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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822.

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Darstellungen einer Unzahl von Kaisern und Kaiser-
lingen auf elenden Kupfer-Münzen jener Zeit legen
ein trauriges Zeugniß davon ab bis an den heu-
tigen Tag. Die Kunst wäre völlig erloschen und
das Menschengeschlecht hoffnungslos versunken in
Barbarei, hätte nicht die christliche Kirche sie in
Schutz genommen und sie vom gänzlichen Untergange
gerettet, wenn gleich nur als schwachen, unter der
Asche fortglimmenden Funken. Woran der Mensch
glauben, was er lieben soll, das muß sich ihm auch
gestalten, und so wurden die alten, aus ihren
Tempeln vertriebnen Götterbilder, der Triumph
Hellenischer Kunst, gar bald durch andre, mensch-
licher gedachte Bilder ersetzt, zu denen die glaubige
betende Menge um so hoffnungsreicher den Blick
erhob, je näher sie sich in ihrer Beschränktheit diesen
Bildern verwandt fühlen konnte, die mit bekannten,
stets treu wiederholten Zügen ihr entgegen traten.

Bei dem Druck der Verworrenheit, welchem
damals die Welt unterlag, ward indessen die
Bildung aus dem Westen vertrieben; sie flüchtete
sich zum glanzerfüllten Osten, und nur Byzanz blieb


Darſtellungen einer Unzahl von Kaiſern und Kaiſer-
lingen auf elenden Kupfer-Münzen jener Zeit legen
ein trauriges Zeugniß davon ab bis an den heu-
tigen Tag. Die Kunſt wäre völlig erloſchen und
das Menſchengeſchlecht hoffnungslos verſunken in
Barbarei, hätte nicht die chriſtliche Kirche ſie in
Schutz genommen und ſie vom gänzlichen Untergange
gerettet, wenn gleich nur als ſchwachen, unter der
Aſche fortglimmenden Funken. Woran der Menſch
glauben, was er lieben ſoll, das muß ſich ihm auch
geſtalten, und ſo wurden die alten, aus ihren
Tempeln vertriebnen Götterbilder, der Triumph
Helleniſcher Kunſt, gar bald durch andre, menſch-
licher gedachte Bilder erſetzt, zu denen die glaubige
betende Menge um ſo hoffnungsreicher den Blick
erhob, je näher ſie ſich in ihrer Beſchränktheit dieſen
Bildern verwandt fühlen konnte, die mit bekannten,
ſtets treu wiederholten Zügen ihr entgegen traten.

Bei dem Druck der Verworrenheit, welchem
damals die Welt unterlag, ward indeſſen die
Bildung aus dem Weſten vertrieben; ſie flüchtete
ſich zum glanzerfüllten Oſten, und nur Byzanz blieb

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[7/0019] Darſtellungen einer Unzahl von Kaiſern und Kaiſer- lingen auf elenden Kupfer-Münzen jener Zeit legen ein trauriges Zeugniß davon ab bis an den heu- tigen Tag. Die Kunſt wäre völlig erloſchen und das Menſchengeſchlecht hoffnungslos verſunken in Barbarei, hätte nicht die chriſtliche Kirche ſie in Schutz genommen und ſie vom gänzlichen Untergange gerettet, wenn gleich nur als ſchwachen, unter der Aſche fortglimmenden Funken. Woran der Menſch glauben, was er lieben ſoll, das muß ſich ihm auch geſtalten, und ſo wurden die alten, aus ihren Tempeln vertriebnen Götterbilder, der Triumph Helleniſcher Kunſt, gar bald durch andre, menſch- licher gedachte Bilder erſetzt, zu denen die glaubige betende Menge um ſo hoffnungsreicher den Blick erhob, je näher ſie ſich in ihrer Beſchränktheit dieſen Bildern verwandt fühlen konnte, die mit bekannten, ſtets treu wiederholten Zügen ihr entgegen traten. Bei dem Druck der Verworrenheit, welchem damals die Welt unterlag, ward indeſſen die Bildung aus dem Weſten vertrieben; ſie flüchtete ſich zum glanzerfüllten Oſten, und nur Byzanz blieb

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1822, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck01_1822/19>, abgerufen am 21.11.2024.