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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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Die letzten sechs Jahre seines Lebens mußte er
wegen seiner außerordentlichen Schwäche größten-
theils im Bette liegend zubringen, doch selbst dieß
hinderte ihn nicht, jeden leidlichen Moment seinen
Arbeiten zu widmen. Er hatte sich zu diesem Zweck
nach eigner Erfindung Werkzeuge und besondere
Vorrichtungen verfertigen lassen, die es ihm mög-
lich machten selbst in dieser Stellung zu zeichnen,
in Holz zu schneiden oder in Kupfer zu stechen. Auch
malte er in dieser Zeit noch sein letztes Gemälde in
Öl, ein Werk, welches als eines seiner vorzüglich-
sten in dieser Art gepriesen wird, und zu welchem
er wahrscheinlich jede Stunde benutzte, in der er
von seinem Schmerzenlager sich erheben konnte.

Dieses Gemälde war mit zweien, dasselbe ver-
schließenden Flügelthüren versehen, mit der Jahrzahl
1531 bezeichnet, und stellte den Heiland dar, wie
er einem Blinden das Gesicht wieder verleiht. Die
Blindheit des von seinem Knaben geführten Armen,
das Mitleid und die himmlische Güte im Angesicht
des Erlösers werden als höchst vortrefflich ausge-
drückt gepriesen. So auch die Mannichfaltigkeit

II. Bd. 2

Die letzten ſechs Jahre ſeines Lebens mußte er
wegen ſeiner außerordentlichen Schwäche größten-
theils im Bette liegend zubringen, doch ſelbſt dieß
hinderte ihn nicht, jeden leidlichen Moment ſeinen
Arbeiten zu widmen. Er hatte ſich zu dieſem Zweck
nach eigner Erfindung Werkzeuge und beſondere
Vorrichtungen verfertigen laſſen, die es ihm mög-
lich machten ſelbſt in dieſer Stellung zu zeichnen,
in Holz zu ſchneiden oder in Kupfer zu ſtechen. Auch
malte er in dieſer Zeit noch ſein letztes Gemälde in
Öl, ein Werk, welches als eines ſeiner vorzüglich-
ſten in dieſer Art geprieſen wird, und zu welchem
er wahrſcheinlich jede Stunde benutzte, in der er
von ſeinem Schmerzenlager ſich erheben konnte.

Dieſes Gemälde war mit zweien, daſſelbe ver-
ſchließenden Flügelthüren verſehen, mit der Jahrzahl
1531 bezeichnet, und ſtellte den Heiland dar, wie
er einem Blinden das Geſicht wieder verleiht. Die
Blindheit des von ſeinem Knaben geführten Armen,
das Mitleid und die himmliſche Güte im Angeſicht
des Erlöſers werden als höchſt vortrefflich ausge-
drückt geprieſen. So auch die Mannichfaltigkeit

II. Bd. 2
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[17/0027] Die letzten ſechs Jahre ſeines Lebens mußte er wegen ſeiner außerordentlichen Schwäche größten- theils im Bette liegend zubringen, doch ſelbſt dieß hinderte ihn nicht, jeden leidlichen Moment ſeinen Arbeiten zu widmen. Er hatte ſich zu dieſem Zweck nach eigner Erfindung Werkzeuge und beſondere Vorrichtungen verfertigen laſſen, die es ihm mög- lich machten ſelbſt in dieſer Stellung zu zeichnen, in Holz zu ſchneiden oder in Kupfer zu ſtechen. Auch malte er in dieſer Zeit noch ſein letztes Gemälde in Öl, ein Werk, welches als eines ſeiner vorzüglich- ſten in dieſer Art geprieſen wird, und zu welchem er wahrſcheinlich jede Stunde benutzte, in der er von ſeinem Schmerzenlager ſich erheben konnte. Dieſes Gemälde war mit zweien, daſſelbe ver- ſchließenden Flügelthüren verſehen, mit der Jahrzahl 1531 bezeichnet, und ſtellte den Heiland dar, wie er einem Blinden das Geſicht wieder verleiht. Die Blindheit des von ſeinem Knaben geführten Armen, das Mitleid und die himmliſche Güte im Angeſicht des Erlöſers werden als höchſt vortrefflich ausge- drückt geprieſen. So auch die Mannichfaltigkeit II. Bd. 2

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/27>, abgerufen am 08.05.2024.