Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 17). 1. Bd. Stuttgart, 1899.machen half, - denn meine Mutter hatte Wien beinahe vergessen, und Annie kannte es gar nicht, und ihr zwitscherndes Stimmchen war so herzig, und die großen, erstaunten Augen und die Atmosphäre von absoluter Reinheit und Lebensunkenntnis um so ein jungen Mädchen herum, - ach, was ist das lieb! Ich dankte meinen Sternen, daß es mit der armen Lydia aus war! Da, - wir waren in den Prater gefahren, und da das Wetter sehr schön war, stiegen wir aus, machten ein paar Schritte zu Fuß. Ich war ganz stolz, mich mit zwei so schönen Damen zu zeigen, denn meine Mutter ist immer noch eine schöne Frau, und Annie - Annie ist reizend. Alle Leute sahen uns an, unter andern ein paar Kameraden, denen die Neugier aus den Augen leuchtete. Da plötzlich kamen zwei merkwürdige Erscheinungen auf uns zu: Lydia und ihre Freundin - beide geschminkt, auffällig gekleidet, unmöglich. Lydia sieht mir voll ins Gesicht. Ich unterlass' es, sie zu grüßen - absichtlich. Was hätte ich andres thun sollen? Gegen Abend reisen meine Damen ab, ich begleite sie bis auf den Semmering - wir übernachten dort, bringen einen entzückenden Tag in den Bergen zu. Als ich spät abends des nächsten Tages nach Hause komme, find' ich die Nachricht vor, daß sich Lydia Böckel bereits in der vorhergegangenen Nacht erschossen hat mit ihrer Freundin, - finde einen machen half, – denn meine Mutter hatte Wien beinahe vergessen, und Annie kannte es gar nicht, und ihr zwitscherndes Stimmchen war so herzig, und die großen, erstaunten Augen und die Atmosphäre von absoluter Reinheit und Lebensunkenntnis um so ein jungen Mädchen herum, – ach, was ist das lieb! Ich dankte meinen Sternen, daß es mit der armen Lydia aus war! Da, – wir waren in den Prater gefahren, und da das Wetter sehr schön war, stiegen wir aus, machten ein paar Schritte zu Fuß. Ich war ganz stolz, mich mit zwei so schönen Damen zu zeigen, denn meine Mutter ist immer noch eine schöne Frau, und Annie – Annie ist reizend. Alle Leute sahen uns an, unter andern ein paar Kameraden, denen die Neugier aus den Augen leuchtete. Da plötzlich kamen zwei merkwürdige Erscheinungen auf uns zu: Lydia und ihre Freundin – beide geschminkt, auffällig gekleidet, unmöglich. Lydia sieht mir voll ins Gesicht. Ich unterlass’ es, sie zu grüßen – absichtlich. Was hätte ich andres thun sollen? Gegen Abend reisen meine Damen ab, ich begleite sie bis auf den Semmering – wir übernachten dort, bringen einen entzückenden Tag in den Bergen zu. Als ich spät abends des nächsten Tages nach Hause komme, find’ ich die Nachricht vor, daß sich Lydia Böckel bereits in der vorhergegangenen Nacht erschossen hat mit ihrer Freundin, – finde einen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0061" n="60"/> machen half, – denn meine Mutter hatte Wien beinahe vergessen, und Annie kannte es gar nicht, und ihr zwitscherndes Stimmchen war so herzig, und die großen, erstaunten Augen und die Atmosphäre von absoluter Reinheit und Lebensunkenntnis um so ein jungen Mädchen herum, – ach, was ist das lieb! Ich dankte meinen Sternen, daß es mit der armen Lydia aus war! Da, – wir waren in den Prater gefahren, und da das Wetter sehr schön war, stiegen wir aus, machten ein paar Schritte zu Fuß. Ich war ganz stolz, mich mit zwei so schönen Damen zu zeigen, denn meine Mutter ist immer noch eine schöne Frau, und Annie – Annie ist reizend. Alle Leute sahen uns an, unter andern ein paar Kameraden, denen die Neugier aus den Augen leuchtete. Da plötzlich kamen zwei merkwürdige Erscheinungen auf uns zu: Lydia und ihre Freundin – beide geschminkt, auffällig gekleidet, unmöglich. Lydia sieht mir voll ins Gesicht. Ich unterlass’ es, sie zu grüßen – absichtlich. Was hätte ich andres thun sollen?</p> <p>Gegen Abend reisen meine Damen ab, ich begleite sie bis auf den Semmering – wir übernachten dort, bringen einen entzückenden Tag in den Bergen zu. Als ich spät abends des nächsten Tages nach Hause komme, find’ ich die Nachricht vor, daß sich Lydia Böckel bereits in der vorhergegangenen Nacht erschossen hat mit ihrer Freundin, – finde einen </p> </div> </body> </text> </TEI> [60/0061]
machen half, – denn meine Mutter hatte Wien beinahe vergessen, und Annie kannte es gar nicht, und ihr zwitscherndes Stimmchen war so herzig, und die großen, erstaunten Augen und die Atmosphäre von absoluter Reinheit und Lebensunkenntnis um so ein jungen Mädchen herum, – ach, was ist das lieb! Ich dankte meinen Sternen, daß es mit der armen Lydia aus war! Da, – wir waren in den Prater gefahren, und da das Wetter sehr schön war, stiegen wir aus, machten ein paar Schritte zu Fuß. Ich war ganz stolz, mich mit zwei so schönen Damen zu zeigen, denn meine Mutter ist immer noch eine schöne Frau, und Annie – Annie ist reizend. Alle Leute sahen uns an, unter andern ein paar Kameraden, denen die Neugier aus den Augen leuchtete. Da plötzlich kamen zwei merkwürdige Erscheinungen auf uns zu: Lydia und ihre Freundin – beide geschminkt, auffällig gekleidet, unmöglich. Lydia sieht mir voll ins Gesicht. Ich unterlass’ es, sie zu grüßen – absichtlich. Was hätte ich andres thun sollen?
Gegen Abend reisen meine Damen ab, ich begleite sie bis auf den Semmering – wir übernachten dort, bringen einen entzückenden Tag in den Bergen zu. Als ich spät abends des nächsten Tages nach Hause komme, find’ ich die Nachricht vor, daß sich Lydia Böckel bereits in der vorhergegangenen Nacht erschossen hat mit ihrer Freundin, – finde einen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-29T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |