Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Unter den Kirchen zeichnet sich keine durch
Größe, Pracht, oder Geschmack in der Bau-
kunst, aus, aber sie besitzen einige nicht schlechte
Gemälde; und in der Pfarrkirche fand ich in
der That ein treffliches Altarblatt, das aber,
in den Augen andächtiger Seelen, weit hinter
einem unansehnlichen Marienbilde zurück bleibt,
welches in der Nähe ist, und Wunder thut.
Es war so herablassend, sich einem Fuhrmann
in den Weg zu legen, der es fand und nach
der Stadt lieferte, wo fromme und scharfsich-
tige Männer dessen Kräfte auf den ersten Blick
erkannten und "ad majorem Dei gloriam"
sogleich in Thätigkeit zu setzen anfingen.

Botzen hat ungefähr die Größe von Kla-
genfurt, ist aber volkreicher, wie mir däucht,
wenn nicht etwa die engeren Straßen die Ein-
wohner mehr zusammen pressen und zahlreicher
scheinen lassen, oder wenn nicht der angehende
Marienmarkt schon viel Fremde herzu gelockt
hat. Wäre in diesem Punkt die bloße Ansicht
des Getümmels nicht so trüglich, so würde

Unter den Kirchen zeichnet ſich keine durch
Groͤße, Pracht, oder Geſchmack in der Bau-
kunſt, aus, aber ſie beſitzen einige nicht ſchlechte
Gemaͤlde; und in der Pfarrkirche fand ich in
der That ein treffliches Altarblatt, das aber,
in den Augen andaͤchtiger Seelen, weit hinter
einem unanſehnlichen Marienbilde zuruͤck bleibt,
welches in der Naͤhe iſt, und Wunder thut.
Es war ſo herablaſſend, ſich einem Fuhrmann
in den Weg zu legen, der es fand und nach
der Stadt lieferte, wo fromme und ſcharfſich-
tige Maͤnner deſſen Kraͤfte auf den erſten Blick
erkannten und „ad majorem Dei gloriam“
ſogleich in Thaͤtigkeit zu ſetzen anfingen.

Botzen hat ungefaͤhr die Groͤße von Kla-
genfurt, iſt aber volkreicher, wie mir daͤucht,
wenn nicht etwa die engeren Straßen die Ein-
wohner mehr zuſammen preſſen und zahlreicher
ſcheinen laſſen, oder wenn nicht der angehende
Marienmarkt ſchon viel Fremde herzu gelockt
hat. Waͤre in dieſem Punkt die bloße Anſicht
des Getuͤmmels nicht ſo truͤglich, ſo wuͤrde

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <floatingText>
          <body>
            <div n="1">
              <pb facs="#f0571" n="299"/>
              <p>Unter den Kirchen zeichnet &#x017F;ich keine durch<lb/>
Gro&#x0364;ße, Pracht, oder Ge&#x017F;chmack in der Bau-<lb/>
kun&#x017F;t, aus, aber &#x017F;ie be&#x017F;itzen einige nicht &#x017F;chlechte<lb/>
Gema&#x0364;lde; und in der Pfarrkirche fand ich in<lb/>
der That ein treffliches Altarblatt, das aber,<lb/>
in den Augen anda&#x0364;chtiger Seelen, weit hinter<lb/>
einem unan&#x017F;ehnlichen Marienbilde zuru&#x0364;ck bleibt,<lb/>
welches in der Na&#x0364;he i&#x017F;t, und Wunder thut.<lb/>
Es war &#x017F;o herabla&#x017F;&#x017F;end, &#x017F;ich einem Fuhrmann<lb/>
in den Weg zu legen, der es fand und nach<lb/>
der Stadt lieferte, wo fromme und &#x017F;charf&#x017F;ich-<lb/>
tige Ma&#x0364;nner de&#x017F;&#x017F;en Kra&#x0364;fte auf den er&#x017F;ten Blick<lb/>
erkannten und <hi rendition="#aq">&#x201E;ad majorem Dei gloriam&#x201C;</hi><lb/>
&#x017F;ogleich in Tha&#x0364;tigkeit zu &#x017F;etzen anfingen.</p><lb/>
              <p>Botzen hat ungefa&#x0364;hr die Gro&#x0364;ße von Kla-<lb/>
genfurt, i&#x017F;t aber volkreicher, wie mir da&#x0364;ucht,<lb/>
wenn nicht etwa die engeren Straßen die Ein-<lb/>
wohner mehr zu&#x017F;ammen pre&#x017F;&#x017F;en und zahlreicher<lb/>
&#x017F;cheinen la&#x017F;&#x017F;en, oder wenn nicht der angehende<lb/>
Marienmarkt &#x017F;chon viel Fremde herzu gelockt<lb/>
hat. Wa&#x0364;re in die&#x017F;em Punkt die bloße An&#x017F;icht<lb/>
des Getu&#x0364;mmels nicht &#x017F;o tru&#x0364;glich, &#x017F;o wu&#x0364;rde<lb/></p>
            </div>
          </body>
        </floatingText>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[299/0571] Unter den Kirchen zeichnet ſich keine durch Groͤße, Pracht, oder Geſchmack in der Bau- kunſt, aus, aber ſie beſitzen einige nicht ſchlechte Gemaͤlde; und in der Pfarrkirche fand ich in der That ein treffliches Altarblatt, das aber, in den Augen andaͤchtiger Seelen, weit hinter einem unanſehnlichen Marienbilde zuruͤck bleibt, welches in der Naͤhe iſt, und Wunder thut. Es war ſo herablaſſend, ſich einem Fuhrmann in den Weg zu legen, der es fand und nach der Stadt lieferte, wo fromme und ſcharfſich- tige Maͤnner deſſen Kraͤfte auf den erſten Blick erkannten und „ad majorem Dei gloriam“ ſogleich in Thaͤtigkeit zu ſetzen anfingen. Botzen hat ungefaͤhr die Groͤße von Kla- genfurt, iſt aber volkreicher, wie mir daͤucht, wenn nicht etwa die engeren Straßen die Ein- wohner mehr zuſammen preſſen und zahlreicher ſcheinen laſſen, oder wenn nicht der angehende Marienmarkt ſchon viel Fremde herzu gelockt hat. Waͤre in dieſem Punkt die bloße Anſicht des Getuͤmmels nicht ſo truͤglich, ſo wuͤrde

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/571
Zitationshilfe: Schulz, Friedrich: Reise eines Liefländers. Bd. 3, [H. 5 u. H. 6]. Berlin, 1795, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schulz_reise03_1795/571>, abgerufen am 21.11.2024.