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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

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er unter einem gewissen kalten, philosophischen
Wesen meisterhaft zu verbergen wußte, aus.
Seine geistige Ausbildung ist ganz modern.
Die französischen Philosophen und Staatsge-
lehrten waren, die letzten Jahre her, seine
einzige Lektüre. Die Häupter seiner Familie
hatten sich seit zwey hundert Jahren in hohen
Würden und bey wichtigen Auftritten in der
polnischen Geschichte hervor gethan. Es war
keine Konföderation in neuern Zeiten, an de-
ren Spitze nicht Einer oder Mehrere der Po-
tocki gewesen wären. Jhr Enkel wollte ihnen
nicht nachstehen. Er ward der Führer eines
großen Theils seiner Nation, aber in einer
Art und mit Grundsätzen, die den ihrigen ganz
entgegen standen. Jene wirkten und stritten
für die Erhaltung der altpolnischen Adelsfrey-
heit, dieser wollte, nach den neuesten Lehren,
Bauer, Bürger und König, auf Kosten jener
ausschließenden Freyheit, erheben und gerade
durch deren Beschränkung sein Vaterland, wie
er meynte, verbessern und vom Untergange ret-

er unter einem gewiſſen kalten, philoſophiſchen
Weſen meiſterhaft zu verbergen wußte, aus.
Seine geiſtige Ausbildung iſt ganz modern.
Die franzoͤſiſchen Philoſophen und Staatsge-
lehrten waren, die letzten Jahre her, ſeine
einzige Lektuͤre. Die Haͤupter ſeiner Familie
hatten ſich ſeit zwey hundert Jahren in hohen
Wuͤrden und bey wichtigen Auftritten in der
polniſchen Geſchichte hervor gethan. Es war
keine Konfoͤderation in neuern Zeiten, an de-
ren Spitze nicht Einer oder Mehrere der Po-
tocki geweſen waͤren. Jhr Enkel wollte ihnen
nicht nachſtehen. Er ward der Fuͤhrer eines
großen Theils ſeiner Nation, aber in einer
Art und mit Grundſaͤtzen, die den ihrigen ganz
entgegen ſtanden. Jene wirkten und ſtritten
fuͤr die Erhaltung der altpolniſchen Adelsfrey-
heit, dieſer wollte, nach den neueſten Lehren,
Bauer, Buͤrger und Koͤnig, auf Koſten jener
ausſchließenden Freyheit, erheben und gerade
durch deren Beſchraͤnkung ſein Vaterland, wie
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[167/0177] er unter einem gewiſſen kalten, philoſophiſchen Weſen meiſterhaft zu verbergen wußte, aus. Seine geiſtige Ausbildung iſt ganz modern. Die franzoͤſiſchen Philoſophen und Staatsge- lehrten waren, die letzten Jahre her, ſeine einzige Lektuͤre. Die Haͤupter ſeiner Familie hatten ſich ſeit zwey hundert Jahren in hohen Wuͤrden und bey wichtigen Auftritten in der polniſchen Geſchichte hervor gethan. Es war keine Konfoͤderation in neuern Zeiten, an de- ren Spitze nicht Einer oder Mehrere der Po- tocki geweſen waͤren. Jhr Enkel wollte ihnen nicht nachſtehen. Er ward der Fuͤhrer eines großen Theils ſeiner Nation, aber in einer Art und mit Grundſaͤtzen, die den ihrigen ganz entgegen ſtanden. Jene wirkten und ſtritten fuͤr die Erhaltung der altpolniſchen Adelsfrey- heit, dieſer wollte, nach den neueſten Lehren, Bauer, Buͤrger und Koͤnig, auf Koſten jener ausſchließenden Freyheit, erheben und gerade durch deren Beſchraͤnkung ſein Vaterland, wie er meynte, verbeſſern und vom Untergange ret-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/177>, abgerufen am 22.12.2024.