Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 2. Jena, 1846.hatte nie zuvor Leichen gesehen; ich fürchtete mich im- -- "Schien sie ruhig gestorben zu seyn? oder -- "Jch glaubte, daß sie schliefe, so ruhig lag -- "Lassen wir dieses Thema fallen," nahm der II. 6
hatte nie zuvor Leichen geſehen; ich fürchtete mich im- — „Schien ſie ruhig geſtorben zu ſeyn? oder — „Jch glaubte, daß ſie ſchliefe, ſo ruhig lag — „Laſſen wir dieſes Thema fallen,“ nahm der II. 6
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0087" n="81"/> hatte nie zuvor Leichen geſehen; ich fürchtete mich im-<lb/> mer davor; ich ſchaudre noch jetzt beim Andenken an<lb/> den Augenblick, wo ich, als Dina am Morgen nicht<lb/> erſchienen war, in der Meinung, daß ſie kränker ge-<lb/> worden ſei, in ihre Kammer ging, um zu ſehen, wie<lb/> es um ſie ſtände, und ſie entſeelt fand.“</p><lb/> <p>— „Schien ſie ruhig geſtorben zu ſeyn? oder<lb/> verriethen ihre Geſichtszüge, daß ſie einen harten<lb/> Kampf gekämpft habe?“ fragte Arnold, der nur mit<lb/> der größeſten Anſtrengung ſeine innere Bewegtheit vor<lb/> den Blicken Derer zu verbergen vermochte, vor denen<lb/> er ſie nicht zeigen wollte.</p><lb/> <p>— „Jch glaubte, daß ſie ſchliefe, ſo ruhig lag<lb/> ſie da,“ war Mariens Antwort. „Die Bläſſe ihres<lb/> Geſichts konnte mir nicht auffallen, da ſie, beſonders<lb/> in der letzten Zeit, immer ausſah, als ſei ſie aus<lb/> dem Grabe erſtanden; ich wurde erſt gewahr, daß ſie<lb/> todt ſei, als ich mit meiner Hand ihre marmorkalte<lb/> berührte und in ihr halbgeſchloſſenes, mich ſtarr an-<lb/> blickendes Auge ſah. O, es iſt etwas Entſetzliches<lb/> um ein Auge, das noch blickt, ohne mehr zu ſehen,“<lb/> fügte ſie zuſammenſchaudernd hinzu, „und nie, nie<lb/> will ich wieder mit Leichen zu thun haben!“</p><lb/> <p>— „Laſſen wir dieſes Thema fallen,“ nahm der<lb/> Prophet das Wort: „es greift dich zu ſehr an, mein<lb/> armes Kind,“ fügte er, Marie zärtlich anblickend, hinzu.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">II.</hi> 6</fw><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [81/0087]
hatte nie zuvor Leichen geſehen; ich fürchtete mich im-
mer davor; ich ſchaudre noch jetzt beim Andenken an
den Augenblick, wo ich, als Dina am Morgen nicht
erſchienen war, in der Meinung, daß ſie kränker ge-
worden ſei, in ihre Kammer ging, um zu ſehen, wie
es um ſie ſtände, und ſie entſeelt fand.“
— „Schien ſie ruhig geſtorben zu ſeyn? oder
verriethen ihre Geſichtszüge, daß ſie einen harten
Kampf gekämpft habe?“ fragte Arnold, der nur mit
der größeſten Anſtrengung ſeine innere Bewegtheit vor
den Blicken Derer zu verbergen vermochte, vor denen
er ſie nicht zeigen wollte.
— „Jch glaubte, daß ſie ſchliefe, ſo ruhig lag
ſie da,“ war Mariens Antwort. „Die Bläſſe ihres
Geſichts konnte mir nicht auffallen, da ſie, beſonders
in der letzten Zeit, immer ausſah, als ſei ſie aus
dem Grabe erſtanden; ich wurde erſt gewahr, daß ſie
todt ſei, als ich mit meiner Hand ihre marmorkalte
berührte und in ihr halbgeſchloſſenes, mich ſtarr an-
blickendes Auge ſah. O, es iſt etwas Entſetzliches
um ein Auge, das noch blickt, ohne mehr zu ſehen,“
fügte ſie zuſammenſchaudernd hinzu, „und nie, nie
will ich wieder mit Leichen zu thun haben!“
— „Laſſen wir dieſes Thema fallen,“ nahm der
Prophet das Wort: „es greift dich zu ſehr an, mein
armes Kind,“ fügte er, Marie zärtlich anblickend, hinzu.
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