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Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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diese Furcht macht es mir unmöglich, die Geige je wieder in die Hand zu nehmen. -- Nicht doch! rief Gretchen lächelnd. -- Ich weiß, was ich sage! antwortete Max sehr bestimmt; die disharmonischen Töne, die uns heute so viel zu lachen machten, werden oft noch recht ernsthaft in mir nachklingen. -- Sieh, sich! sagte ich leise für mich, das ist eine Zartheit, die ich dem jungen Forstmanne kaum zugetraut hätte!

Wir fuhren schon frühzeitig zum Kirchweihfest. Max hatte seine Forstuniform angezogen und saß, neben unserer Kalesche herreitend, recht stattlich auf seinem Pferde. Auf halbem Wege kam uns ein Zug von Bauernjungen mit einer bunt ausgeschmückten Kirchweihstange entgegen, um welche sie fröhlich herumsprangen, lärmten und musicirten. Der Weg war nicht der beste und verengte sich gerade, wo wir mit dem Zuge zusammentrafen. Max wollte ausweichen und über einen Graben am Fahrwege setzen. Da wurde sein Roß scheu und machte einen falschen Sprung, so daß er zu stürzen drohte. -- Ach! hörte ich Gretchen erschreckt ausrufen; aber der Angstschrei lös'te sich in ein Lächeln der Zufriedenheit aus, denn der junge Mann saß fest und sicher und sah von seinem beruhigten Gaule munter nach uns zurück. -- Er ist ein geschickter Reiter, sagte sie mit merklichem Wohlgefallen. -- Und sieht recht gut aus, setzt' ich hinzu; nicht wahr, Gretchen? -- Sie wurde roth, oder ich bildete es mir wenigstens ein. -- Paul hat Recht, dachte ich; der verdammte Junge ist wirklich bildschön!

diese Furcht macht es mir unmöglich, die Geige je wieder in die Hand zu nehmen. — Nicht doch! rief Gretchen lächelnd. — Ich weiß, was ich sage! antwortete Max sehr bestimmt; die disharmonischen Töne, die uns heute so viel zu lachen machten, werden oft noch recht ernsthaft in mir nachklingen. — Sieh, sich! sagte ich leise für mich, das ist eine Zartheit, die ich dem jungen Forstmanne kaum zugetraut hätte!

Wir fuhren schon frühzeitig zum Kirchweihfest. Max hatte seine Forstuniform angezogen und saß, neben unserer Kalesche herreitend, recht stattlich auf seinem Pferde. Auf halbem Wege kam uns ein Zug von Bauernjungen mit einer bunt ausgeschmückten Kirchweihstange entgegen, um welche sie fröhlich herumsprangen, lärmten und musicirten. Der Weg war nicht der beste und verengte sich gerade, wo wir mit dem Zuge zusammentrafen. Max wollte ausweichen und über einen Graben am Fahrwege setzen. Da wurde sein Roß scheu und machte einen falschen Sprung, so daß er zu stürzen drohte. — Ach! hörte ich Gretchen erschreckt ausrufen; aber der Angstschrei lös'te sich in ein Lächeln der Zufriedenheit aus, denn der junge Mann saß fest und sicher und sah von seinem beruhigten Gaule munter nach uns zurück. — Er ist ein geschickter Reiter, sagte sie mit merklichem Wohlgefallen. — Und sieht recht gut aus, setzt' ich hinzu; nicht wahr, Gretchen? — Sie wurde roth, oder ich bildete es mir wenigstens ein. — Paul hat Recht, dachte ich; der verdammte Junge ist wirklich bildschön!

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[0069] diese Furcht macht es mir unmöglich, die Geige je wieder in die Hand zu nehmen. — Nicht doch! rief Gretchen lächelnd. — Ich weiß, was ich sage! antwortete Max sehr bestimmt; die disharmonischen Töne, die uns heute so viel zu lachen machten, werden oft noch recht ernsthaft in mir nachklingen. — Sieh, sich! sagte ich leise für mich, das ist eine Zartheit, die ich dem jungen Forstmanne kaum zugetraut hätte! Wir fuhren schon frühzeitig zum Kirchweihfest. Max hatte seine Forstuniform angezogen und saß, neben unserer Kalesche herreitend, recht stattlich auf seinem Pferde. Auf halbem Wege kam uns ein Zug von Bauernjungen mit einer bunt ausgeschmückten Kirchweihstange entgegen, um welche sie fröhlich herumsprangen, lärmten und musicirten. Der Weg war nicht der beste und verengte sich gerade, wo wir mit dem Zuge zusammentrafen. Max wollte ausweichen und über einen Graben am Fahrwege setzen. Da wurde sein Roß scheu und machte einen falschen Sprung, so daß er zu stürzen drohte. — Ach! hörte ich Gretchen erschreckt ausrufen; aber der Angstschrei lös'te sich in ein Lächeln der Zufriedenheit aus, denn der junge Mann saß fest und sicher und sah von seinem beruhigten Gaule munter nach uns zurück. — Er ist ein geschickter Reiter, sagte sie mit merklichem Wohlgefallen. — Und sieht recht gut aus, setzt' ich hinzu; nicht wahr, Gretchen? — Sie wurde roth, oder ich bildete es mir wenigstens ein. — Paul hat Recht, dachte ich; der verdammte Junge ist wirklich bildschön!

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:30:04Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Schreyvogel, Joseph: Samuel Brinks letzte Liebesgeschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–94. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schreyvogel_liebesgeschichte_1910/69>, abgerufen am 17.05.2024.