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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

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me fehle. Jch will anführen, was ich hierü-
ber am Reichstage bemerkt habe. Der König,
der für den besten, jetzt lebenden polnischen
Redner gilt, blieb, wenn er sprach, auf seinem
Lehnstuhle sitzen. Er streckte wechselsweise die
rechte und die linke Hand aus, die er, den
Daum in die Höhe gehoben, und die vier Fin-
ger unter ihm zusammen gedrückt, bald aus-
schnellte, bald anzog, gerade so, als wenn
man jemand etwas recht deutlich einprägen
will. Seine Stimme blieb eintönig. Der An-
fang einer Periode lautete wie ihr Ende.
Er sprach sie in so vielen Abschnitten, als
Kommata darin waren, aus, oft machte er
hinter jedem einzelnen Worte einen Ruhepunkt.
Was man strömende Beredsamkeit nennt, ward
dadurch unmöglich. Vielleicht hat er diese
Weise angenommen, theils, um seine Brust zu
schonen, theils, um desto deutlicher zu wer-
den.

Die übrigen Reichsboten hatten dieselbe Art
beym Reden. Fürst Kasimir Sapieha,

me fehle. Jch will anfuͤhren, was ich hieruͤ-
ber am Reichstage bemerkt habe. Der Koͤnig,
der fuͤr den beſten, jetzt lebenden polniſchen
Redner gilt, blieb, wenn er ſprach, auf ſeinem
Lehnſtuhle ſitzen. Er ſtreckte wechſelsweiſe die
rechte und die linke Hand aus, die er, den
Daum in die Hoͤhe gehoben, und die vier Fin-
ger unter ihm zuſammen gedruͤckt, bald aus-
ſchnellte, bald anzog, gerade ſo, als wenn
man jemand etwas recht deutlich einpraͤgen
will. Seine Stimme blieb eintoͤnig. Der An-
fang einer Periode lautete wie ihr Ende.
Er ſprach ſie in ſo vielen Abſchnitten, als
Kommata darin waren, aus, oft machte er
hinter jedem einzelnen Worte einen Ruhepunkt.
Was man ſtroͤmende Beredſamkeit nennt, ward
dadurch unmoͤglich. Vielleicht hat er dieſe
Weiſe angenommen, theils, um ſeine Bruſt zu
ſchonen, theils, um deſto deutlicher zu wer-
den.

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beym Reden. Fuͤrſt Kaſimir Sapieha,

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[52/0062] me fehle. Jch will anfuͤhren, was ich hieruͤ- ber am Reichstage bemerkt habe. Der Koͤnig, der fuͤr den beſten, jetzt lebenden polniſchen Redner gilt, blieb, wenn er ſprach, auf ſeinem Lehnſtuhle ſitzen. Er ſtreckte wechſelsweiſe die rechte und die linke Hand aus, die er, den Daum in die Hoͤhe gehoben, und die vier Fin- ger unter ihm zuſammen gedruͤckt, bald aus- ſchnellte, bald anzog, gerade ſo, als wenn man jemand etwas recht deutlich einpraͤgen will. Seine Stimme blieb eintoͤnig. Der An- fang einer Periode lautete wie ihr Ende. Er ſprach ſie in ſo vielen Abſchnitten, als Kommata darin waren, aus, oft machte er hinter jedem einzelnen Worte einen Ruhepunkt. Was man ſtroͤmende Beredſamkeit nennt, ward dadurch unmoͤglich. Vielleicht hat er dieſe Weiſe angenommen, theils, um ſeine Bruſt zu ſchonen, theils, um deſto deutlicher zu wer- den. Die uͤbrigen Reichsboten hatten dieſelbe Art beym Reden. Fuͤrſt Kaſimir Sapieha,

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/62>, abgerufen am 19.05.2024.