Schubert, Gotthilf Heinrich von: Die Symbolik des Traumes. Bamberg, 1814.chens; indeß fragt sich sehr, ob nicht eben jene Spra- Was zuerst die Sprache der Poesie betrifft: so ist Freylich waren jene Verse, in denen Pythia in dig
chens; indeß fragt ſich ſehr, ob nicht eben jene Spra- Was zuerſt die Sprache der Poeſie betrifft: ſo iſt Freylich waren jene Verſe, in denen Pythia in dig
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025" n="15"/> chens; indeß fragt ſich ſehr, ob nicht eben jene Spra-<lb/> che die eigentliche wache Rede der hoͤheren Region ſey,<lb/> waͤhrend wir, ſo wach wir uns glauben, in einem lan-<lb/> gen, mehrtauſendjaͤhrigen Schlaf, oder wenigſtens in<lb/> den Nachhall ſeiner Traͤume verſunken, von jener<lb/> Sprache Gottes, wie Schlafende von der lauten Rede<lb/> der Umſtehenden, nur einzelne dunkle Worte vernehmen.</p><lb/> <p>Was zuerſt die Sprache der Poeſie betrifft: ſo iſt<lb/> ihre Verwandſchaft mit der Sprache des Traumes ſchon<lb/> im Vorhergehenden bemerkt worden. Wie die letztere<lb/> der Seele natuͤrlich und gleichſam angeboren iſt, nicht<lb/> erſt erlernt zu werden braucht, ſo iſt nach der alten<lb/> bekannten Sage auch Poeſie die urſpruͤngliche Sprache<lb/> der Voͤlker geweſen, die Proſa uͤberhaupt eine ſpaͤtere<lb/> Erfindung und aͤltere Voͤlker und Voͤlkerbuͤcher ſprechen<lb/> noch immer fuͤr uns Sprache der Poeſie. Jene, wie<lb/> dieſe redet ausdrucksvoller, gewaltiger, magiſcher zum<lb/> Gemuͤth als die Proſa des Wachens, und die Poeſie<lb/> zeigt auch noch in anderer Hinſicht, daß ihr der Schluͤſ-<lb/> ſel zu unſerem innern Raͤthſel nicht ſern liege. Wie<lb/> naͤmlich der Seele, wenn ſie die Sprache des Traumes<lb/> ſpricht, peophetiſche Combinationen, Blicke in das Zu-<lb/> kuͤnftige gelingen: ſo erhaͤlt ſie dieſe Eigenſchaft auch in<lb/> der Region der hoͤheren Poeſie; die wahrhaft poetiſche<lb/> Begeiſterung und die prophetiſche ſind ſich verwandt;<lb/> Propheten waren wenigſtens immer Dichter.</p><lb/> <p>Freylich waren jene Verſe, in denen Pythia in<lb/> den aͤlteſten Zeiten immer ſprach, oder in welche ihre<lb/> Ausſpruͤche uͤberſetzt wurden, nicht immer ſonderlich<lb/> wohlklingend noch ſonſt eines Gottes der Dichter wuͤr-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">dig</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0025]
chens; indeß fragt ſich ſehr, ob nicht eben jene Spra-
che die eigentliche wache Rede der hoͤheren Region ſey,
waͤhrend wir, ſo wach wir uns glauben, in einem lan-
gen, mehrtauſendjaͤhrigen Schlaf, oder wenigſtens in
den Nachhall ſeiner Traͤume verſunken, von jener
Sprache Gottes, wie Schlafende von der lauten Rede
der Umſtehenden, nur einzelne dunkle Worte vernehmen.
Was zuerſt die Sprache der Poeſie betrifft: ſo iſt
ihre Verwandſchaft mit der Sprache des Traumes ſchon
im Vorhergehenden bemerkt worden. Wie die letztere
der Seele natuͤrlich und gleichſam angeboren iſt, nicht
erſt erlernt zu werden braucht, ſo iſt nach der alten
bekannten Sage auch Poeſie die urſpruͤngliche Sprache
der Voͤlker geweſen, die Proſa uͤberhaupt eine ſpaͤtere
Erfindung und aͤltere Voͤlker und Voͤlkerbuͤcher ſprechen
noch immer fuͤr uns Sprache der Poeſie. Jene, wie
dieſe redet ausdrucksvoller, gewaltiger, magiſcher zum
Gemuͤth als die Proſa des Wachens, und die Poeſie
zeigt auch noch in anderer Hinſicht, daß ihr der Schluͤſ-
ſel zu unſerem innern Raͤthſel nicht ſern liege. Wie
naͤmlich der Seele, wenn ſie die Sprache des Traumes
ſpricht, peophetiſche Combinationen, Blicke in das Zu-
kuͤnftige gelingen: ſo erhaͤlt ſie dieſe Eigenſchaft auch in
der Region der hoͤheren Poeſie; die wahrhaft poetiſche
Begeiſterung und die prophetiſche ſind ſich verwandt;
Propheten waren wenigſtens immer Dichter.
Freylich waren jene Verſe, in denen Pythia in
den aͤlteſten Zeiten immer ſprach, oder in welche ihre
Ausſpruͤche uͤberſetzt wurden, nicht immer ſonderlich
wohlklingend noch ſonſt eines Gottes der Dichter wuͤr-
dig
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