Schuchardt, Hugo: Ueber die Lautgesetze. Gegen die Junggrammatiker. Berlin, 1885.wandel nicht ebensoweit gehen sollte. So sagt auch wandel nicht ebensoweit gehen sollte. So sagt auch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025" n="13"/> wandel nicht ebensoweit gehen sollte. So sagt auch<lb/><hi rendition="#g">Delbrück₁<hi rendition="#sub">2</hi></hi> „dass die Veränderungen in der Aus-<lb/> sprache bei dem Einzelnen beginnen und sich von da<lb/> zu den Mehreren und den Vielen durch Nachahmung<lb/> von Seiten dieser fortpflanzen“. <hi rendition="#g">Merlo</hi> stellt die<lb/> Möglichkeit individueller Initiative sehr schlagend dar.<lb/> Es kann nun, den Junggrammatikern zufolge, zwischen<lb/> den einzelnen Gliedern einer Verkehrsgenossenschaft<lb/> nur hinsichtlich des Tempos in welchem der Laut-<lb/> wandel sich vollzieht, eine Verschiedenheit existiren;<lb/> niemals soll ein „klaffender Gegensatz“ hervortreten.<lb/> „Als deutlich ausgeprägter und somit auch zum Be-<lb/> wusstsein kommender Gegensatz“, sagt <hi rendition="#g">Brugmann<hi rendition="#sub">3</hi></hi>,<lb/> „können Altes und Neues nur so nebeneinander be-<lb/> stehen dass sie durch verschiedene Sprachgenossen-<lb/> schaften vertreten werden, zwischen denen der Ver-<lb/> kehr viel weniger intensiv ist als innerhalb jeder<lb/> einzelnen.“ Wie vereinigt sich damit <hi rendition="#g">Brugmann<hi rendition="#sub">2</hi>'s</hi><lb/> frühere Annahme von Mutter- und Tochterformen<lb/> innerhalb desselben Dialektes, ja bei denselben Indi-<lb/> dividuen? Das Alte und Neue erscheint aber inner-<lb/> halb eines Dialektes nicht bloss nach dem Alter, son-<lb/> dern auch nach Geschlecht, Bildung, Temperament,<lb/> kurz in der verschiedenartigsten Weise vertheilt.<lb/> Rücksichtlich der Art und Weise wie sich ein Laut-<lb/> wandel von Individuum auf Individuum, von Genossen-<lb/> schaft auf Genossenschaft überträgt, scheint auch die<lb/> Auffassung ziemlich auseinander zu gehen. Ich gestehe<lb/> dass ich hier keineswegs das ausschliessliche Spiel un-<lb/> bewusster Thätigkeit erblicke; wenn ich mit <hi rendition="#g">F. Müller</hi><lb/> die Lautgesetze nicht schlechtweg mit den Gesetzen<lb/> der Modetrachten vergleichen will, so scheinen sie mir<lb/> doch in grossem Umfang Sache der Mode, d. h. der<lb/><lb/> </p> </div> </body> </text> </TEI> [13/0025]
wandel nicht ebensoweit gehen sollte. So sagt auch
Delbrück₁2 „dass die Veränderungen in der Aus-
sprache bei dem Einzelnen beginnen und sich von da
zu den Mehreren und den Vielen durch Nachahmung
von Seiten dieser fortpflanzen“. Merlo stellt die
Möglichkeit individueller Initiative sehr schlagend dar.
Es kann nun, den Junggrammatikern zufolge, zwischen
den einzelnen Gliedern einer Verkehrsgenossenschaft
nur hinsichtlich des Tempos in welchem der Laut-
wandel sich vollzieht, eine Verschiedenheit existiren;
niemals soll ein „klaffender Gegensatz“ hervortreten.
„Als deutlich ausgeprägter und somit auch zum Be-
wusstsein kommender Gegensatz“, sagt Brugmann3,
„können Altes und Neues nur so nebeneinander be-
stehen dass sie durch verschiedene Sprachgenossen-
schaften vertreten werden, zwischen denen der Ver-
kehr viel weniger intensiv ist als innerhalb jeder
einzelnen.“ Wie vereinigt sich damit Brugmann2's
frühere Annahme von Mutter- und Tochterformen
innerhalb desselben Dialektes, ja bei denselben Indi-
dividuen? Das Alte und Neue erscheint aber inner-
halb eines Dialektes nicht bloss nach dem Alter, son-
dern auch nach Geschlecht, Bildung, Temperament,
kurz in der verschiedenartigsten Weise vertheilt.
Rücksichtlich der Art und Weise wie sich ein Laut-
wandel von Individuum auf Individuum, von Genossen-
schaft auf Genossenschaft überträgt, scheint auch die
Auffassung ziemlich auseinander zu gehen. Ich gestehe
dass ich hier keineswegs das ausschliessliche Spiel un-
bewusster Thätigkeit erblicke; wenn ich mit F. Müller
die Lautgesetze nicht schlechtweg mit den Gesetzen
der Modetrachten vergleichen will, so scheinen sie mir
doch in grossem Umfang Sache der Mode, d. h. der
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