Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite

Füßen wankte und daß, wenn er nicht einen schnellen
Entschluß faßte, sein Reich bald ein Ende haben
würde. Er berief also seine Mormons zusammen und
erklärte ihnen, der Allmächtige habe ihm geboten, im
Nordosten, im Staate Jllinois, einen großen Tempel
zu erbauen und für seine Getreuen das ihnen von
vorn herein verheißene große Reich, zunächst aber eine
Stadt zu gründen, deren Name Nauvoo seyn sollte,
und er fordre sie daher auf, ihm dahin zu folgen,
wohin Gottes Stimme sie riefe.

Keiner wagte es, sich dem vermeintlichen gött-
lichen Befehle zu widersetzen. Jn Kurzem war alles
unbewegliche Gut verkauft, das bewegliche auf Karren
und Wägen geladen und fort ging es, der neuen
Heimath zu. Man fand am linken Ufer des Missi-
sippi, da wo der Des Moines in denselben mündet,
eine zwar noch völlig uncultivirte Gegend, aber einen
reichen Boden und, da dieser Theil des Staates seit-
her nur von den Thieren der Wildniß bewohnt ge-
wesen war, kein Hinderniß der Ansiedelung.

Jn der ersten Zeit hatten die Colonisten freilich
mit Mühseligkeiten und Entbehrungen aller Art zu
kämpfen; allein sie scheuten, Fanatiker wie sie waren,
weder die einen noch die andern, da sie ein Gott
wohlgefälliges Werk zu betreiben wähnten, und so
stiegen bald mehre Hundert Hütten und Blockhäuser

Füßen wankte und daß, wenn er nicht einen ſchnellen
Entſchluß faßte, ſein Reich bald ein Ende haben
würde. Er berief alſo ſeine Mormons zuſammen und
erklärte ihnen, der Allmächtige habe ihm geboten, im
Nordoſten, im Staate Jllinois, einen großen Tempel
zu erbauen und für ſeine Getreuen das ihnen von
vorn herein verheißene große Reich, zunächſt aber eine
Stadt zu gründen, deren Name Nauvoo ſeyn ſollte,
und er fordre ſie daher auf, ihm dahin zu folgen,
wohin Gottes Stimme ſie riefe.

Keiner wagte es, ſich dem vermeintlichen gött-
lichen Befehle zu widerſetzen. Jn Kurzem war alles
unbewegliche Gut verkauft, das bewegliche auf Karren
und Wägen geladen und fort ging es, der neuen
Heimath zu. Man fand am linken Ufer des Miſſi-
ſippi, da wo der Des Moines in denſelben mündet,
eine zwar noch völlig uncultivirte Gegend, aber einen
reichen Boden und, da dieſer Theil des Staates ſeit-
her nur von den Thieren der Wildniß bewohnt ge-
weſen war, kein Hinderniß der Anſiedelung.

Jn der erſten Zeit hatten die Coloniſten freilich
mit Mühſeligkeiten und Entbehrungen aller Art zu
kämpfen; allein ſie ſcheuten, Fanatiker wie ſie waren,
weder die einen noch die andern, da ſie ein Gott
wohlgefälliges Werk zu betreiben wähnten, und ſo
ſtiegen bald mehre Hundert Hütten und Blockhäuſer

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="68"/>
Füßen wankte und daß, wenn er nicht einen &#x017F;chnellen<lb/>
Ent&#x017F;chluß faßte, &#x017F;ein Reich bald ein Ende haben<lb/>
würde. Er berief al&#x017F;o &#x017F;eine Mormons zu&#x017F;ammen und<lb/>
erklärte ihnen, der Allmächtige habe ihm geboten, im<lb/>
Nordo&#x017F;ten, im Staate Jllinois, einen großen Tempel<lb/>
zu erbauen und für &#x017F;eine Getreuen das ihnen von<lb/>
vorn herein verheißene große Reich, zunäch&#x017F;t aber eine<lb/>
Stadt zu gründen, deren Name Nauvoo &#x017F;eyn &#x017F;ollte,<lb/>
und er fordre &#x017F;ie daher auf, ihm dahin zu folgen,<lb/>
wohin Gottes Stimme &#x017F;ie riefe.</p><lb/>
        <p>Keiner wagte es, &#x017F;ich dem vermeintlichen gött-<lb/>
lichen Befehle zu wider&#x017F;etzen. Jn Kurzem war alles<lb/>
unbewegliche Gut verkauft, das bewegliche auf Karren<lb/>
und Wägen geladen und fort ging es, der neuen<lb/>
Heimath zu. Man fand am linken Ufer des Mi&#x017F;&#x017F;i-<lb/>
&#x017F;ippi, da wo der Des Moines in den&#x017F;elben mündet,<lb/>
eine zwar noch völlig uncultivirte Gegend, aber einen<lb/>
reichen Boden und, da die&#x017F;er Theil des Staates &#x017F;eit-<lb/>
her nur von den Thieren der Wildniß bewohnt ge-<lb/>
we&#x017F;en war, kein Hinderniß der An&#x017F;iedelung.</p><lb/>
        <p>Jn der er&#x017F;ten Zeit hatten die Coloni&#x017F;ten freilich<lb/>
mit Müh&#x017F;eligkeiten und Entbehrungen aller Art zu<lb/>
kämpfen; allein &#x017F;ie &#x017F;cheuten, Fanatiker wie &#x017F;ie waren,<lb/>
weder die einen noch die andern, da &#x017F;ie ein Gott<lb/>
wohlgefälliges Werk zu betreiben wähnten, und &#x017F;o<lb/>
&#x017F;tiegen bald mehre Hundert Hütten und Blockhäu&#x017F;er<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[68/0076] Füßen wankte und daß, wenn er nicht einen ſchnellen Entſchluß faßte, ſein Reich bald ein Ende haben würde. Er berief alſo ſeine Mormons zuſammen und erklärte ihnen, der Allmächtige habe ihm geboten, im Nordoſten, im Staate Jllinois, einen großen Tempel zu erbauen und für ſeine Getreuen das ihnen von vorn herein verheißene große Reich, zunächſt aber eine Stadt zu gründen, deren Name Nauvoo ſeyn ſollte, und er fordre ſie daher auf, ihm dahin zu folgen, wohin Gottes Stimme ſie riefe. Keiner wagte es, ſich dem vermeintlichen gött- lichen Befehle zu widerſetzen. Jn Kurzem war alles unbewegliche Gut verkauft, das bewegliche auf Karren und Wägen geladen und fort ging es, der neuen Heimath zu. Man fand am linken Ufer des Miſſi- ſippi, da wo der Des Moines in denſelben mündet, eine zwar noch völlig uncultivirte Gegend, aber einen reichen Boden und, da dieſer Theil des Staates ſeit- her nur von den Thieren der Wildniß bewohnt ge- weſen war, kein Hinderniß der Anſiedelung. Jn der erſten Zeit hatten die Coloniſten freilich mit Mühſeligkeiten und Entbehrungen aller Art zu kämpfen; allein ſie ſcheuten, Fanatiker wie ſie waren, weder die einen noch die andern, da ſie ein Gott wohlgefälliges Werk zu betreiben wähnten, und ſo ſtiegen bald mehre Hundert Hütten und Blockhäuſer

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/76
Zitationshilfe: Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 1. Jena, 1846, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet01_1846/76>, abgerufen am 04.12.2024.