Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808.

Bild:
<< vorherige Seite

Auf der andern Seite unterscheidet sich jener älteste
Anfang der Naturwissenschaft von dem jetzigen Zustand
derselben darinnen, daß jener eigentlich zunächst nicht
Wissenschaft, sondern vielmehr Naturcultus, Reli-
gionslehre der Völker war. Viele religiöse Sagen
der Indier, handeln von der Geschichte des Pla-
neten und seiner Ausbildung, die Astronomie und alle
jene Lehren derselben, von denen wir hier gehandelt
haben, waren nicht allein in Indien, Egypten, und
bey andern alten Völkern ein Eigenthum der Priester,
und in den Religionsbüchern der Völker aufbewahrt,
sondern fast alle Feste und Religionsübungen waren,
wo nicht astronomischen Ursprungs, doch in Bezie-
hung auf die Geschichte des Planeten und sein Verhält-
niß zur Sonne.

Nur ein flüchtiger Blick auf die älteste Geschichte
der Völker, nur einzelne Züge aus derselben, können
uns belehren, wie die Astronomie und überhaupt Na-
turcultus, nicht Mittel zu irgend einem äußerlichen
Zweck, sondern höchstes, heiligstes Werk des Lebens,
der erhabenste Beruf des damaligen Menschen war.
Bey vielen Völkern wo die Classe der Priester nicht die-
sen höchsten Beruf übernommen, waren die Könige
zugleich Oberpriester, und als solche übten sie vor
allem Volke den astronomischen Cultus. So werden
die Nahmen der alten Könige Uranus, Saturn und
Atlas, welche sich in der Naturweisheit vor andern
Sterblichen hervorgethan, so unsterblich seyn als die

Auf der andern Seite unterſcheidet ſich jener aͤlteſte
Anfang der Naturwiſſenſchaft von dem jetzigen Zuſtand
derſelben darinnen, daß jener eigentlich zunaͤchſt nicht
Wiſſenſchaft, ſondern vielmehr Naturcultus, Reli-
gionslehre der Voͤlker war. Viele religioͤſe Sagen
der Indier, handeln von der Geſchichte des Pla-
neten und ſeiner Ausbildung, die Aſtronomie und alle
jene Lehren derſelben, von denen wir hier gehandelt
haben, waren nicht allein in Indien, Egypten, und
bey andern alten Voͤlkern ein Eigenthum der Prieſter,
und in den Religionsbuͤchern der Voͤlker aufbewahrt,
ſondern faſt alle Feſte und Religionsuͤbungen waren,
wo nicht aſtronomiſchen Urſprungs, doch in Bezie-
hung auf die Geſchichte des Planeten und ſein Verhaͤlt-
niß zur Sonne.

Nur ein fluͤchtiger Blick auf die aͤlteſte Geſchichte
der Voͤlker, nur einzelne Zuͤge aus derſelben, koͤnnen
uns belehren, wie die Aſtronomie und uͤberhaupt Na-
turcultus, nicht Mittel zu irgend einem aͤußerlichen
Zweck, ſondern hoͤchſtes, heiligſtes Werk des Lebens,
der erhabenſte Beruf des damaligen Menſchen war.
Bey vielen Voͤlkern wo die Claſſe der Prieſter nicht die-
ſen hoͤchſten Beruf uͤbernommen, waren die Koͤnige
zugleich Oberprieſter, und als ſolche uͤbten ſie vor
allem Volke den aſtronomiſchen Cultus. So werden
die Nahmen der alten Koͤnige Uranus, Saturn und
Atlas, welche ſich in der Naturweisheit vor andern
Sterblichen hervorgethan, ſo unſterblich ſeyn als die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0068" n="54"/>
        <p>Auf der andern Seite unter&#x017F;cheidet &#x017F;ich jener a&#x0364;lte&#x017F;te<lb/>
Anfang der Naturwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft von dem jetzigen Zu&#x017F;tand<lb/>
der&#x017F;elben darinnen, daß jener eigentlich zuna&#x0364;ch&#x017F;t nicht<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, &#x017F;ondern vielmehr Naturcultus, Reli-<lb/>
gionslehre der Vo&#x0364;lker war. Viele religio&#x0364;&#x017F;e Sagen<lb/>
der Indier, handeln von der Ge&#x017F;chichte des Pla-<lb/>
neten und &#x017F;einer Ausbildung, die A&#x017F;tronomie und alle<lb/>
jene Lehren der&#x017F;elben, von denen wir hier gehandelt<lb/>
haben, waren nicht allein in Indien, Egypten, und<lb/>
bey andern alten Vo&#x0364;lkern ein Eigenthum der Prie&#x017F;ter,<lb/>
und in den Religionsbu&#x0364;chern der Vo&#x0364;lker aufbewahrt,<lb/>
&#x017F;ondern fa&#x017F;t alle Fe&#x017F;te und Religionsu&#x0364;bungen waren,<lb/>
wo nicht a&#x017F;tronomi&#x017F;chen Ur&#x017F;prungs, doch in Bezie-<lb/>
hung auf die Ge&#x017F;chichte des Planeten und &#x017F;ein Verha&#x0364;lt-<lb/>
niß zur Sonne.</p><lb/>
        <p>Nur ein flu&#x0364;chtiger Blick auf die a&#x0364;lte&#x017F;te Ge&#x017F;chichte<lb/>
der Vo&#x0364;lker, nur einzelne Zu&#x0364;ge aus der&#x017F;elben, ko&#x0364;nnen<lb/>
uns belehren, wie die A&#x017F;tronomie und u&#x0364;berhaupt Na-<lb/>
turcultus, nicht Mittel zu irgend einem a&#x0364;ußerlichen<lb/>
Zweck, &#x017F;ondern ho&#x0364;ch&#x017F;tes, heilig&#x017F;tes Werk des Lebens,<lb/>
der erhaben&#x017F;te Beruf des damaligen Men&#x017F;chen war.<lb/>
Bey vielen Vo&#x0364;lkern wo die Cla&#x017F;&#x017F;e der Prie&#x017F;ter nicht die-<lb/>
&#x017F;en ho&#x0364;ch&#x017F;ten Beruf u&#x0364;bernommen, waren die Ko&#x0364;nige<lb/>
zugleich Oberprie&#x017F;ter, und als &#x017F;olche u&#x0364;bten &#x017F;ie vor<lb/>
allem Volke den a&#x017F;tronomi&#x017F;chen Cultus. So werden<lb/>
die Nahmen der alten Ko&#x0364;nige Uranus, Saturn und<lb/>
Atlas, welche &#x017F;ich in der Naturweisheit vor andern<lb/>
Sterblichen hervorgethan, &#x017F;o un&#x017F;terblich &#x017F;eyn als die<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0068] Auf der andern Seite unterſcheidet ſich jener aͤlteſte Anfang der Naturwiſſenſchaft von dem jetzigen Zuſtand derſelben darinnen, daß jener eigentlich zunaͤchſt nicht Wiſſenſchaft, ſondern vielmehr Naturcultus, Reli- gionslehre der Voͤlker war. Viele religioͤſe Sagen der Indier, handeln von der Geſchichte des Pla- neten und ſeiner Ausbildung, die Aſtronomie und alle jene Lehren derſelben, von denen wir hier gehandelt haben, waren nicht allein in Indien, Egypten, und bey andern alten Voͤlkern ein Eigenthum der Prieſter, und in den Religionsbuͤchern der Voͤlker aufbewahrt, ſondern faſt alle Feſte und Religionsuͤbungen waren, wo nicht aſtronomiſchen Urſprungs, doch in Bezie- hung auf die Geſchichte des Planeten und ſein Verhaͤlt- niß zur Sonne. Nur ein fluͤchtiger Blick auf die aͤlteſte Geſchichte der Voͤlker, nur einzelne Zuͤge aus derſelben, koͤnnen uns belehren, wie die Aſtronomie und uͤberhaupt Na- turcultus, nicht Mittel zu irgend einem aͤußerlichen Zweck, ſondern hoͤchſtes, heiligſtes Werk des Lebens, der erhabenſte Beruf des damaligen Menſchen war. Bey vielen Voͤlkern wo die Claſſe der Prieſter nicht die- ſen hoͤchſten Beruf uͤbernommen, waren die Koͤnige zugleich Oberprieſter, und als ſolche uͤbten ſie vor allem Volke den aſtronomiſchen Cultus. So werden die Nahmen der alten Koͤnige Uranus, Saturn und Atlas, welche ſich in der Naturweisheit vor andern Sterblichen hervorgethan, ſo unſterblich ſeyn als die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/68
Zitationshilfe: Schubert, Gotthilf Heinrich: Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft. Dresden, 1808, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubert_naturwissenschaft_1808/68>, abgerufen am 23.11.2024.