Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Und in der That, dort im Osten über einer Reihe rotgelber, aus dem Dunkel eines Fichtenwäldchens herausragender Lärchen sah man die Scheibe des Mondes erst kupferrot, dann immer blässer und glänzender am Himmel aufschweben.

"Es ist Vollmond heute," sagte Annie, und Zdenko wiederholte schaudernd:

"Ja, Vollmond!"

Die Nebel drängten sich jetzt alle der Erde zu, im regenbogenfarbigen Gewinde und Gewelle flogen sie am Boden hin.

Zdenko und das junge Mädchen standen in der phantastisch leuchtenden Nebelflut bis über die Kniee.

"Wie schön!" murmelte Annie. Er schwieg, in tiefe Gedanken verloren.

Dann ging sie mit ihm ins Schloß und verfügte sich in das große Wohnzimmer, in dem irgend etwas, eine feierliche Kälte, der Umstand, daß die Möbel alle mehr oder minder aus ihrer gewöhnlichen gemütlichen Lage heraus gegen die Wand geschoben worden waren, verkündete, daß etwas Besonderes im Gange war.

Zdenko stellte die Rosen auf einen Tisch, es folgte eine beklommene Pause. Beide hatten das Gefühl, daß dies der letzte Moment zu einer gegenseitigen Aussprache war, den ihnen das Schicksal gönnte, und beide konnten das Wort nicht finden, das ihnen das Herz erleichtern sollte.

Und in der That, dort im Osten über einer Reihe rotgelber, aus dem Dunkel eines Fichtenwäldchens herausragender Lärchen sah man die Scheibe des Mondes erst kupferrot, dann immer blässer und glänzender am Himmel aufschweben.

„Es ist Vollmond heute,“ sagte Annie, und Zdenko wiederholte schaudernd:

„Ja, Vollmond!“

Die Nebel drängten sich jetzt alle der Erde zu, im regenbogenfarbigen Gewinde und Gewelle flogen sie am Boden hin.

Zdenko und das junge Mädchen standen in der phantastisch leuchtenden Nebelflut bis über die Kniee.

„Wie schön!“ murmelte Annie. Er schwieg, in tiefe Gedanken verloren.

Dann ging sie mit ihm ins Schloß und verfügte sich in das große Wohnzimmer, in dem irgend etwas, eine feierliche Kälte, der Umstand, daß die Möbel alle mehr oder minder aus ihrer gewöhnlichen gemütlichen Lage heraus gegen die Wand geschoben worden waren, verkündete, daß etwas Besonderes im Gange war.

Zdenko stellte die Rosen auf einen Tisch, es folgte eine beklommene Pause. Beide hatten das Gefühl, daß dies der letzte Moment zu einer gegenseitigen Aussprache war, den ihnen das Schicksal gönnte, und beide konnten das Wort nicht finden, das ihnen das Herz erleichtern sollte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0113" n="113"/>
        <p>Und in der That, dort im Osten über einer Reihe rotgelber, aus dem Dunkel eines Fichtenwäldchens herausragender Lärchen sah man die Scheibe des Mondes erst kupferrot, dann immer blässer und glänzender am Himmel aufschweben.</p>
        <p>&#x201E;Es ist Vollmond heute,&#x201C; sagte Annie, und Zdenko wiederholte schaudernd:</p>
        <p>&#x201E;Ja, Vollmond!&#x201C;</p>
        <p>Die Nebel drängten sich jetzt alle der Erde zu, im regenbogenfarbigen Gewinde und Gewelle flogen sie am Boden hin.</p>
        <p>Zdenko und das junge Mädchen standen in der phantastisch leuchtenden Nebelflut bis über die Kniee.</p>
        <p>&#x201E;Wie schön!&#x201C; murmelte Annie. Er schwieg, in tiefe Gedanken verloren.</p>
        <p>Dann ging sie mit ihm ins Schloß und verfügte sich in das große Wohnzimmer, in dem irgend etwas, eine feierliche Kälte, der Umstand, daß die Möbel alle mehr oder minder aus ihrer gewöhnlichen gemütlichen Lage heraus gegen die Wand geschoben worden waren, verkündete, daß etwas Besonderes im Gange war.</p>
        <p>Zdenko stellte die Rosen auf einen Tisch, es folgte eine beklommene Pause. Beide hatten das Gefühl, daß dies der letzte Moment zu einer gegenseitigen Aussprache war, den ihnen das Schicksal gönnte, und beide konnten das Wort nicht finden, das ihnen das Herz erleichtern sollte.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0113] Und in der That, dort im Osten über einer Reihe rotgelber, aus dem Dunkel eines Fichtenwäldchens herausragender Lärchen sah man die Scheibe des Mondes erst kupferrot, dann immer blässer und glänzender am Himmel aufschweben. „Es ist Vollmond heute,“ sagte Annie, und Zdenko wiederholte schaudernd: „Ja, Vollmond!“ Die Nebel drängten sich jetzt alle der Erde zu, im regenbogenfarbigen Gewinde und Gewelle flogen sie am Boden hin. Zdenko und das junge Mädchen standen in der phantastisch leuchtenden Nebelflut bis über die Kniee. „Wie schön!“ murmelte Annie. Er schwieg, in tiefe Gedanken verloren. Dann ging sie mit ihm ins Schloß und verfügte sich in das große Wohnzimmer, in dem irgend etwas, eine feierliche Kälte, der Umstand, daß die Möbel alle mehr oder minder aus ihrer gewöhnlichen gemütlichen Lage heraus gegen die Wand geschoben worden waren, verkündete, daß etwas Besonderes im Gange war. Zdenko stellte die Rosen auf einen Tisch, es folgte eine beklommene Pause. Beide hatten das Gefühl, daß dies der letzte Moment zu einer gegenseitigen Aussprache war, den ihnen das Schicksal gönnte, und beide konnten das Wort nicht finden, das ihnen das Herz erleichtern sollte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-29T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-29T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-29T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Geviertstriche „—“ werden als normale Gedankenstriche „–“ wiedergegeben.
  • Die Majuskelschreibweise Ae, Oe, Ue wird als Ä, Ö, Ü wiedergegeben.
  • Worttrennungen am Zeilenende werden ignoriert. Das Wort wird noch auf der gleichen Seite vervollständigt.
  • Die Transkription folgt im Übrigen dem Original.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/113
Zitationshilfe: Schubin, Ossip: Vollmondzauber. In: Engelhorns Allgemeine Romanbibliothek (Fünfzehnter Jahrgang. Band 18). 2. Bd. Stuttgart, 1899, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schubin_vollmondzauber02_1899/113>, abgerufen am 23.11.2024.