrer Betrachtungen -- Gabriele. Aber Sie hören doch -- ich will mich be- lehren lassen ... Ich glaube Ihnen ja auch schon die "ver- zauberte Prinzessin"! -- Erzählen Sie mir nur, wie der Zaubergarten ausschaut, in dem sie ruht -- Anatol. Da dürfen Sie sich freilich nicht einen glän- zenden Salon vorstellen, wo die schweren Portieren nieder- fallen -- mit Makartbouquets in den Ecken, Bibelots, Leucht- thürmen, mattem Sammt ... und dem affectirten Halb- dunkel eines sterbenden Nachmittags ... Gabriele. Ich will ja nicht wissen, was ich mir nicht vorstellen soll ... Anatol. Also -- denken Sie sich -- ein kleines, dämmeriges Zimmer -- so klein -- mit gemalten Wänden -- Gabriele. Alſo … erzählen Sie mir endlich von dem … ſüßen Mädl! Anatol. Sie iſt nicht fascinirend ſchön — ſie iſt nicht beſonders elegant — und ſie iſt durchaus nicht geiſtreich … Gabriele. Ich will ja nicht wiſſen, was ſie nicht iſt — Anatol. Aber ſie hat die weiche Anmuth eines Früh- lingsabends … und die Grazie einer verzauberten Prin- zeſſin … und den Geiſt eines Mädchens, das zu lieben weiß! Gabriele. Dieſe Art von Geiſt ſoll ja ſo ſehr verbreitet ſein … in Ihrer kleinen Welt! … Anatol. Sie können ſich da nicht hinein denken! … Man hat Ihnen zu viel verſchwiegen, als Sie junges Mädchen waren — und hat Ihnen zu viel geſagt, ſeit Sie junge Frau ſind! … darunter leidet die Naivetät Ihrer Betrachtungen — Gabriele. Aber Sie hören doch — ich will mich be- lehren laſſen … Ich glaube Ihnen ja auch ſchon die „ver- zauberte Prinzeſſin“! — Erzählen Sie mir nur, wie der Zaubergarten ausſchaut, in dem ſie ruht — Anatol. Da dürfen Sie ſich freilich nicht einen glän- zenden Salon vorſtellen, wo die ſchweren Portièren nieder- fallen — mit Makartbouquets in den Ecken, Bibelôts, Leucht- thürmen, mattem Sammt … und dem affectirten Halb- dunkel eines ſterbenden Nachmittags … Gabriele. Ich will ja nicht wiſſen, was ich mir nicht vorſtellen ſoll … Anatol. Alſo — denken Sie ſich — ein kleines, dämmeriges Zimmer — ſo klein — mit gemalten Wänden — <TEI> <text> <body> <div type="act" n="1"> <div type="scene" n="2"> <pb facs="#f0048" n="38"/> <sp who="#GAB"> <speaker> <hi rendition="#b">Gabriele.</hi> </speaker> <p>Alſo … erzählen Sie mir endlich von<lb/> dem … ſüßen Mädl!</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Sie iſt nicht fascinirend ſchön — ſie iſt nicht<lb/> beſonders elegant — und ſie iſt durchaus nicht geiſtreich …</p> </sp><lb/> <sp who="#GAB"> <speaker> <hi rendition="#b">Gabriele.</hi> </speaker> <p>Ich will ja nicht wiſſen, was ſie <hi rendition="#g">nicht</hi> iſt —</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Aber ſie hat die weiche Anmuth eines Früh-<lb/> lingsabends … und die Grazie einer verzauberten Prin-<lb/> zeſſin … und den Geiſt eines Mädchens, das zu lieben<lb/> weiß!</p> </sp><lb/> <sp who="#GAB"> <speaker> <hi rendition="#b">Gabriele.</hi> </speaker> <p>Dieſe Art von Geiſt ſoll ja ſo ſehr verbreitet<lb/> ſein … in Ihrer kleinen Welt! …</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Sie können ſich da nicht hinein denken! …<lb/> Man hat Ihnen zu viel verſchwiegen, als Sie junges Mädchen<lb/> waren — und hat Ihnen zu viel geſagt, ſeit Sie junge Frau<lb/> ſind! … darunter leidet die Naivetät Ihrer Betrachtungen —</p> </sp><lb/> <sp who="#GAB"> <speaker> <hi rendition="#b">Gabriele.</hi> </speaker> <p>Aber Sie hören doch — ich will mich be-<lb/> lehren laſſen … Ich glaube Ihnen ja auch ſchon die „ver-<lb/> zauberte Prinzeſſin“! — Erzählen Sie mir nur, wie der<lb/> Zaubergarten ausſchaut, in dem ſie ruht —</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Da dürfen Sie ſich freilich nicht einen glän-<lb/> zenden Salon vorſtellen, wo die ſchweren Porti<hi rendition="#aq">è</hi>ren nieder-<lb/> fallen — mit Makartbouquets in den Ecken, Bibel<hi rendition="#aq">ô</hi>ts, Leucht-<lb/> thürmen, mattem Sammt … und dem affectirten Halb-<lb/> dunkel eines ſterbenden Nachmittags …</p> </sp><lb/> <sp who="#GAB"> <speaker> <hi rendition="#b">Gabriele.</hi> </speaker> <p>Ich will ja nicht wiſſen, was ich mir <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/> vorſtellen ſoll …</p> </sp><lb/> <sp who="#ANA"> <speaker> <hi rendition="#b">Anatol.</hi> </speaker> <p>Alſo — denken Sie ſich — ein kleines,<lb/> dämmeriges Zimmer — <hi rendition="#g">ſo</hi> klein — mit gemalten Wänden —<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0048]
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beſonders elegant — und ſie iſt durchaus nicht geiſtreich …
Gabriele. Ich will ja nicht wiſſen, was ſie nicht iſt —
Anatol. Aber ſie hat die weiche Anmuth eines Früh-
lingsabends … und die Grazie einer verzauberten Prin-
zeſſin … und den Geiſt eines Mädchens, das zu lieben
weiß!
Gabriele. Dieſe Art von Geiſt ſoll ja ſo ſehr verbreitet
ſein … in Ihrer kleinen Welt! …
Anatol. Sie können ſich da nicht hinein denken! …
Man hat Ihnen zu viel verſchwiegen, als Sie junges Mädchen
waren — und hat Ihnen zu viel geſagt, ſeit Sie junge Frau
ſind! … darunter leidet die Naivetät Ihrer Betrachtungen —
Gabriele. Aber Sie hören doch — ich will mich be-
lehren laſſen … Ich glaube Ihnen ja auch ſchon die „ver-
zauberte Prinzeſſin“! — Erzählen Sie mir nur, wie der
Zaubergarten ausſchaut, in dem ſie ruht —
Anatol. Da dürfen Sie ſich freilich nicht einen glän-
zenden Salon vorſtellen, wo die ſchweren Portièren nieder-
fallen — mit Makartbouquets in den Ecken, Bibelôts, Leucht-
thürmen, mattem Sammt … und dem affectirten Halb-
dunkel eines ſterbenden Nachmittags …
Gabriele. Ich will ja nicht wiſſen, was ich mir nicht
vorſtellen ſoll …
Anatol. Alſo — denken Sie ſich — ein kleines,
dämmeriges Zimmer — ſo klein — mit gemalten Wänden —
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