Jst auch jemals erhöret worden, daß Ohren lesen können? Hr. Samuel Patzke, der Lob- redner des Meßias, läßt sie lesen; denn ein Glied kann ja wohl des andern Stelle vertreten.
"Es "ist, sagt er, eine zu große Verwerfung und Ver- "setzung der Redensarten da, wider alle Vor- "schriften der Sprachlehre; so daß sie, (die "Meßiade,) nicht ein deutsches Ohr, nicht ohne "Mißvergnügen lesen kann." Samml. Nicol. 44 S.
Wir freuen uns über dieses deutsche Ohr, und werden jauchzen, wann wir ein ame- rikanisches sehen werden.
"Midas, le Roi Midas, a des oreilles d'asne. Boileau. "Die Ohren eilen zur Gruft, u. mit den Oh- ren die Töne. Brem. Ged. 54 S.
Ey! das ist artig! daß die Ohren mit ins Grab kommen: freylich; die Todten sollten sie draussen lassen.
Olympisch.
So bald mir meine Leser sagen wer- den: ob es erlaubet ist, den christlichen Himmel den Olympus zu nennen: so will ich ihnen das Beywort treulich übersetzen. Allein, wir zwei- feln; denn wäre es erlaubt: so könnten wir auch Jehovahn mit dem Namen Zevs ehren; es rechtfertigen es einerley Ursachen. Wir wundern uns indessen, daß die Heyden nicht so oft vom Olympus, als die israelitischen Dichterlinge, reden.
"Um ihn her stand von seinen Nachkommen ein Kreis in dem andern etc.
"Jn
Oh Ol
Ohr.
Jſt auch jemals erhoͤret worden, daß Ohren leſen koͤnnen? Hr. Samuel Patzke, der Lob- redner des Meßias, laͤßt ſie leſen; denn ein Glied kann ja wohl des andern Stelle vertreten.
“Es “iſt, ſagt er, eine zu große Verwerfung und Ver- “ſetzung der Redensarten da, wider alle Vor- “ſchriften der Sprachlehre; ſo daß ſie, (die “Meßiade,) nicht ein deutſches Ohr, nicht ohne “Mißvergnuͤgen leſen kann.” Samml. Nicol. 44 S.
Wir freuen uns uͤber dieſes deutſche Ohr, und werden jauchzen, wann wir ein ame- rikaniſches ſehen werden.
“Midas, le Roi Midas, a des oreilles d’aſne. Boileau. “Die Ohren eilen zur Gruft, u. mit den Oh- ren die Toͤne. Brem. Ged. 54 S.
Ey! das iſt artig! daß die Ohren mit ins Grab kommen: freylich; die Todten ſollten ſie drauſſen laſſen.
Olympiſch.
So bald mir meine Leſer ſagen wer- den: ob es erlaubet iſt, den chriſtlichen Himmel den Olympus zu nennen: ſo will ich ihnen das Beywort treulich uͤberſetzen. Allein, wir zwei- feln; denn waͤre es erlaubt: ſo koͤnnten wir auch Jehovahn mit dem Namen Zevs ehren; es rechtfertigen es einerley Urſachen. Wir wundern uns indeſſen, daß die Heyden nicht ſo oft vom Olympus, als die iſraelitiſchen Dichterlinge, reden.
“Um ihn her ſtand von ſeinen Nachkommen ein Kreis in dem andern ꝛc.
“Jn
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0354"n="328"/><fwplace="top"type="header">Oh Ol</fw><lb/><divn="3"><head>Ohr.</head><p>Jſt auch jemals erhoͤret worden, daß <hirendition="#fr">Ohren<lb/>
leſen</hi> koͤnnen? <hirendition="#fr">Hr. Samuel Patzke,</hi> der Lob-<lb/>
redner des <hirendition="#fr">Meßias,</hi> laͤßt ſie leſen; denn ein Glied<lb/>
kann ja wohl des andern Stelle vertreten.</p><cit><quote>“Es<lb/>“iſt, ſagt er, eine zu große Verwerfung und Ver-<lb/>“ſetzung der Redensarten da, wider alle Vor-<lb/>“ſchriften der Sprachlehre; ſo daß ſie, (die<lb/>“Meßiade,) nicht ein <hirendition="#fr">deutſches Ohr,</hi> nicht ohne<lb/>“Mißvergnuͤgen <hirendition="#fr">leſen</hi> kann.”<hirendition="#fr">Samml. Nicol.<lb/>
44 S.</hi></quote><bibl/></cit><p>Wir freuen uns uͤber dieſes <hirendition="#fr">deutſche<lb/>
Ohr,</hi> und werden <hirendition="#fr">jauchzen,</hi> wann wir ein <hirendition="#fr">ame-<lb/>
rikaniſches</hi>ſehen werden.</p><lb/><cit><quote>“<hirendition="#aq">Midas, le Roi Midas, a des oreilles d’aſne.</hi><lb/><hirendition="#et"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Boileau.</hi></hi></hi></quote><bibl/></cit><lb/><cit><quote>“Die <hirendition="#fr">Ohren eilen zur Gruft,</hi> u. mit den <hirendition="#fr">Oh-</hi><lb/><hirendition="#et"><hirendition="#fr">ren die Toͤne. Brem. Ged. 54 S.</hi></hi></quote><bibl/></cit><lb/><p>Ey! das iſt artig! daß die <hirendition="#fr">Ohren</hi> mit ins <hirendition="#fr">Grab</hi><lb/>
kommen: freylich; die Todten ſollten ſie drauſſen<lb/>
laſſen.</p></div><lb/><divn="3"><head>Olympiſch.</head><p>So bald mir meine Leſer ſagen wer-<lb/>
den: ob es erlaubet iſt, den <hirendition="#fr">chriſtlichen Himmel</hi><lb/>
den <hirendition="#fr">Olympus</hi> zu nennen: ſo will ich ihnen das<lb/>
Beywort treulich uͤberſetzen. Allein, wir zwei-<lb/>
feln; denn waͤre es erlaubt: ſo koͤnnten wir auch<lb/><hirendition="#fr">Jehovahn</hi> mit dem Namen <hirendition="#fr">Zevs</hi> ehren; es<lb/>
rechtfertigen es einerley Urſachen. Wir wundern<lb/>
uns indeſſen, daß die <hirendition="#fr">Heyden</hi> nicht ſo oft vom<lb/><hirendition="#fr">Olympus,</hi> als die <hirendition="#fr">iſraelitiſchen Dichterlinge,</hi><lb/>
reden.</p><lb/><cit><quote>“Um ihn her ſtand von ſeinen Nachkommen ein<lb/><hirendition="#et">Kreis in dem andern ꝛc.</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch">“Jn</fw><lb/></quote></cit></div></div></div></body></text></TEI>
[328/0354]
Oh Ol
Ohr. Jſt auch jemals erhoͤret worden, daß Ohren
leſen koͤnnen? Hr. Samuel Patzke, der Lob-
redner des Meßias, laͤßt ſie leſen; denn ein Glied
kann ja wohl des andern Stelle vertreten.
“Es
“iſt, ſagt er, eine zu große Verwerfung und Ver-
“ſetzung der Redensarten da, wider alle Vor-
“ſchriften der Sprachlehre; ſo daß ſie, (die
“Meßiade,) nicht ein deutſches Ohr, nicht ohne
“Mißvergnuͤgen leſen kann.” Samml. Nicol.
44 S. Wir freuen uns uͤber dieſes deutſche
Ohr, und werden jauchzen, wann wir ein ame-
rikaniſches ſehen werden.
“Midas, le Roi Midas, a des oreilles d’aſne.
Boileau.
“Die Ohren eilen zur Gruft, u. mit den Oh-
ren die Toͤne. Brem. Ged. 54 S.
Ey! das iſt artig! daß die Ohren mit ins Grab
kommen: freylich; die Todten ſollten ſie drauſſen
laſſen.
Olympiſch. So bald mir meine Leſer ſagen wer-
den: ob es erlaubet iſt, den chriſtlichen Himmel
den Olympus zu nennen: ſo will ich ihnen das
Beywort treulich uͤberſetzen. Allein, wir zwei-
feln; denn waͤre es erlaubt: ſo koͤnnten wir auch
Jehovahn mit dem Namen Zevs ehren; es
rechtfertigen es einerley Urſachen. Wir wundern
uns indeſſen, daß die Heyden nicht ſo oft vom
Olympus, als die iſraelitiſchen Dichterlinge,
reden.
“Um ihn her ſtand von ſeinen Nachkommen ein
Kreis in dem andern ꝛc.
“Jn
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schönaich, Christoph Otto von: Die ganze Aesthetik in einer Nuß, oder Neologisches Wörterbuch. [Breslau], 1754, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoenaich_aesthetik_1754/354>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.