Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754.

Bild:
<< vorherige Seite
Co
Dann die vom Hünervolk mit conischem
krümmendem Schnabel,
Deren Oberkehle gehöhlt, wie der Rinnen am
Dache.

Endlich beschlossen den Zug die Vögel vom
Sperlingsgeschlechte
Mit dem conischen abgestutzten Schnabel;
dieß Volk rühmt,
Daß es in seinem Mittel die Singer des Vo-
gelheers führet. Noah, 243 S.

Der Dichter will sagen: die Schweizer! Man
muß in der heiligen Dichtkunst die vorkommen-
den Gegenstände mit allen Tiefen und Flächen,
Krümmen, Biegungen, Ebnen und Rissen, Hö-
kern und Buckeln schildern. Zur Erhebung neh-
me man ein aus der Tiefe genommenes Gleichniß;
wie z. E. eine Dachrinne; man bekömmt einen
desto deutlichern Begriff von den Kehlen der Reb-
hüner.
Vergleichet nicht Homer einen Helden
mit einem Esel? Oben habe ich schon die Kunst,
Kunstwörter einzumengen, gepriesen; ich thue es
noch einmal, und preise sonderlich die an, die ein
bischen mathematisch aussehen. Denn auf was
für Begriffe fällt man nicht, wenn man weis, daß
ein Sperling einen conischen Schnabel hat!

Conterfait.

Bey diesem Worte haben wir zweyer-
ley zu bewundern; erstlich, den Ursprung;
zweytens die Anwendung. Es ist eine bekannte
Regel, daß man es mit ausländischen Wörtern,
deren Gebrauch unumgänglich nöthig ist, wie der
Großsultan mit fremden Gesandten, machen muß.

Wollen
Co
Dann die vom Huͤnervolk mit coniſchem
kruͤmmendem Schnabel,
Deren Oberkehle gehoͤhlt, wie der Rinnen am
Dache.

Endlich beſchloſſen den Zug die Voͤgel vom
Sperlingsgeſchlechte
Mit dem coniſchen abgeſtutzten Schnabel;
dieß Volk ruͤhmt,
Daß es in ſeinem Mittel die Singer des Vo-
gelheers fuͤhret. Noah, 243 S.

Der Dichter will ſagen: die Schweizer! Man
muß in der heiligen Dichtkunſt die vorkommen-
den Gegenſtaͤnde mit allen Tiefen und Flaͤchen,
Kruͤmmen, Biegungen, Ebnen und Riſſen, Hoͤ-
kern und Buckeln ſchildern. Zur Erhebung neh-
me man ein aus der Tiefe genommenes Gleichniß;
wie z. E. eine Dachrinne; man bekoͤmmt einen
deſto deutlichern Begriff von den Kehlen der Reb-
huͤner.
Vergleichet nicht Homer einen Helden
mit einem Eſel? Oben habe ich ſchon die Kunſt,
Kunſtwoͤrter einzumengen, geprieſen; ich thue es
noch einmal, und preiſe ſonderlich die an, die ein
bischen mathematiſch ausſehen. Denn auf was
fuͤr Begriffe faͤllt man nicht, wenn man weis, daß
ein Sperling einen coniſchen Schnabel hat!

Conterfait.

Bey dieſem Worte haben wir zweyer-
ley zu bewundern; erſtlich, den Urſprung;
zweytens die Anwendung. Es iſt eine bekannte
Regel, daß man es mit auslaͤndiſchen Woͤrtern,
deren Gebrauch unumgaͤnglich noͤthig iſt, wie der
Großſultan mit fremden Geſandten, machen muß.

Wollen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0118" n="92"/>
            <fw place="top" type="header">Co</fw><lb/>
            <cit>
              <quote>Dann die vom Hu&#x0364;nervolk mit <hi rendition="#fr">coni&#x017F;chem</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">kru&#x0364;mmendem</hi> Schnabel,</hi><lb/>
Deren Oberkehle geho&#x0364;hlt, wie der <hi rendition="#fr">Rinnen am<lb/><hi rendition="#et">Dache.</hi></hi><lb/>
Endlich be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en den Zug die Vo&#x0364;gel vom<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Sperlingsge&#x017F;chlechte</hi></hi><lb/>
Mit dem <hi rendition="#fr">coni&#x017F;chen abge&#x017F;tutzten Schnabel;</hi><lb/><hi rendition="#et">dieß Volk ru&#x0364;hmt,</hi><lb/>
Daß es in &#x017F;einem Mittel die <hi rendition="#fr">Singer</hi> des Vo-<lb/><hi rendition="#et">gelheers fu&#x0364;hret. <hi rendition="#fr">Noah, 243 S.</hi></hi></quote>
              <bibl/>
            </cit><lb/>
            <p>Der Dichter will &#x017F;agen: die <hi rendition="#fr">Schweizer!</hi> Man<lb/>
muß in der <hi rendition="#fr">heiligen Dichtkun&#x017F;t</hi> die vorkommen-<lb/>
den Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde mit allen Tiefen und Fla&#x0364;chen,<lb/>
Kru&#x0364;mmen, Biegungen, Ebnen und Ri&#x017F;&#x017F;en, Ho&#x0364;-<lb/>
kern und Buckeln &#x017F;childern. Zur Erhebung neh-<lb/>
me man ein aus der Tiefe genommenes Gleichniß;<lb/>
wie z. E. eine <hi rendition="#fr">Dachrinne;</hi> man beko&#x0364;mmt einen<lb/>
de&#x017F;to deutlichern Begriff von den <hi rendition="#fr">Kehlen der Reb-<lb/>
hu&#x0364;ner.</hi> Vergleichet nicht Homer einen Helden<lb/>
mit einem E&#x017F;el? Oben habe ich &#x017F;chon die Kun&#x017F;t,<lb/>
Kun&#x017F;two&#x0364;rter einzumengen, geprie&#x017F;en; ich thue es<lb/>
noch einmal, und prei&#x017F;e &#x017F;onderlich die an, die ein<lb/>
bischen <hi rendition="#fr">mathemati&#x017F;ch</hi> aus&#x017F;ehen. Denn auf was<lb/>
fu&#x0364;r Begriffe fa&#x0364;llt man nicht, wenn man weis, daß<lb/>
ein <hi rendition="#fr">Sperling</hi> einen <hi rendition="#fr">coni&#x017F;chen Schnabel</hi> hat!</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>Conterfait.</head>
            <p>Bey die&#x017F;em Worte haben wir zweyer-<lb/>
ley zu bewundern; er&#x017F;tlich, den <hi rendition="#fr">Ur&#x017F;prung;</hi><lb/>
zweytens die <hi rendition="#fr">Anwendung.</hi> Es i&#x017F;t eine bekannte<lb/>
Regel, daß man es mit ausla&#x0364;ndi&#x017F;chen Wo&#x0364;rtern,<lb/>
deren Gebrauch unumga&#x0364;nglich no&#x0364;thig i&#x017F;t, wie der<lb/><hi rendition="#fr">Groß&#x017F;ultan</hi> mit fremden Ge&#x017F;andten, machen muß.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wollen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0118] Co Dann die vom Huͤnervolk mit coniſchem kruͤmmendem Schnabel, Deren Oberkehle gehoͤhlt, wie der Rinnen am Dache. Endlich beſchloſſen den Zug die Voͤgel vom Sperlingsgeſchlechte Mit dem coniſchen abgeſtutzten Schnabel; dieß Volk ruͤhmt, Daß es in ſeinem Mittel die Singer des Vo- gelheers fuͤhret. Noah, 243 S. Der Dichter will ſagen: die Schweizer! Man muß in der heiligen Dichtkunſt die vorkommen- den Gegenſtaͤnde mit allen Tiefen und Flaͤchen, Kruͤmmen, Biegungen, Ebnen und Riſſen, Hoͤ- kern und Buckeln ſchildern. Zur Erhebung neh- me man ein aus der Tiefe genommenes Gleichniß; wie z. E. eine Dachrinne; man bekoͤmmt einen deſto deutlichern Begriff von den Kehlen der Reb- huͤner. Vergleichet nicht Homer einen Helden mit einem Eſel? Oben habe ich ſchon die Kunſt, Kunſtwoͤrter einzumengen, geprieſen; ich thue es noch einmal, und preiſe ſonderlich die an, die ein bischen mathematiſch ausſehen. Denn auf was fuͤr Begriffe faͤllt man nicht, wenn man weis, daß ein Sperling einen coniſchen Schnabel hat! Conterfait. Bey dieſem Worte haben wir zweyer- ley zu bewundern; erſtlich, den Urſprung; zweytens die Anwendung. Es iſt eine bekannte Regel, daß man es mit auslaͤndiſchen Woͤrtern, deren Gebrauch unumgaͤnglich noͤthig iſt, wie der Großſultan mit fremden Geſandten, machen muß. Wollen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/118
Zitationshilfe: Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/118>, abgerufen am 23.11.2024.