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Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795.

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Italiens," und selbst das neue Nationaltheater
in der Richelieustraße zu Paris. Denselben
Fehler hat das zu Warschau. Es steht, ob-
gleich auf einem freyen Platze, stumpf und zu-
sammengedrückt da, und läßt von seinem Jn-
nern gar nichts erwarten. Dieses überrascht
dadurch freylich desto mehr. Es ist ein schö-
nes Oval, hat vier Reihen Logen über einan-
der und ist mit viel Einfalt und Geschmack
verziert. Das Paterre ist zur Hälfte mit Bän-
ken besetzt, zur Hälfte ohne Bänke. Die Büh-
ne selbst ist geräumig, hat gute Verzierungen
und ein mannigfaltiges, gut gehandhabtes Ma-
schinenwerk.

Die polnische Truppe, die voriges Jahr
hier spielte, ziehe ich jeder deutschen vor, die
ich noch gesehen habe. Die Polen besitzen ei-
ne natürliche Leichtigkeit und Behendigkeit;
einen, im Ganzen, ungleich feinern und schö-
nern Wuchs; eine mehr geschmeidige, ausge-
arbeitete Kehle, als die Deutschen; sie nähern
sich im Lustspiele ganz auffallend der ehemali-

Italienſ,“ und ſelbſt das neue Nationaltheater
in der Richelieuſtraße zu Paris. Denſelben
Fehler hat das zu Warſchau. Es ſteht, ob-
gleich auf einem freyen Platze, ſtumpf und zu-
ſammengedruͤckt da, und laͤßt von ſeinem Jn-
nern gar nichts erwarten. Dieſes uͤberraſcht
dadurch freylich deſto mehr. Es iſt ein ſchoͤ-
nes Oval, hat vier Reihen Logen uͤber einan-
der und iſt mit viel Einfalt und Geſchmack
verziert. Das Paterre iſt zur Haͤlfte mit Baͤn-
ken beſetzt, zur Haͤlfte ohne Baͤnke. Die Buͤh-
ne ſelbſt iſt geraͤumig, hat gute Verzierungen
und ein mannigfaltiges, gut gehandhabtes Ma-
ſchinenwerk.

Die polniſche Truppe, die voriges Jahr
hier ſpielte, ziehe ich jeder deutſchen vor, die
ich noch geſehen habe. Die Polen beſitzen ei-
ne natuͤrliche Leichtigkeit und Behendigkeit;
einen, im Ganzen, ungleich feinern und ſchoͤ-
nern Wuchs; eine mehr geſchmeidige, auſge-
arbeitete Kehle, als die Deutſchen; ſie naͤhern
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[66/0076] Italienſ,“ und ſelbſt das neue Nationaltheater in der Richelieuſtraße zu Paris. Denſelben Fehler hat das zu Warſchau. Es ſteht, ob- gleich auf einem freyen Platze, ſtumpf und zu- ſammengedruͤckt da, und laͤßt von ſeinem Jn- nern gar nichts erwarten. Dieſes uͤberraſcht dadurch freylich deſto mehr. Es iſt ein ſchoͤ- nes Oval, hat vier Reihen Logen uͤber einan- der und iſt mit viel Einfalt und Geſchmack verziert. Das Paterre iſt zur Haͤlfte mit Baͤn- ken beſetzt, zur Haͤlfte ohne Baͤnke. Die Buͤh- ne ſelbſt iſt geraͤumig, hat gute Verzierungen und ein mannigfaltiges, gut gehandhabtes Ma- ſchinenwerk. Die polniſche Truppe, die voriges Jahr hier ſpielte, ziehe ich jeder deutſchen vor, die ich noch geſehen habe. Die Polen beſitzen ei- ne natuͤrliche Leichtigkeit und Behendigkeit; einen, im Ganzen, ungleich feinern und ſchoͤ- nern Wuchs; eine mehr geſchmeidige, auſge- arbeitete Kehle, als die Deutſchen; ſie naͤhern ſich im Luſtſpiele ganz auffallend der ehemali-

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Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 2, H. 4. Berlin, 1795, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise0202_1795/76>, abgerufen am 09.11.2024.