Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

Bild:
<< vorherige Seite
Discurs.

Welches als es der Lipsius erhörete/ erinnerte er den Dou
sam
als necht ansitzenden/ daß auch er einer Censur des neuen Buchs
sich unternehmen wolte. Und hielte auß solcher Entrüstung seines
guten Freundes dafür/ daß auch er billicher Ursache haben möchte zu
zürnen.

So balden als er des Buches Copey bekommen/ theileter sol-
ches mit dem Dousa, bald lachete er/ bald runtzelte er die Stirn/ und
sagte/ O du Block/ O du Stock! und habet ihr redliche Leute solches
lesen können oder mögen? Jch vermaledeyte allen Jnhalt dieses
Buchs/ wenn ich Teutschland nicht besuchet und durchwandert und
zugleich derselben Sitten und Sprachen erlernet hätte. Denn solte
dieses Buch etwas rechtes von der rechten Lateinischen Sprachen
oder sonsten etwas Römisches in sich haben? Also/ daß so viel ihrer
sehen kan/ mich deuchtet/ ist es in solchen Ruff/ daß solche elende Char-
tecken nicht würdig noch werth/ daß sie in einem solchem Orte auffge-
hoben werden/ da die vollen Wänste ihre grosse Magenwürst außzu-
leeren pflegen. Zwar es ist mein Muhtmassen und Urtheil von
Europa allzu wahr gewesen; doch gebe es Unruhe/ das ich schier ge-
klaget/ daß die Studien hier und dort verstossen/ und als er offters in
das Buch sahe/ hätte es nit weit gefehlet/ daß er es in Stücken zerris-
sen und in die Lufft geworffen hätte. Aber er fürchte sich vor den greu-
lichen Zorn des Scioppii, der jetzt gantz erhitzet war von den grossen
Worten und Begierde der Urtheil. Welche daß sie nicht ordent-
lich gegeben und ertheilet wörden/ war dessen Ursach die grosse Begier-
ligkeit eines jedwedern/ die da begierig die Sache recht zu erforschen
und zu ergründen.

Dieses als es der Erasmus vernommen/ ruffete er einen Na-
mens Lucium herbey/ und trug deme auff das Buch zu lesen. Dieser
war nur ein gemeiner Kerl/ und war in das Collegium zu lesen und
zu schreiben wann es die Noth erforderte/ auff und angenommen/
da der den Titul oder Uberschrifft DE REPUTATIONE zu le-
sen anfieng/ alsbalden bissen sie die Zähne zusammen/ stunden auff/
etliche aber wolten gar hinweg und darvon gehen; Einer/ ich weis
nicht wer auß den ältesten: ist dieses der Anfang/ Uberschrifft und Jn-
halt dieses Buchs? Es ist warlich wol gegeben/ und nach der Regel
und Richtschnur der Uberschrifften/ die da deutlich und ver-
muhtlich sein sollen.

Was ist das für eine Mißgeburt REPUTATIO?
Sollen wir sie dem Varroni oder Verrio Flacco, dem

Festo
Q q q iiij
Diſcurs.

Welches als es der Lipſius erhoͤrete/ erinnerte er den Dou
ſam
als necht anſitzenden/ daß auch er einer Cenſur des neuen Buchs
ſich unternehmen wolte. Und hielte auß ſolcher Entruͤſtung ſeines
guten Freundes dafuͤr/ daß auch er billicher Urſache haben moͤchte zu
zuͤrnen.

So balden als er des Buches Copey bekommen/ theileter ſol-
ches mit dem Douſa, bald lachete er/ bald runtzelte er die Stirn/ und
ſagte/ O du Block/ O du Stock! und habet ihr redliche Leute ſolches
leſen koͤnnen oder moͤgen? Jch vermaledeyte allen Jnhalt dieſes
Buchs/ wenn ich Teutſchland nicht beſuchet und durchwandert und
zugleich derſelben Sitten und Sprachen erlernet haͤtte. Denn ſolte
dieſes Buch etwas rechtes von der rechten Lateiniſchen Sprachen
oder ſonſten etwas Roͤmiſches in ſich haben? Alſo/ daß ſo viel ihrer
ſehen kan/ mich deuchtet/ iſt es in ſolchen Ruff/ daß ſolche elende Char-
tecken nicht wuͤrdig noch werth/ daß ſie in einem ſolchem Orte auffge-
hoben werden/ da die vollen Waͤnſte ihre groſſe Magenwuͤrſt außzu-
leeren pflegen. Zwar es iſt mein Muhtmaſſen und Urtheil von
Europa allzu wahr geweſen; doch gebe es Unruhe/ das ich ſchier ge-
klaget/ daß die Studien hier und dort verſtoſſen/ und als er offters in
das Buch ſahe/ haͤtte es nit weit gefehlet/ daß er es in Stuͤcken zerꝛiſ-
ſen und in die Lufft geworffen haͤtte. Aber er fuͤrchte ſich vor den greu-
lichen Zorn des Scioppii, der jetzt gantz erhitzet war von den groſſen
Worten und Begierde der Urtheil. Welche daß ſie nicht ordent-
lich gegeben und ertheilet woͤrden/ war deſſen Urſach die groſſe Begieꝛ-
ligkeit eines jedwedern/ die da begierig die Sache recht zu erforſchen
und zu ergruͤnden.

Dieſes als es der Eraſmus vernommen/ ruffete er einen Na-
mens Lucium herbey/ und trug deme auff das Buch zu leſen. Dieſer
war nur ein gemeiner Kerl/ und war in das Collegium zu leſen und
zu ſchreiben wann es die Noth erforderte/ auff und angenommen/
da der den Titul oder Uberſchrifft DE REPUTATIONE zu le-
ſen anfieng/ alsbalden biſſen ſie die Zaͤhne zuſammen/ ſtunden auff/
etliche aber wolten gar hinweg und darvon gehen; Einer/ ich weis
nicht wer auß den aͤlteſten: iſt dieſes der Anfang/ Uberſchrifft und Jn-
halt dieſes Buchs? Es iſt warlich wol gegeben/ und nach der Regel
und Richtſchnur der Uberſchrifften/ die da deutlich und ver-
muhtlich ſein ſollen.

Was iſt das fuͤr eine Mißgeburt REPUTATIO?
Sollen wir ſie dem Varroni oder Verrio Flacco, dem

Feſto
Q q q iiij
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f1025" n="983"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Di&#x017F;curs.</hi> </fw><lb/>
        <p>Welches als es der <hi rendition="#aq">Lip&#x017F;ius</hi> erho&#x0364;rete/ erinnerte er den <hi rendition="#aq">Dou<lb/>
&#x017F;am</hi> als necht an&#x017F;itzenden/ daß auch er einer <hi rendition="#aq">Cen&#x017F;ur</hi> des neuen Buchs<lb/>
&#x017F;ich unternehmen wolte. Und hielte auß &#x017F;olcher Entru&#x0364;&#x017F;tung &#x017F;eines<lb/>
guten Freundes dafu&#x0364;r/ daß auch er billicher Ur&#x017F;ache haben mo&#x0364;chte zu<lb/>
zu&#x0364;rnen.</p><lb/>
        <p>So balden als er des Buches Copey bekommen/ theileter &#x017F;ol-<lb/>
ches mit dem <hi rendition="#aq">Dou&#x017F;a,</hi> bald lachete er/ bald runtzelte er die Stirn/ und<lb/>
&#x017F;agte/ O du Block/ O du Stock! und habet ihr redliche Leute &#x017F;olches<lb/>
le&#x017F;en ko&#x0364;nnen oder mo&#x0364;gen? Jch vermaledeyte allen Jnhalt die&#x017F;es<lb/>
Buchs/ wenn ich Teut&#x017F;chland nicht be&#x017F;uchet und durchwandert und<lb/>
zugleich der&#x017F;elben Sitten und Sprachen erlernet ha&#x0364;tte. Denn &#x017F;olte<lb/>
die&#x017F;es Buch etwas rechtes von der rechten Lateini&#x017F;chen Sprachen<lb/>
oder &#x017F;on&#x017F;ten etwas Ro&#x0364;mi&#x017F;ches in &#x017F;ich haben? Al&#x017F;o/ daß &#x017F;o viel ihrer<lb/>
&#x017F;ehen kan/ mich deuchtet/ i&#x017F;t es in &#x017F;olchen Ruff/ daß &#x017F;olche elende Char-<lb/>
tecken nicht wu&#x0364;rdig noch werth/ daß &#x017F;ie in einem &#x017F;olchem Orte auffge-<lb/>
hoben werden/ da die vollen Wa&#x0364;n&#x017F;te ihre gro&#x017F;&#x017F;e Magenwu&#x0364;r&#x017F;t außzu-<lb/>
leeren pflegen. Zwar es i&#x017F;t mein Muhtma&#x017F;&#x017F;en und Urtheil von<lb/>
Europa allzu wahr gewe&#x017F;en; doch gebe es Unruhe/ das ich &#x017F;chier ge-<lb/>
klaget/ daß die <hi rendition="#aq">Studien</hi> hier und dort ver&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en/ und als er offters in<lb/>
das Buch &#x017F;ahe/ ha&#x0364;tte es nit weit gefehlet/ daß er es in Stu&#x0364;cken zer&#xA75B;i&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en und in die Lufft geworffen ha&#x0364;tte. Aber er fu&#x0364;rchte &#x017F;ich vor den greu-<lb/>
lichen Zorn des <hi rendition="#aq">Scioppii,</hi> der jetzt gantz erhitzet war von den gro&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Worten und Begierde der Urtheil. Welche daß &#x017F;ie nicht ordent-<lb/>
lich gegeben und ertheilet wo&#x0364;rden/ war de&#x017F;&#x017F;en Ur&#x017F;ach die gro&#x017F;&#x017F;e Begie&#xA75B;-<lb/>
ligkeit eines jedwedern/ die da begierig die Sache recht zu erfor&#x017F;chen<lb/>
und zu ergru&#x0364;nden.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;es als es der <hi rendition="#aq">Era&#x017F;mus</hi> vernommen/ ruffete er einen Na-<lb/>
mens <hi rendition="#aq">Lucium</hi> herbey/ und trug deme auff das Buch zu le&#x017F;en. Die&#x017F;er<lb/>
war nur ein gemeiner Kerl/ und war in das <hi rendition="#aq">Collegium</hi> zu le&#x017F;en und<lb/>
zu &#x017F;chreiben wann es die Noth erforderte/ auff und angenommen/<lb/>
da der den Titul oder Uber&#x017F;chrifft <hi rendition="#aq">DE REPUTATIONE</hi> zu le-<lb/>
&#x017F;en anfieng/ alsbalden bi&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie die Za&#x0364;hne zu&#x017F;ammen/ &#x017F;tunden auff/<lb/>
etliche aber wolten gar hinweg und darvon gehen; Einer/ ich weis<lb/>
nicht wer auß den a&#x0364;lte&#x017F;ten: i&#x017F;t die&#x017F;es der Anfang/ Uber&#x017F;chrifft und Jn-<lb/>
halt die&#x017F;es Buchs? Es i&#x017F;t warlich wol gegeben/ und nach der Regel<lb/>
und Richt&#x017F;chnur der Uber&#x017F;chrifften/ die da deutlich und ver-<lb/>
muhtlich &#x017F;ein &#x017F;ollen.</p><lb/>
        <p>Was i&#x017F;t das fu&#x0364;r eine Mißgeburt <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">REPUTATIO?</hi></hi><lb/>
Sollen wir &#x017F;ie dem <hi rendition="#aq">Varroni</hi> oder <hi rendition="#aq">Verrio Flacco,</hi> dem<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Q q q iiij</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">Fe&#x017F;to</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[983/1025] Diſcurs. Welches als es der Lipſius erhoͤrete/ erinnerte er den Dou ſam als necht anſitzenden/ daß auch er einer Cenſur des neuen Buchs ſich unternehmen wolte. Und hielte auß ſolcher Entruͤſtung ſeines guten Freundes dafuͤr/ daß auch er billicher Urſache haben moͤchte zu zuͤrnen. So balden als er des Buches Copey bekommen/ theileter ſol- ches mit dem Douſa, bald lachete er/ bald runtzelte er die Stirn/ und ſagte/ O du Block/ O du Stock! und habet ihr redliche Leute ſolches leſen koͤnnen oder moͤgen? Jch vermaledeyte allen Jnhalt dieſes Buchs/ wenn ich Teutſchland nicht beſuchet und durchwandert und zugleich derſelben Sitten und Sprachen erlernet haͤtte. Denn ſolte dieſes Buch etwas rechtes von der rechten Lateiniſchen Sprachen oder ſonſten etwas Roͤmiſches in ſich haben? Alſo/ daß ſo viel ihrer ſehen kan/ mich deuchtet/ iſt es in ſolchen Ruff/ daß ſolche elende Char- tecken nicht wuͤrdig noch werth/ daß ſie in einem ſolchem Orte auffge- hoben werden/ da die vollen Waͤnſte ihre groſſe Magenwuͤrſt außzu- leeren pflegen. Zwar es iſt mein Muhtmaſſen und Urtheil von Europa allzu wahr geweſen; doch gebe es Unruhe/ das ich ſchier ge- klaget/ daß die Studien hier und dort verſtoſſen/ und als er offters in das Buch ſahe/ haͤtte es nit weit gefehlet/ daß er es in Stuͤcken zerꝛiſ- ſen und in die Lufft geworffen haͤtte. Aber er fuͤrchte ſich vor den greu- lichen Zorn des Scioppii, der jetzt gantz erhitzet war von den groſſen Worten und Begierde der Urtheil. Welche daß ſie nicht ordent- lich gegeben und ertheilet woͤrden/ war deſſen Urſach die groſſe Begieꝛ- ligkeit eines jedwedern/ die da begierig die Sache recht zu erforſchen und zu ergruͤnden. Dieſes als es der Eraſmus vernommen/ ruffete er einen Na- mens Lucium herbey/ und trug deme auff das Buch zu leſen. Dieſer war nur ein gemeiner Kerl/ und war in das Collegium zu leſen und zu ſchreiben wann es die Noth erforderte/ auff und angenommen/ da der den Titul oder Uberſchrifft DE REPUTATIONE zu le- ſen anfieng/ alsbalden biſſen ſie die Zaͤhne zuſammen/ ſtunden auff/ etliche aber wolten gar hinweg und darvon gehen; Einer/ ich weis nicht wer auß den aͤlteſten: iſt dieſes der Anfang/ Uberſchrifft und Jn- halt dieſes Buchs? Es iſt warlich wol gegeben/ und nach der Regel und Richtſchnur der Uberſchrifften/ die da deutlich und ver- muhtlich ſein ſollen. Was iſt das fuͤr eine Mißgeburt REPUTATIO? Sollen wir ſie dem Varroni oder Verrio Flacco, dem Feſto Q q q iiij

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/1025
Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 983. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/1025>, abgerufen am 22.11.2024.