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Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

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lich gemalt sie auch sind, dagegen rauh und unvol-
lendet erschienen.

Dieses aber ist auch Alles, was ich vom Leben
dieses großen Meisters in Erfahrung bringen konnte,
dessen Natur das Höchste mit dem Niedrigsten auf
so seltsame Weise vereinte. Man sagt, er sey im
Jahr 1562 in ziemlich hohem Alter gestorben, doch
ist sowohl der Ort, wo er starb, als die Art seines
Todes unbekannt.

Das Grab bedeckt die Verirrungen seines
Lebens, doch was er in Hinsicht auf die Kunst war,
beweisen drei seiner unschätzbaren Gemälde in der
Sammlung der Herren Boisseree. Das eine, eine
Kreuzigung, ist ein großes Bild, von dem man ver-
muthet, daß er es vor seiner Reise nach Jtalien
gemalt haben könne, aber dennoch spricht schon
aus diesem sein lebhaftes, dem warmen Süden sich
annäherndes Wesen. Weniger fromm, ruhig und
innig, als seine großen Vorgänger und Zeitgenossen
bei Behandlung dieses Gegenstandes es waren,
brachte er in die Darstellung ein höchst effectvolles
Leben, ich möchte sagen ein dramatisches Fort-

lich gemalt ſie auch ſind, dagegen rauh und unvol-
lendet erſchienen.

Dieſes aber iſt auch Alles, was ich vom Leben
dieſes großen Meiſters in Erfahrung bringen konnte,
deſſen Natur das Höchſte mit dem Niedrigſten auf
ſo ſeltſame Weiſe vereinte. Man ſagt, er ſey im
Jahr 1562 in ziemlich hohem Alter geſtorben, doch
iſt ſowohl der Ort, wo er ſtarb, als die Art ſeines
Todes unbekannt.

Das Grab bedeckt die Verirrungen ſeines
Lebens, doch was er in Hinſicht auf die Kunſt war,
beweiſen drei ſeiner unſchätzbaren Gemälde in der
Sammlung der Herren Boiſſerée. Das eine, eine
Kreuzigung, iſt ein großes Bild, von dem man ver-
muthet, daß er es vor ſeiner Reiſe nach Jtalien
gemalt haben könne, aber dennoch ſpricht ſchon
aus dieſem ſein lebhaftes, dem warmen Süden ſich
annäherndes Weſen. Weniger fromm, ruhig und
innig, als ſeine großen Vorgänger und Zeitgenoſſen
bei Behandlung dieſes Gegenſtandes es waren,
brachte er in die Darſtellung ein höchſt effectvolles
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[34/0044] lich gemalt ſie auch ſind, dagegen rauh und unvol- lendet erſchienen. Dieſes aber iſt auch Alles, was ich vom Leben dieſes großen Meiſters in Erfahrung bringen konnte, deſſen Natur das Höchſte mit dem Niedrigſten auf ſo ſeltſame Weiſe vereinte. Man ſagt, er ſey im Jahr 1562 in ziemlich hohem Alter geſtorben, doch iſt ſowohl der Ort, wo er ſtarb, als die Art ſeines Todes unbekannt. Das Grab bedeckt die Verirrungen ſeines Lebens, doch was er in Hinſicht auf die Kunſt war, beweiſen drei ſeiner unſchätzbaren Gemälde in der Sammlung der Herren Boiſſerée. Das eine, eine Kreuzigung, iſt ein großes Bild, von dem man ver- muthet, daß er es vor ſeiner Reiſe nach Jtalien gemalt haben könne, aber dennoch ſpricht ſchon aus dieſem ſein lebhaftes, dem warmen Süden ſich annäherndes Weſen. Weniger fromm, ruhig und innig, als ſeine großen Vorgänger und Zeitgenoſſen bei Behandlung dieſes Gegenſtandes es waren, brachte er in die Darſtellung ein höchſt effectvolles Leben, ich möchte ſagen ein dramatiſches Fort-

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Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/44>, abgerufen am 21.11.2024.