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Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894.

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den Frauen mit jeder Art von Mißtrauen. Es galt, die
Position, die man noch kaum inne gehabt hatte, neu zu
erringen und das Mißtrauen zu besiegen, nicht durch
schöne Worte, nicht durch irgend welche Mittel der äußeren
Erscheinung, sondern durch die stillwirkende Kraft des täg-
lichen Lebens. Daß es gelungen, daß der Stand der
Studentinnen in Zürich heute ein durchaus geachteter ist,
in all den Kreisen, denen Erfahrung ein Urtheil zugesteht,
daran hat jede der Colleginnen ihren Theil des Verdienstes
und also auch ihren Theil der Freude und der Genug-
thuung. - Gegenwärtig ist, wie der Herr Rector von
Zürich mir zu versichern so gütig war, der moralische Ruf
der Russinnen dem der übrigen studirenden Frauen gleich,
d. h. er ist durchaus gut.

Um nun die Lebensumstände der Studentinnen mög-
lichst genau kennen zu lernen, wollen wir dieselben beob-
achten in ihrem Verhältniß zu den Professoren, zu den
Collegen, den Colleginnen, in ihrem häuslichen
Leben
, in ihren Beziehungen zur Gesellschaft und
zur Bürgerschaft. Obwohl ich nun seit dem Jahre
1886 fern von Zürich lebe, weiß ich doch, daß die Ver-
hältnisse im Großen und Ganzen dieselben geblieben sind,
und ich darf daher unbedenklich meine damaligen Erfah-
rungen als auch der Gegenwart noch entsprechend be-
zeichnen.



Die Studentin, nunmehr nach dem Gesetz als aka-
demische Bürgerin zugelassen, darf natürlich nach freiem
Ermessen die Collegien der Herren Professoren belegen, und
dem oberflächlich Beobachtenden könnte es scheinen, als
stünden diese letzteren der Sache ganz indifferent gegen-

den Frauen mit jeder Art von Mißtrauen. Es galt, die
Position, die man noch kaum inne gehabt hatte, neu zu
erringen und das Mißtrauen zu besiegen, nicht durch
schöne Worte, nicht durch irgend welche Mittel der äußeren
Erscheinung, sondern durch die stillwirkende Kraft des täg-
lichen Lebens. Daß es gelungen, daß der Stand der
Studentinnen in Zürich heute ein durchaus geachteter ist,
in all den Kreisen, denen Erfahrung ein Urtheil zugesteht,
daran hat jede der Colleginnen ihren Theil des Verdienstes
und also auch ihren Theil der Freude und der Genug-
thuung. – Gegenwärtig ist, wie der Herr Rector von
Zürich mir zu versichern so gütig war, der moralische Ruf
der Russinnen dem der übrigen studirenden Frauen gleich,
d. h. er ist durchaus gut.

Um nun die Lebensumstände der Studentinnen mög-
lichst genau kennen zu lernen, wollen wir dieselben beob-
achten in ihrem Verhältniß zu den Professoren, zu den
Collegen, den Colleginnen, in ihrem häuslichen
Leben
, in ihren Beziehungen zur Gesellschaft und
zur Bürgerschaft. Obwohl ich nun seit dem Jahre
1886 fern von Zürich lebe, weiß ich doch, daß die Ver-
hältnisse im Großen und Ganzen dieselben geblieben sind,
und ich darf daher unbedenklich meine damaligen Erfah-
rungen als auch der Gegenwart noch entsprechend be-
zeichnen.



Die Studentin, nunmehr nach dem Gesetz als aka-
demische Bürgerin zugelassen, darf natürlich nach freiem
Ermessen die Collegien der Herren Professoren belegen, und
dem oberflächlich Beobachtenden könnte es scheinen, als
stünden diese letzteren der Sache ganz indifferent gegen-

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[8/0011] den Frauen mit jeder Art von Mißtrauen. Es galt, die Position, die man noch kaum inne gehabt hatte, neu zu erringen und das Mißtrauen zu besiegen, nicht durch schöne Worte, nicht durch irgend welche Mittel der äußeren Erscheinung, sondern durch die stillwirkende Kraft des täg- lichen Lebens. Daß es gelungen, daß der Stand der Studentinnen in Zürich heute ein durchaus geachteter ist, in all den Kreisen, denen Erfahrung ein Urtheil zugesteht, daran hat jede der Colleginnen ihren Theil des Verdienstes und also auch ihren Theil der Freude und der Genug- thuung. – Gegenwärtig ist, wie der Herr Rector von Zürich mir zu versichern so gütig war, der moralische Ruf der Russinnen dem der übrigen studirenden Frauen gleich, d. h. er ist durchaus gut. Um nun die Lebensumstände der Studentinnen mög- lichst genau kennen zu lernen, wollen wir dieselben beob- achten in ihrem Verhältniß zu den Professoren, zu den Collegen, den Colleginnen, in ihrem häuslichen Leben, in ihren Beziehungen zur Gesellschaft und zur Bürgerschaft. Obwohl ich nun seit dem Jahre 1886 fern von Zürich lebe, weiß ich doch, daß die Ver- hältnisse im Großen und Ganzen dieselben geblieben sind, und ich darf daher unbedenklich meine damaligen Erfah- rungen als auch der Gegenwart noch entsprechend be- zeichnen. Die Studentin, nunmehr nach dem Gesetz als aka- demische Bürgerin zugelassen, darf natürlich nach freiem Ermessen die Collegien der Herren Professoren belegen, und dem oberflächlich Beobachtenden könnte es scheinen, als stünden diese letzteren der Sache ganz indifferent gegen-

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Zitationshilfe: Schubert-Feder, Cläre: Das Leben der Studentinnen in Zürich. Berlin, 1894, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubertfeder_studentinnen_1894/11>, abgerufen am 02.06.2024.