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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

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gung der Freude, des Zorns, des Schmerzes,
so hört man nichts als helle Töne; ist er ver-
liebt, sagt er seiner Geliebten schöne Sachen,
so weiß er diesen hellen Tönen eine unbe-
schreibliche Weichheit mitzutheilen, aber sie wer-
den sogleich pfeifend, kreischend und schneidend,
sobald irgend ein heftiges Gefühl aus ihm
spricht. Wenn die Beugungen der natürlichen
deutschen Stimme langsam, kaum merkbar,
sich erheben oder sinken, so hüpfen die Beu-
gungen der polnischen ungefähr so, wie wenn
ein deutscher unter Lachen etwas erzählt.

Die polnische weibliche Stimme ist der rein-
ste Diskant, den man hören kann; sie ist der
zartesten Beugungen fähig und wendet sie eben
so häufig an, als die männliche. Eine Polin
eine rührende Geschichte erzählen, einem Lieb-
haber zärtliche Dinge sageu, beym Solicitieren
ihre Klagen und Bitten vortragen hören, ist
ein wahrer Genuß fürs Ohr, abgesehen von
ihrem Anstand und von ihren reizvollen Be-
wegungen. Der harte Alto-Ton, welcher auf

Viertes Heft. D

gung der Freude, des Zorns, des Schmerzes,
ſo hoͤrt man nichts als helle Toͤne; iſt er ver-
liebt, ſagt er ſeiner Geliebten ſchoͤne Sachen,
ſo weiß er dieſen hellen Toͤnen eine unbe-
ſchreibliche Weichheit mitzutheilen, aber ſie wer-
den ſogleich pfeifend, kreiſchend und ſchneidend,
ſobald irgend ein heftiges Gefuͤhl aus ihm
ſpricht. Wenn die Beugungen der natuͤrlichen
deutſchen Stimme langſam, kaum merkbar,
ſich erheben oder ſinken, ſo huͤpfen die Beu-
gungen der polniſchen ungefaͤhr ſo, wie wenn
ein deutſcher unter Lachen etwas erzaͤhlt.

Die polniſche weibliche Stimme iſt der rein-
ſte Diskant, den man hoͤren kann; ſie iſt der
zarteſten Beugungen faͤhig und wendet ſie eben
ſo haͤufig an, als die maͤnnliche. Eine Polin
eine ruͤhrende Geſchichte erzaͤhlen, einem Lieb-
haber zaͤrtliche Dinge ſageu, beym Solicitieren
ihre Klagen und Bitten vortragen hoͤren, iſt
ein wahrer Genuß fuͤrs Ohr, abgeſehen von
ihrem Anſtand und von ihren reizvollen Be-
wegungen. Der harte Alto-Ton, welcher auf

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[49/0059] gung der Freude, des Zorns, des Schmerzes, ſo hoͤrt man nichts als helle Toͤne; iſt er ver- liebt, ſagt er ſeiner Geliebten ſchoͤne Sachen, ſo weiß er dieſen hellen Toͤnen eine unbe- ſchreibliche Weichheit mitzutheilen, aber ſie wer- den ſogleich pfeifend, kreiſchend und ſchneidend, ſobald irgend ein heftiges Gefuͤhl aus ihm ſpricht. Wenn die Beugungen der natuͤrlichen deutſchen Stimme langſam, kaum merkbar, ſich erheben oder ſinken, ſo huͤpfen die Beu- gungen der polniſchen ungefaͤhr ſo, wie wenn ein deutſcher unter Lachen etwas erzaͤhlt. Die polniſche weibliche Stimme iſt der rein- ſte Diskant, den man hoͤren kann; ſie iſt der zarteſten Beugungen faͤhig und wendet ſie eben ſo haͤufig an, als die maͤnnliche. Eine Polin eine ruͤhrende Geſchichte erzaͤhlen, einem Lieb- haber zaͤrtliche Dinge ſageu, beym Solicitieren ihre Klagen und Bitten vortragen hoͤren, iſt ein wahrer Genuß fuͤrs Ohr, abgeſehen von ihrem Anſtand und von ihren reizvollen Be- wegungen. Der harte Alto-Ton, welcher auf Viertes Heft. D

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/59>, abgerufen am 09.11.2024.