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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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besser gezeichnet und kolorirt als die kleineren im
Hintergrunde. Die Köpfe sind ohne Ausnahme
tadellos; besonders richtig gezeichnet und schön
gemalt ist der Unglückliche, welcher der Hölle zu-
gejagt wird.

So steht das ganze Gemälde als Muster
aller Werke dieses Meisters da; vortrefflich im
Einzelnen, mangelhaft im Ganzen, und nicht
frei von jener Verworrenheit, die aus Lukas
Kranachs Unkunde in der Behandlung der Ferne
wie der Beleuchtung entsteht; ein Fehler, welcher
hier noch durch das von beiden Seiten flatternde
lange Tuch um die Hüften des Gekreuzigten, und
durch allerlei Paniere mit Sprüchen vermehrt wird.

Martin Luther starb am achtzehnten Februar
1546, daher ist es wahrscheinlich, daß die mitt-
lere Tafel dieses Altarblattes nicht später ge-
malt worden, denn Luthers Porträt ist zu aus-
geführt bis in die kleinsten Einzelheiten, als
daß die Möglichkeit denkbar wäre, Lukas Kranach
habe es bloß nach Erinnerungen so Leben-athmend
darstellen können. Die beiden Seitentafeln hin-

II. Bd. 9

beſſer gezeichnet und kolorirt als die kleineren im
Hintergrunde. Die Köpfe ſind ohne Ausnahme
tadellos; beſonders richtig gezeichnet und ſchön
gemalt iſt der Unglückliche, welcher der Hölle zu-
gejagt wird.

So ſteht das ganze Gemälde als Muſter
aller Werke dieſes Meiſters da; vortrefflich im
Einzelnen, mangelhaft im Ganzen, und nicht
frei von jener Verworrenheit, die aus Lukas
Kranachs Unkunde in der Behandlung der Ferne
wie der Beleuchtung entſteht; ein Fehler, welcher
hier noch durch das von beiden Seiten flatternde
lange Tuch um die Hüften des Gekreuzigten, und
durch allerlei Paniere mit Sprüchen vermehrt wird.

Martin Luther ſtarb am achtzehnten Februar
1546, daher iſt es wahrſcheinlich, daß die mitt-
lere Tafel dieſes Altarblattes nicht ſpäter ge-
malt worden, denn Luthers Porträt iſt zu aus-
geführt bis in die kleinſten Einzelheiten, als
daß die Möglichkeit denkbar wäre, Lukas Kranach
habe es bloß nach Erinnerungen ſo Leben-athmend
darſtellen können. Die beiden Seitentafeln hin-

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[129/0137] beſſer gezeichnet und kolorirt als die kleineren im Hintergrunde. Die Köpfe ſind ohne Ausnahme tadellos; beſonders richtig gezeichnet und ſchön gemalt iſt der Unglückliche, welcher der Hölle zu- gejagt wird. So ſteht das ganze Gemälde als Muſter aller Werke dieſes Meiſters da; vortrefflich im Einzelnen, mangelhaft im Ganzen, und nicht frei von jener Verworrenheit, die aus Lukas Kranachs Unkunde in der Behandlung der Ferne wie der Beleuchtung entſteht; ein Fehler, welcher hier noch durch das von beiden Seiten flatternde lange Tuch um die Hüften des Gekreuzigten, und durch allerlei Paniere mit Sprüchen vermehrt wird. Martin Luther ſtarb am achtzehnten Februar 1546, daher iſt es wahrſcheinlich, daß die mitt- lere Tafel dieſes Altarblattes nicht ſpäter ge- malt worden, denn Luthers Porträt iſt zu aus- geführt bis in die kleinſten Einzelheiten, als daß die Möglichkeit denkbar wäre, Lukas Kranach habe es bloß nach Erinnerungen ſo Leben-athmend darſtellen können. Die beiden Seitentafeln hin- II. Bd. 9

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/137>, abgerufen am 20.05.2024.