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Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895.

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§ 23. Übergangsbetrachtung zur vereinfachten Kettentheorie.
begegnen, weshalb ich dann den Leser erst den weiten Weg geführt
und nicht sogleich mit meiner vereinfachten Darstellung hervor-
getreten? Das geschah aus mehrern Gründen.

Gegen einen Vorwurf glaube ich indess in jedem Falle -- mögen die
Gründe Billigung finden oder nicht -- gedeckt zu sein dadurch, dass ja
diejenigen Studirenden, denen das historische Werden dieser Theorie gleich-
gültig sein sollte und die so rasch als möglich nur das Unentbehrliche --
in einfachster Gestalt -- absolviren möchten, sich durch die dem Para-
graphen gegebne Überschrift dahin avertirt finden werden, dass hier der
Anfang überblättert und dem die Vereinfachung verheissenden Schlusse
desselben zugeeilt werden kann.

Vor allem wünschte ich Dedekind's Theorie selbst erst einmal
als solche in einer mir zusagenden Symbolik -- und in ihrer vollen,
die von Dedekind in Anspruch genommene weit überragenden All-
gemeinheit
-- dargestellt und fixirt zu sehen. Dabei sollten einerseits
die Vorzüge unsres so viel ausdrucksvolleren und weiter tragenden Be-
zeichnungsystems recht in die Augen springen, von dem allein ich
überzeugt bin, dass es sich die Herrschaft auf dem wissenschaftlichen
Weltmarkte erringen und diese dauernd behaupten wird. Andrerseits
sollte die Schönheit ebenjener Theorie besser hervortreten, als es mir
bei der Symbolik ihres Urhebers möglich erscheint.

Auch denjenigen Lesern gegenüber, welche etwa sich nur in dieses
Buch einlesen ohne daneben auch Dedekind's Schrift zu studiren, wollte
ich der Dedekind'schen Leistung zu ihrem Rechte verhelfen und sie ihnen
mit zugänglich machen: es muss ersichtlich sein, wie viel durch sie meiner
Vereinfachung der Theorie schon vorgearbeitet ist. Desgleichen sollte den
Mathematikern -- und diese sind zahlreich -- welche sich mehr oder
weniger vollständig durch die Dedekind'sche Schrift "hindurchgewunden"
haben, im Vorstehenden eine Art von "Interlinearübersetzung" eines wich-
tigen Abschnitts derselben an die Hand gegeben werden, vermöge deren
sie rasch mit der ihnen ungewohnten, gleichsam fremdsprachigen Symbolik
der Peirce'schen Disziplin Vertrautheit erwerben können. Nebenbei wollte
ich auch einige Kritik üben und Material zusammentragen, aus welchem
die Hinfälligkeit der Ausstellungen in Hoppe's Kritik ersichtlich werden muss.

Endlich aber bestimmt mich diese Erwägung. Wird auch bald
eine einfache Kettentheorie -- gleichviel ob die unten von mir vor-
getragne, oder eine andre -- die Dedekind'sche wol endgültig ver-
drängen, so bleibt an dieser doch Vieles von mehr als blos historischem
Werte. So vor allem, was die Hauptsache: Formulirung und Beweis
von D 59 (u. 60), wie sie unter 16) S. 366 dargestellt sind, werden
unverändert bestehen bleiben. Für jene, die "Formulirung" des Satzes
der Induktion, ist eine weitre Vereinfachung gar nicht mehr denkbar,
und dieser, der -- solchergestalt abgegrenzte -- "Beweis", lässt eine

§ 23. Übergangsbetrachtung zur vereinfachten Kettentheorie.
begegnen, weshalb ich dann den Leser erst den weiten Weg geführt
und nicht sogleich mit meiner vereinfachten Darstellung hervor-
getreten? Das geschah aus mehrern Gründen.

Gegen einen Vorwurf glaube ich indess in jedem Falle — mögen die
Gründe Billigung finden oder nicht — gedeckt zu sein dadurch, dass ja
diejenigen Studirenden, denen das historische Werden dieser Theorie gleich-
gültig sein sollte und die so rasch als möglich nur das Unentbehrliche —
in einfachster Gestalt — absolviren möchten, sich durch die dem Para-
graphen gegebne Überschrift dahin avertirt finden werden, dass hier der
Anfang überblättert und dem die Vereinfachung verheissenden Schlusse
desselben zugeeilt werden kann.

Vor allem wünschte ich Dedekind’s Theorie selbst erst einmal
als solche in einer mir zusagenden Symbolik — und in ihrer vollen,
die von Dedekind in Anspruch genommene weit überragenden All-
gemeinheit
— dargestellt und fixirt zu sehen. Dabei sollten einerseits
die Vorzüge unsres so viel ausdrucksvolleren und weiter tragenden Be-
zeichnungsystems recht in die Augen springen, von dem allein ich
überzeugt bin, dass es sich die Herrschaft auf dem wissenschaftlichen
Weltmarkte erringen und diese dauernd behaupten wird. Andrerseits
sollte die Schönheit ebenjener Theorie besser hervortreten, als es mir
bei der Symbolik ihres Urhebers möglich erscheint.

Auch denjenigen Lesern gegenüber, welche etwa sich nur in dieses
Buch einlesen ohne daneben auch Dedekind’s Schrift zu studiren, wollte
ich der Dedekind’schen Leistung zu ihrem Rechte verhelfen und sie ihnen
mit zugänglich machen: es muss ersichtlich sein, wie viel durch sie meiner
Vereinfachung der Theorie schon vorgearbeitet ist. Desgleichen sollte den
Mathematikern — und diese sind zahlreich — welche sich mehr oder
weniger vollständig durch die Dedekind’sche Schrift „hindurchgewunden“
haben, im Vorstehenden eine Art von „Interlinearübersetzung“ eines wich-
tigen Abschnitts derselben an die Hand gegeben werden, vermöge deren
sie rasch mit der ihnen ungewohnten, gleichsam fremdsprachigen Symbolik
der Peirce’schen Disziplin Vertrautheit erwerben können. Nebenbei wollte
ich auch einige Kritik üben und Material zusammentragen, aus welchem
die Hinfälligkeit der Ausstellungen in Hoppe’s Kritik ersichtlich werden muss.

Endlich aber bestimmt mich diese Erwägung. Wird auch bald
eine einfache Kettentheorie — gleichviel ob die unten von mir vor-
getragne, oder eine andre — die Dedekind’sche wol endgültig ver-
drängen, so bleibt an dieser doch Vieles von mehr als blos historischem
Werte. So vor allem, was die Hauptsache: Formulirung und Beweis
von D 59 (u. 60), wie sie unter 16) S. 366 dargestellt sind, werden
unverändert bestehen bleiben. Für jene, die „Formulirung“ des Satzes
der Induktion, ist eine weitre Vereinfachung gar nicht mehr denkbar,
und dieser, der — solchergestalt abgegrenzte — „Beweis“, lässt eine

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[377/0391] § 23. Übergangsbetrachtung zur vereinfachten Kettentheorie. begegnen, weshalb ich dann den Leser erst den weiten Weg geführt und nicht sogleich mit meiner vereinfachten Darstellung hervor- getreten? Das geschah aus mehrern Gründen. Gegen einen Vorwurf glaube ich indess in jedem Falle — mögen die Gründe Billigung finden oder nicht — gedeckt zu sein dadurch, dass ja diejenigen Studirenden, denen das historische Werden dieser Theorie gleich- gültig sein sollte und die so rasch als möglich nur das Unentbehrliche — in einfachster Gestalt — absolviren möchten, sich durch die dem Para- graphen gegebne Überschrift dahin avertirt finden werden, dass hier der Anfang überblättert und dem die Vereinfachung verheissenden Schlusse desselben zugeeilt werden kann. Vor allem wünschte ich Dedekind’s Theorie selbst erst einmal als solche in einer mir zusagenden Symbolik — und in ihrer vollen, die von Dedekind in Anspruch genommene weit überragenden All- gemeinheit — dargestellt und fixirt zu sehen. Dabei sollten einerseits die Vorzüge unsres so viel ausdrucksvolleren und weiter tragenden Be- zeichnungsystems recht in die Augen springen, von dem allein ich überzeugt bin, dass es sich die Herrschaft auf dem wissenschaftlichen Weltmarkte erringen und diese dauernd behaupten wird. Andrerseits sollte die Schönheit ebenjener Theorie besser hervortreten, als es mir bei der Symbolik ihres Urhebers möglich erscheint. Auch denjenigen Lesern gegenüber, welche etwa sich nur in dieses Buch einlesen ohne daneben auch Dedekind’s Schrift zu studiren, wollte ich der Dedekind’schen Leistung zu ihrem Rechte verhelfen und sie ihnen mit zugänglich machen: es muss ersichtlich sein, wie viel durch sie meiner Vereinfachung der Theorie schon vorgearbeitet ist. Desgleichen sollte den Mathematikern — und diese sind zahlreich — welche sich mehr oder weniger vollständig durch die Dedekind’sche Schrift „hindurchgewunden“ haben, im Vorstehenden eine Art von „Interlinearübersetzung“ eines wich- tigen Abschnitts derselben an die Hand gegeben werden, vermöge deren sie rasch mit der ihnen ungewohnten, gleichsam fremdsprachigen Symbolik der Peirce’schen Disziplin Vertrautheit erwerben können. Nebenbei wollte ich auch einige Kritik üben und Material zusammentragen, aus welchem die Hinfälligkeit der Ausstellungen in Hoppe’s Kritik ersichtlich werden muss. Endlich aber bestimmt mich diese Erwägung. Wird auch bald eine einfache Kettentheorie — gleichviel ob die unten von mir vor- getragne, oder eine andre — die Dedekind’sche wol endgültig ver- drängen, so bleibt an dieser doch Vieles von mehr als blos historischem Werte. So vor allem, was die Hauptsache: Formulirung und Beweis von D 59 (u. 60), wie sie unter 16) S. 366 dargestellt sind, werden unverändert bestehen bleiben. Für jene, die „Formulirung“ des Satzes der Induktion, ist eine weitre Vereinfachung gar nicht mehr denkbar, und dieser, der — solchergestalt abgegrenzte — „Beweis“, lässt eine

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Zitationshilfe: Schröder, Ernst: Vorlesungen über die Algebra der Logik. Bd. 3, Abt. 1. Leipzig, 1895, S. 377. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schroeder_logik03_1895/391>, abgerufen am 23.11.2024.