Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 1. Leipzig, 1890.Einleitung. unvollendet bleibt, und mehr nur im Zeichen als in dieser selbst ge-dacht wird. Nur zu einem verschwindend geringen Teile aber besteht ein angeb- Solches ist ja in der That bekanntlich der Fall bei den sogenannten Der sprachenbildende Geist knüpft überhaupt das Zeichen an eine Der Laut schlägt diejenige Vorstellung in uns an, welche sich *) Die meisten wol der hier (zum Teil auch vielfach anderwärts) als solche
angeführten Onomatopoetica werden in den Augen eines gründlichen Sprach- forschers unechte sein. In seinem berühmten Werke macht Herr Max Müller1, 2 darauf aufmerksam, wie leicht man sich in dieser Hinsicht täuscht und wie die Mehrzahl der vermeintlich aus Klangnachbildung hervorgegangenen Wörter auf ganz andere Quelle zurückzuführen ist, sodass nur ganz wenige -- darunter z. B. das Wort "Kuckuck" -- als zweifelloses Onomatopoeticon übrig bleiben. Speziell führt er an, dass unser "Donner", "tonerre", "tonitru" etc. von derselben Sanscrit- wurzel "tan" = strecken, spannen (dehnen?) abstammt, die auch im "Ton" der gespannten Saite, sowie in "tendre", lat "tener" etc. und in "tenuis", "dünn" (ursprünglich = flach ausgespannt) zu finden! Und anderes mehr. Allein wenn auch bei der Zusammensetzung der Wurzeln, aus der ein Wort hervorgegangen, das onomatopoetische Prinzip nachweislich nicht bestimmend ge- wesen, so könnte es, scheint mir, doch mit von Einfluss gewesen sein bei dem Prozesse der nachherigen Abschleifung (M. Müller's "lautlichem Verfalle" oder der "phonetischen Korruption"), durch die schliesslich das Wort seine gegenwärtige Gestalt erhalten. Jedenfalls empfinden wir, die wir die fertige Sprache sprechen, solche onomatopoetische Anklänge, glauben sie herauszufühlen, ganz unbekümmert um die historische Berechtigung dieser Empfindung. Einleitung. unvollendet bleibt, und mehr nur im Zeichen als in dieser selbst ge-dacht wird. Nur zu einem verschwindend geringen Teile aber besteht ein angeb- Solches ist ja in der That bekanntlich der Fall bei den sogenannten Der sprachenbildende Geist knüpft überhaupt das Zeichen an eine Der Laut schlägt diejenige Vorstellung in uns an, welche sich *) Die meisten wol der hier (zum Teil auch vielfach anderwärts) als solche
angeführten Onomatopoetica werden in den Augen eines gründlichen Sprach- forschers unechte sein. In seinem berühmten Werke macht Herr Max Müller1, 2 darauf aufmerksam, wie leicht man sich in dieser Hinsicht täuscht und wie die Mehrzahl der vermeintlich aus Klangnachbildung hervorgegangenen Wörter auf ganz andere Quelle zurückzuführen ist, sodass nur ganz wenige — darunter z. B. das Wort „Kuckuck“ — als zweifelloses Onomatopoeticon übrig bleiben. Speziell führt er an, dass unser „Donner“, „tonerre“, „tonitru“ etc. von derselben Sanscrit- wurzel „tan“ = strecken, spannen (dehnen?) abstammt, die auch im „Ton“ der gespannten Saite, sowie in „tendre“, lat „tener“ etc. und in „tenuis“, „dünn“ (ursprünglich = flach ausgespannt) zu finden! Und anderes mehr. Allein wenn auch bei der Zusammensetzung der Wurzeln, aus der ein Wort hervorgegangen, das onomatopoetische Prinzip nachweislich nicht bestimmend ge- wesen, so könnte es, scheint mir, doch mit von Einfluss gewesen sein bei dem Prozesse der nachherigen Abschleifung (M. Müller's „lautlichem Verfalle“ oder der „phonetischen Korruption“), durch die schliesslich das Wort seine gegenwärtige Gestalt erhalten. Jedenfalls empfinden wir, die wir die fertige Sprache sprechen, solche onomatopoetische Anklänge, glauben sie herauszufühlen, ganz unbekümmert um die historische Berechtigung dieser Empfindung. <TEI> <text> <front> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0066" n="46"/><fw place="top" type="header">Einleitung.</fw><lb/> unvollendet bleibt, und mehr nur im Zeichen als in dieser selbst ge-<lb/> dacht wird.</p><lb/> <p>Nur zu einem verschwindend geringen Teile aber besteht ein angeb-<lb/> barer Zusammenhang zwischen diesem Zeichen und dem Bezeichneten,<lb/> zwischen dem Wortlaut des Namens und dem Inhalt der Vorstellung<lb/> oder demjenigen, was der Name benennen soll (<hi rendition="#g">Trendelenburg</hi> l. c.).</p><lb/> <p>Solches ist ja in der That bekanntlich der Fall bei den sogenannten<lb/><hi rendition="#i">„Onomatopoetica“,</hi> die z. B. mit dem Klange des Namens eine Schallwirkung<lb/> des zu benennenden Dinges nachahmen, wie die Hauptwörter: Rabe<note place="foot" n="*)">Die meisten wol der hier (zum Teil auch vielfach anderwärts) als solche<lb/> angeführten Onomatopoetica werden in den Augen eines gründlichen Sprach-<lb/> forschers unechte sein. In seinem berühmten Werke macht Herr <hi rendition="#g">Max Müller</hi><hi rendition="#sup">1, 2</hi><lb/> darauf aufmerksam, wie leicht man sich in dieser Hinsicht täuscht und wie die<lb/> Mehrzahl der vermeintlich aus Klangnachbildung hervorgegangenen Wörter auf<lb/> ganz andere Quelle zurückzuführen ist, sodass nur ganz wenige — darunter z. B.<lb/> das Wort „Kuckuck“ — als zweifelloses Onomatopoeticon übrig bleiben. Speziell<lb/> führt er an, dass unser „Donner“, „tonerre“, „tonitru“ etc. von derselben Sanscrit-<lb/> wurzel <hi rendition="#i">„tan“</hi> = strecken, spannen (<hi rendition="#i">dehnen</hi>?) abstammt, die auch im „Ton“ der<lb/> gespannten Saite, sowie in „tendre“, lat „tener“ etc. und in „tenuis“, „dünn“<lb/> (ursprünglich = flach ausgespannt) zu finden! Und anderes mehr.<lb/> Allein wenn auch bei der Zusammensetzung der Wurzeln, aus der ein Wort<lb/> hervorgegangen, das onomatopoetische Prinzip nachweislich nicht bestimmend ge-<lb/> wesen, so könnte es, scheint mir, doch mit von Einfluss gewesen sein bei dem<lb/> Prozesse der nachherigen Abschleifung (M. <hi rendition="#g">Müller</hi>'s „lautlichem Verfalle“ oder<lb/> der „phonetischen Korruption“), durch die schliesslich das Wort seine gegenwärtige<lb/> Gestalt erhalten. Jedenfalls empfinden wir, die wir die fertige Sprache sprechen,<lb/> solche onomatopoetische Anklänge, glauben sie herauszufühlen, ganz unbekümmert<lb/> um die historische Berechtigung dieser Empfindung.</note>, Knall,<lb/> Donner und andere, wie die Zeitwörter: meckern, miauen, zirpen, rollen etc.<lb/> Auch manche Interjektionen, wie patsch, plumps, knak, könnten hierzu an-<lb/> geführt werden. Bei dem Wort „Blitz“ sollte man meinen, dass die Plötzlich-<lb/> keit und Kürze der betreffenden Lichterscheinung durch die Kürze der Silbe<lb/> angedeutet werde. Und um z. B. das griechische Wort <hi rendition="#i">βδέλλα</hi> für Blutegel<lb/> auszusprechen, müssen die Lippen eine saugende Bewegung andeuten etc. etc.</p><lb/> <p>Der sprachenbildende Geist knüpft überhaupt das Zeichen an eine<lb/> hervorstechende Seite der Sache an; aber die Anknüpfung an den Inhalt<lb/> des unter dem Zeichen Begriffenen ist einseitig und zufällig, gestattet keinen<lb/> hinreichend bestimmten Rückschluss auf den vollen Inhalt, das ganze Wesen<lb/> desselben. Das andeutende Gepräge des Zeichens schleift sich überdies mit<lb/> der Zeit ab, und die ursprüngliche Marke ist in ganzen Sprachen verwischt.<lb/> Die verschiedenen Sprachen bezeichnen in der That dasselbe Ding auch mit<lb/> den verschiedensten Wörtern.</p><lb/> <p>Der Laut schlägt diejenige Vorstellung in uns an, welche sich<lb/><hi rendition="#i">mit blinder Gewöhnung</hi>, aber nicht mit unterscheidendem Bewusstsein,<lb/> welche sich faktisch, aber nicht <hi rendition="#i">logisch</hi> in <hi rendition="#i">dies</hi> Zeichen und in kein<lb/></p> </div> </div> </front> </text> </TEI> [46/0066]
Einleitung.
unvollendet bleibt, und mehr nur im Zeichen als in dieser selbst ge-
dacht wird.
Nur zu einem verschwindend geringen Teile aber besteht ein angeb-
barer Zusammenhang zwischen diesem Zeichen und dem Bezeichneten,
zwischen dem Wortlaut des Namens und dem Inhalt der Vorstellung
oder demjenigen, was der Name benennen soll (Trendelenburg l. c.).
Solches ist ja in der That bekanntlich der Fall bei den sogenannten
„Onomatopoetica“, die z. B. mit dem Klange des Namens eine Schallwirkung
des zu benennenden Dinges nachahmen, wie die Hauptwörter: Rabe *), Knall,
Donner und andere, wie die Zeitwörter: meckern, miauen, zirpen, rollen etc.
Auch manche Interjektionen, wie patsch, plumps, knak, könnten hierzu an-
geführt werden. Bei dem Wort „Blitz“ sollte man meinen, dass die Plötzlich-
keit und Kürze der betreffenden Lichterscheinung durch die Kürze der Silbe
angedeutet werde. Und um z. B. das griechische Wort βδέλλα für Blutegel
auszusprechen, müssen die Lippen eine saugende Bewegung andeuten etc. etc.
Der sprachenbildende Geist knüpft überhaupt das Zeichen an eine
hervorstechende Seite der Sache an; aber die Anknüpfung an den Inhalt
des unter dem Zeichen Begriffenen ist einseitig und zufällig, gestattet keinen
hinreichend bestimmten Rückschluss auf den vollen Inhalt, das ganze Wesen
desselben. Das andeutende Gepräge des Zeichens schleift sich überdies mit
der Zeit ab, und die ursprüngliche Marke ist in ganzen Sprachen verwischt.
Die verschiedenen Sprachen bezeichnen in der That dasselbe Ding auch mit
den verschiedensten Wörtern.
Der Laut schlägt diejenige Vorstellung in uns an, welche sich
mit blinder Gewöhnung, aber nicht mit unterscheidendem Bewusstsein,
welche sich faktisch, aber nicht logisch in dies Zeichen und in kein
*) Die meisten wol der hier (zum Teil auch vielfach anderwärts) als solche
angeführten Onomatopoetica werden in den Augen eines gründlichen Sprach-
forschers unechte sein. In seinem berühmten Werke macht Herr Max Müller1, 2
darauf aufmerksam, wie leicht man sich in dieser Hinsicht täuscht und wie die
Mehrzahl der vermeintlich aus Klangnachbildung hervorgegangenen Wörter auf
ganz andere Quelle zurückzuführen ist, sodass nur ganz wenige — darunter z. B.
das Wort „Kuckuck“ — als zweifelloses Onomatopoeticon übrig bleiben. Speziell
führt er an, dass unser „Donner“, „tonerre“, „tonitru“ etc. von derselben Sanscrit-
wurzel „tan“ = strecken, spannen (dehnen?) abstammt, die auch im „Ton“ der
gespannten Saite, sowie in „tendre“, lat „tener“ etc. und in „tenuis“, „dünn“
(ursprünglich = flach ausgespannt) zu finden! Und anderes mehr.
Allein wenn auch bei der Zusammensetzung der Wurzeln, aus der ein Wort
hervorgegangen, das onomatopoetische Prinzip nachweislich nicht bestimmend ge-
wesen, so könnte es, scheint mir, doch mit von Einfluss gewesen sein bei dem
Prozesse der nachherigen Abschleifung (M. Müller's „lautlichem Verfalle“ oder
der „phonetischen Korruption“), durch die schliesslich das Wort seine gegenwärtige
Gestalt erhalten. Jedenfalls empfinden wir, die wir die fertige Sprache sprechen,
solche onomatopoetische Anklänge, glauben sie herauszufühlen, ganz unbekümmert
um die historische Berechtigung dieser Empfindung.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |