Züge des Sterbenden veränderten sich plötzlich so, daß Arnold schaudernd zurückbebte und die Worte ihm auf den Lippen erstarben. Nur noch ein tiefer Athemzug, und der Mann war nicht mehr, welcher vielleicht der neuen Welt eine ganz andere Gestalt gegeben haben würde, wenn der Tod seinen großen Plänen nicht ein Ziel gesetzt hätte.
Lange, lange stand Arnold noch neben der Leiche seines Vaters. Er war tief erschüttert und erst in diesem Augenblick regte sich das Gefühl der Liebe für den Geschiedenen auch in seinem Herzen; denn: "Der Tod hat eine reinigende Kraft! Da löschen alle Zornesflammen aus" .... und so erging es auch unserm Freunde. Wie hatte er diesen Mann, so lange noch Athem und Leben in seiner Brust war, so lange er noch in das Leben Anderer feindlich und zerstörend in seiner ungemes- senen Selbstsucht eingreifen konnte, nicht gehaßt und verachtet; wie hatte selbst die Stimme der Natur, die in dem Geschiedenen, trotz seiner innern Ver- derbtheit, so laut geredet, in seinem Herzen sich keinen Augenblick geltend gemacht; wie kalt, mit
Züge des Sterbenden veränderten ſich plötzlich ſo, daß Arnold ſchaudernd zurückbebte und die Worte ihm auf den Lippen erſtarben. Nur noch ein tiefer Athemzug, und der Mann war nicht mehr, welcher vielleicht der neuen Welt eine ganz andere Geſtalt gegeben haben würde, wenn der Tod ſeinen großen Plänen nicht ein Ziel geſetzt hätte.
Lange, lange ſtand Arnold noch neben der Leiche ſeines Vaters. Er war tief erſchüttert und erſt in dieſem Augenblick regte ſich das Gefühl der Liebe für den Geſchiedenen auch in ſeinem Herzen; denn: „Der Tod hat eine reinigende Kraft! Da löſchen alle Zornesflammen aus“ .... und ſo erging es auch unſerm Freunde. Wie hatte er dieſen Mann, ſo lange noch Athem und Leben in ſeiner Bruſt war, ſo lange er noch in das Leben Anderer feindlich und zerſtörend in ſeiner ungemeſ- ſenen Selbſtſucht eingreifen konnte, nicht gehaßt und verachtet; wie hatte ſelbſt die Stimme der Natur, die in dem Geſchiedenen, trotz ſeiner innern Ver- derbtheit, ſo laut geredet, in ſeinem Herzen ſich keinen Augenblick geltend gemacht; wie kalt, mit
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0187"n="181"/>
Züge des Sterbenden veränderten ſich plötzlich ſo,<lb/>
daß Arnold ſchaudernd zurückbebte und die Worte<lb/>
ihm auf den Lippen erſtarben. Nur noch <hirendition="#g">ein</hi> tiefer<lb/>
Athemzug, und der Mann war nicht mehr, welcher<lb/>
vielleicht der neuen Welt eine ganz andere Geſtalt<lb/>
gegeben haben würde, wenn der Tod ſeinen großen<lb/>
Plänen nicht ein Ziel geſetzt hätte.</p><lb/><p>Lange, lange ſtand Arnold noch neben der<lb/>
Leiche ſeines Vaters. Er war tief erſchüttert und<lb/>
erſt in dieſem Augenblick regte ſich das Gefühl der<lb/>
Liebe für den Geſchiedenen auch in ſeinem Herzen;<lb/>
denn:<lb/><hirendition="#et">„Der Tod hat eine reinigende Kraft!<lb/>
Da löſchen alle Zornesflammen aus“ ....</hi><lb/>
und ſo erging es auch unſerm Freunde. Wie hatte<lb/>
er dieſen Mann, ſo lange noch Athem und Leben<lb/>
in ſeiner Bruſt war, ſo lange er noch in das Leben<lb/>
Anderer feindlich und zerſtörend in ſeiner ungemeſ-<lb/>ſenen Selbſtſucht eingreifen konnte, nicht gehaßt und<lb/>
verachtet; wie hatte ſelbſt die Stimme der Natur,<lb/>
die in dem Geſchiedenen, trotz ſeiner innern Ver-<lb/>
derbtheit, ſo laut geredet, in ſeinem Herzen ſich<lb/>
keinen Augenblick geltend gemacht; wie kalt, mit<lb/></p></div></body></text></TEI>
[181/0187]
Züge des Sterbenden veränderten ſich plötzlich ſo,
daß Arnold ſchaudernd zurückbebte und die Worte
ihm auf den Lippen erſtarben. Nur noch ein tiefer
Athemzug, und der Mann war nicht mehr, welcher
vielleicht der neuen Welt eine ganz andere Geſtalt
gegeben haben würde, wenn der Tod ſeinen großen
Plänen nicht ein Ziel geſetzt hätte.
Lange, lange ſtand Arnold noch neben der
Leiche ſeines Vaters. Er war tief erſchüttert und
erſt in dieſem Augenblick regte ſich das Gefühl der
Liebe für den Geſchiedenen auch in ſeinem Herzen;
denn:
„Der Tod hat eine reinigende Kraft!
Da löſchen alle Zornesflammen aus“ ....
und ſo erging es auch unſerm Freunde. Wie hatte
er dieſen Mann, ſo lange noch Athem und Leben
in ſeiner Bruſt war, ſo lange er noch in das Leben
Anderer feindlich und zerſtörend in ſeiner ungemeſ-
ſenen Selbſtſucht eingreifen konnte, nicht gehaßt und
verachtet; wie hatte ſelbſt die Stimme der Natur,
die in dem Geſchiedenen, trotz ſeiner innern Ver-
derbtheit, ſo laut geredet, in ſeinem Herzen ſich
keinen Augenblick geltend gemacht; wie kalt, mit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schoppe, Amalie: Der Prophet. Bd. 3. Jena, 1846, S. 181. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schoppe_prophet03_1846/187>, abgerufen am 19.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.