Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822.

Bild:
<< vorherige Seite

mit ihm lebten, zeichnete Schoreels Neigung beson-
ders den jungen Johannes Everard aus, einen der
geistreichsten, anmuthigsten Dichter seiner Zeit,
und auch der unsern unter dem Namen Johannes
Sekundus allbekannt. Dieser war im Jahr 1511
im Haag geboren, und von seinem Vater, einem
großen Rechtsgelehrten, der unter Kaiser Karl dem
fünften in Mecheln die Stelle eines Präsidenten
des souveränen Raths von Holland und Seeland be-
kleidete, schon früh der Rechtswissenschaft geweiht
worden. Wirklich hatte er sich in derselben auch
schon im ein und zwanzigsten Jahre den Doctor-
Hut erworben, doch sein innerer Beruf führte
ihn der Poesie und der bildenden Kunst zu, über
welche er gern die Pandekten und den Kaiser Ju-
stinian vergaß. Gelungne Versuche im Zeichnen,
im Kupferstechen, vor Allem aber in kleinen Arbei-
ten aus Alabaster füllten die Stunden seiner Muse
aus. Schoreels Aufmerksamkeit ward durch diese
vielleicht zuerst dem Jüngling zugewendet, doch
sein Geist, seine Lieder, vor Allem sein in treuer
Liebe glühendes Herz mußten ihm in kurzer Zeit

mit ihm lebten, zeichnete Schoreels Neigung beſon-
ders den jungen Johannes Everard aus, einen der
geiſtreichſten, anmuthigſten Dichter ſeiner Zeit,
und auch der unſern unter dem Namen Johannes
Sekundus allbekannt. Dieſer war im Jahr 1511
im Haag geboren, und von ſeinem Vater, einem
großen Rechtsgelehrten, der unter Kaiſer Karl dem
fünften in Mecheln die Stelle eines Präſidenten
des ſouveränen Raths von Holland und Seeland be-
kleidete, ſchon früh der Rechtswiſſenſchaft geweiht
worden. Wirklich hatte er ſich in derſelben auch
ſchon im ein und zwanzigſten Jahre den Doctor-
Hut erworben, doch ſein innerer Beruf führte
ihn der Poeſie und der bildenden Kunſt zu, über
welche er gern die Pandekten und den Kaiſer Ju-
ſtinian vergaß. Gelungne Verſuche im Zeichnen,
im Kupferſtechen, vor Allem aber in kleinen Arbei-
ten aus Alabaſter füllten die Stunden ſeiner Muſe
aus. Schoreels Aufmerkſamkeit ward durch dieſe
vielleicht zuerſt dem Jüngling zugewendet, doch
ſein Geiſt, ſeine Lieder, vor Allem ſein in treuer
Liebe glühendes Herz mußten ihm in kurzer Zeit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0083" n="73"/>
mit ihm lebten, zeichnete Schoreels Neigung be&#x017F;on-<lb/>
ders den jungen Johannes Everard aus, einen der<lb/>
gei&#x017F;treich&#x017F;ten, anmuthig&#x017F;ten Dichter &#x017F;einer Zeit,<lb/>
und auch der un&#x017F;ern unter dem Namen Johannes<lb/>
Sekundus allbekannt. Die&#x017F;er war im Jahr 1511<lb/>
im Haag geboren, und von &#x017F;einem Vater, einem<lb/>
großen Rechtsgelehrten, der unter Kai&#x017F;er Karl dem<lb/>
fünften in Mecheln die Stelle eines Prä&#x017F;identen<lb/>
des &#x017F;ouveränen Raths von Holland und Seeland be-<lb/>
kleidete, &#x017F;chon früh der Rechtswi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft geweiht<lb/>
worden. Wirklich hatte er &#x017F;ich in der&#x017F;elben auch<lb/>
&#x017F;chon im ein und zwanzig&#x017F;ten Jahre den Doctor-<lb/>
Hut erworben, doch &#x017F;ein innerer Beruf führte<lb/>
ihn der Poe&#x017F;ie und der bildenden Kun&#x017F;t zu, über<lb/>
welche er gern die Pandekten und den Kai&#x017F;er Ju-<lb/>
&#x017F;tinian vergaß. Gelungne Ver&#x017F;uche im Zeichnen,<lb/>
im Kupfer&#x017F;techen, vor Allem aber in kleinen Arbei-<lb/>
ten aus Alaba&#x017F;ter füllten die Stunden &#x017F;einer Mu&#x017F;e<lb/>
aus. Schoreels Aufmerk&#x017F;amkeit ward durch die&#x017F;e<lb/>
vielleicht zuer&#x017F;t dem Jüngling zugewendet, doch<lb/>
&#x017F;ein Gei&#x017F;t, &#x017F;eine Lieder, vor Allem &#x017F;ein in treuer<lb/>
Liebe glühendes Herz mußten ihm in kurzer Zeit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[73/0083] mit ihm lebten, zeichnete Schoreels Neigung beſon- ders den jungen Johannes Everard aus, einen der geiſtreichſten, anmuthigſten Dichter ſeiner Zeit, und auch der unſern unter dem Namen Johannes Sekundus allbekannt. Dieſer war im Jahr 1511 im Haag geboren, und von ſeinem Vater, einem großen Rechtsgelehrten, der unter Kaiſer Karl dem fünften in Mecheln die Stelle eines Präſidenten des ſouveränen Raths von Holland und Seeland be- kleidete, ſchon früh der Rechtswiſſenſchaft geweiht worden. Wirklich hatte er ſich in derſelben auch ſchon im ein und zwanzigſten Jahre den Doctor- Hut erworben, doch ſein innerer Beruf führte ihn der Poeſie und der bildenden Kunſt zu, über welche er gern die Pandekten und den Kaiſer Ju- ſtinian vergaß. Gelungne Verſuche im Zeichnen, im Kupferſtechen, vor Allem aber in kleinen Arbei- ten aus Alabaſter füllten die Stunden ſeiner Muſe aus. Schoreels Aufmerkſamkeit ward durch dieſe vielleicht zuerſt dem Jüngling zugewendet, doch ſein Geiſt, ſeine Lieder, vor Allem ſein in treuer Liebe glühendes Herz mußten ihm in kurzer Zeit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/83
Zitationshilfe: Schopenhauer, Johanna: Johann van Eyck und seine Nachfolger. Bd. 2. Frankfurt (Main), 1822, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schopenhauer_eyck02_1822/83>, abgerufen am 21.11.2024.