Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

Bild:
<< vorherige Seite

Freund in der Noht.
Cicero vergleicht solche Freunde/ lib. 4. ad Herennium, den
Schwalben. Wann es Sommer ist/ so kommen die Schwalben/ woh-
nen bey den Leuten/ und wollen gute Nachbarschafft mit ihnen hal-
ten. So bald es aber Winter wird/ so fliehen sie darvon. Also machen
es auch solche Freunde. Wann sie sehen/ daß es den Leuten wol gehet/
daß man sich bey ihrem Feuer wärmen könne/ so kommen sie täglich
gelauffen/ und fragen: Jsts noch wol mit seiner Liebsten? mit seinen
Kindern? mit Vater und Mutter auch? Gott erhalte sie lange dabey.
Aber/ wann die Sonne solchen Leuten nicht mehr scheinen wil/ wann
sie frieret nach dem Sonnenschein/ wann ein unglücklicher Wind
nach dem andern daher stürmet/ so fliehen solche Freunde weg/ gleich
wie die Schwalben/ wann der Winter kombt. Wann aber der Früh-
ling wider kombt/ und die Sonn widerumb anfängt etwas zu schei-
nen/ so stellen sich solche Freunde widerumb ein/ und wollen wider-
umb Freunde seyn/ wie zuvor. Gleichwie die Schwalben ihre alte Ne-
ster wider suchen. Jch halte aber den für einen rechtschaffenen Freund/
der in glücklichem Stand zu mir kombt/ wann ich ihn bitte/ und mich
in unglücklichem Stande besuchet unerbetten. Ein solcher Freund
war der Samariter. Der kam zu dem armen Menschen/ welcher un-
ter die Mörder gefallen war/ ungebeten. Der Verwundete hatte ihm
keinen Botten geschicket. Weil er aber sahe/ daß deß armen Menschen
Elend groß sey/ sagte ihm sein eigenes redliches auffrichtiges Hertz/
was zu thun sey bey dem Menschtn/ den er zuvor nicht gekandt hatte.
Mancher ist so undiscret, und wil seinem Freund alles auffbürden/
was ihme zu tragen beschwerlich ist. Er wil den Dorn auß seinem
Fuß ziehen/ und ihn in seines Freundes Fuß stecken. Allein/ das ist
auch wider die Gesetz der Freundschafft gehandelt. Dann du siehest
auß H. Schrifft/ daß du deinen Nechsten lieben sollest/ als dich selbst.
Man sagt: Ein willig Pferd/ solle man nicht zuviel bereiten. Abra-
ham war ein rechter Freund deß Königs zu Sodoma. Dann/ wiewol
er ihm/ als einem König/ grosse Dienste gethan/ und seine Feinde ge-
schlagen hatte/ so wolte er doch deßwegen keinen recompens haben/
sondern sagte: Jch hebe meine Hände auff zu dem HErrn/
dem höchsten Gott/ der Himmel und Erden besitzt/ daß
ich von allem dem/ das dein ist/ nicht einen Faden/ noch ei-
nen Schueriemen nehmen wil/ daß du nicht sagest/ du
habest Abraham reich gemacht: Außgenommen/ was
die Jünglinge verzehret haben/ und die Männer Aner/
Escol und Mamre/ die mit mir gezogen sind/ die laß ihr
Theil nehmen/
im 1. B. Mos. am 14. Cap. Abraham wolte seinem
Freund/ dem König zu Sodoma/ keine Unkosten machen/ er wolte

eben
P v

Freund in der Noht.
Cicero vergleicht ſolche Freunde/ lib. 4. ad Herennium, den
Schwalben. Wann es Sommer iſt/ ſo kommen die Schwalben/ woh-
nen bey den Leuten/ und wollen gute Nachbarſchafft mit ihnen hal-
ten. So bald es aber Winter wird/ ſo fliehen ſie darvon. Alſo machen
es auch ſolche Freunde. Wann ſie ſehen/ daß es den Leuten wol gehet/
daß man ſich bey ihrem Feuer waͤrmen koͤnne/ ſo kommen ſie taͤglich
gelauffen/ und fragen: Jſts noch wol mit ſeiner Liebſten? mit ſeinen
Kindern? mit Vater und Mutter auch? Gott erhalte ſie lange dabey.
Aber/ wann die Sonne ſolchen Leuten nicht mehr ſcheinen wil/ wann
ſie frieret nach dem Sonnenſchein/ wann ein ungluͤcklicher Wind
nach dem andern daher ſtuͤrmet/ ſo fliehen ſolche Freunde weg/ gleich
wie die Schwalben/ wann der Winter kombt. Wann aber der Fruͤh-
ling wider kombt/ und die Sonn widerumb anfaͤngt etwas zu ſchei-
nen/ ſo ſtellen ſich ſolche Freunde widerumb ein/ und wollen wider-
umb Freunde ſeyn/ wie zuvor. Gleichwie die Schwalben ihre alte Ne-
ſter wider ſuchen. Jch halte aber den fuͤr einen rechtſchaffenẽ Freund/
der in gluͤcklichem Stand zu mir kombt/ wann ich ihn bitte/ und mich
in ungluͤcklichem Stande beſuchet unerbetten. Ein ſolcher Freund
war der Samariter. Der kam zu dem armen Menſchen/ welcher un-
ter die Moͤrder gefallen war/ ungebeten. Der Verwundete hatte ihm
keinen Botten geſchicket. Weil er aber ſahe/ daß deß armen Menſchen
Elend groß ſey/ ſagte ihm ſein eigenes redliches auffrichtiges Hertz/
was zu thun ſey bey dem Menſchtn/ den er zuvor nicht gekandt hatte.
Mancher iſt ſo undiſcret, und wil ſeinem Freund alles auffbuͤrden/
was ihme zu tragen beſchwerlich iſt. Er wil den Dorn auß ſeinem
Fuß ziehen/ und ihn in ſeines Freundes Fuß ſtecken. Allein/ das iſt
auch wider die Geſetz der Freundſchafft gehandelt. Dann du ſieheſt
auß H. Schrifft/ daß du deinen Nechſten lieben ſolleſt/ als dich ſelbſt.
Man ſagt: Ein willig Pferd/ ſolle man nicht zuviel bereiten. Abra-
ham war ein rechter Freund deß Koͤnigs zu Sodoma. Dann/ wiewol
er ihm/ als einem Koͤnig/ groſſe Dienſte gethan/ und ſeine Feinde ge-
ſchlagen hatte/ ſo wolte er doch deßwegen keinen recompens haben/
ſondern ſagte: Jch hebe meine Haͤnde auff zu dem HErrn/
dem hoͤchſten Gott/ der Himmel und Erden beſitzt/ daß
ich von allem dem/ das dein iſt/ nicht einen Faden/ noch ei-
nen Schueriemen nehmen wil/ daß du nicht ſageſt/ du
habeſt Abraham reich gemacht: Außgenommen/ was
die Juͤnglinge verzehret haben/ und die Maͤnner Aner/
Eſcol und Mamre/ die mit mir gezogen ſind/ die laß ihr
Theil nehmen/
im 1. B. Moſ. am 14. Cap. Abraham wolte ſeinem
Freund/ dem Koͤnig zu Sodoma/ keine Unkoſten machen/ er wolte

eben
P v
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0275" n="233"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Freund in der Noht.</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">Cicero</hi> vergleicht &#x017F;olche Freunde/ <hi rendition="#aq">lib. 4. ad Herennium,</hi> den<lb/>
Schwalben. Wann es Sommer i&#x017F;t/ &#x017F;o kommen die Schwalben/ woh-<lb/>
nen bey den Leuten/ und wollen gute Nachbar&#x017F;chafft mit ihnen hal-<lb/>
ten. So bald es aber Winter wird/ &#x017F;o fliehen &#x017F;ie darvon. Al&#x017F;o machen<lb/>
es auch &#x017F;olche Freunde. Wann &#x017F;ie &#x017F;ehen/ daß es den Leuten wol gehet/<lb/>
daß man &#x017F;ich bey ihrem Feuer wa&#x0364;rmen ko&#x0364;nne/ &#x017F;o kommen &#x017F;ie ta&#x0364;glich<lb/>
gelauffen/ und fragen: J&#x017F;ts noch wol mit &#x017F;einer Lieb&#x017F;ten? mit &#x017F;einen<lb/>
Kindern? mit Vater und Mutter auch? Gott erhalte &#x017F;ie lange dabey.<lb/>
Aber/ wann die Sonne &#x017F;olchen Leuten nicht mehr &#x017F;cheinen wil/ wann<lb/>
&#x017F;ie frieret nach dem Sonnen&#x017F;chein/ wann ein unglu&#x0364;cklicher Wind<lb/>
nach dem andern daher &#x017F;tu&#x0364;rmet/ &#x017F;o fliehen &#x017F;olche Freunde weg/ gleich<lb/>
wie die Schwalben/ wann der Winter kombt. Wann aber der Fru&#x0364;h-<lb/>
ling wider kombt/ und die Sonn widerumb anfa&#x0364;ngt etwas zu &#x017F;chei-<lb/>
nen/ &#x017F;o &#x017F;tellen &#x017F;ich &#x017F;olche Freunde widerumb ein/ und wollen wider-<lb/>
umb Freunde &#x017F;eyn/ wie zuvor. Gleichwie die Schwalben ihre alte Ne-<lb/>
&#x017F;ter wider &#x017F;uchen. Jch halte aber den fu&#x0364;r einen recht&#x017F;chaffene&#x0303; Freund/<lb/>
der in glu&#x0364;cklichem Stand zu mir kombt/ wann ich ihn bitte/ und mich<lb/>
in unglu&#x0364;cklichem Stande be&#x017F;uchet unerbetten. Ein &#x017F;olcher Freund<lb/>
war der Samariter. Der kam zu dem armen Men&#x017F;chen/ welcher un-<lb/>
ter die Mo&#x0364;rder gefallen war/ ungebeten. Der Verwundete hatte ihm<lb/>
keinen Botten ge&#x017F;chicket. Weil er aber &#x017F;ahe/ daß deß armen Men&#x017F;chen<lb/>
Elend groß &#x017F;ey/ &#x017F;agte ihm &#x017F;ein eigenes redliches auffrichtiges Hertz/<lb/>
was zu thun &#x017F;ey bey dem Men&#x017F;chtn/ den er zuvor nicht gekandt hatte.<lb/>
Mancher i&#x017F;t &#x017F;o un<hi rendition="#aq">di&#x017F;cret,</hi> und wil &#x017F;einem Freund alles auffbu&#x0364;rden/<lb/>
was ihme zu tragen be&#x017F;chwerlich i&#x017F;t. Er wil den Dorn auß &#x017F;einem<lb/>
Fuß ziehen/ und ihn in &#x017F;eines Freundes Fuß &#x017F;tecken. Allein/ das i&#x017F;t<lb/>
auch wider die Ge&#x017F;etz der Freund&#x017F;chafft gehandelt. Dann du &#x017F;iehe&#x017F;t<lb/>
auß H. Schrifft/ daß du deinen Nech&#x017F;ten lieben &#x017F;olle&#x017F;t/ als dich &#x017F;elb&#x017F;t.<lb/>
Man &#x017F;agt: Ein willig Pferd/ &#x017F;olle man nicht zuviel bereiten. Abra-<lb/>
ham war ein rechter Freund deß Ko&#x0364;nigs zu Sodoma. Dann/ wiewol<lb/>
er ihm/ als einem Ko&#x0364;nig/ gro&#x017F;&#x017F;e Dien&#x017F;te gethan/ und &#x017F;eine Feinde ge-<lb/>
&#x017F;chlagen hatte/ &#x017F;o wolte er doch deßwegen keinen <hi rendition="#aq">recompens</hi> haben/<lb/>
&#x017F;ondern &#x017F;agte: <hi rendition="#fr">Jch hebe meine Ha&#x0364;nde auff zu dem HErrn/<lb/>
dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten Gott/ der Himmel und Erden be&#x017F;itzt/ daß<lb/>
ich von allem dem/ das dein i&#x017F;t/ nicht einen Faden/ noch ei-<lb/>
nen Schueriemen nehmen wil/ daß du nicht &#x017F;age&#x017F;t/ du<lb/>
habe&#x017F;t Abraham reich gemacht: Außgenommen/ was<lb/>
die Ju&#x0364;nglinge verzehret haben/ und die Ma&#x0364;nner Aner/<lb/>
E&#x017F;col und Mamre/ die mit mir gezogen &#x017F;ind/ die laß ihr<lb/>
Theil nehmen/</hi> im 1. B. Mo&#x017F;. am 14. Cap. Abraham wolte &#x017F;einem<lb/>
Freund/ dem Ko&#x0364;nig zu Sodoma/ keine Unko&#x017F;ten machen/ er wolte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">P v</fw><fw place="bottom" type="catch">eben</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[233/0275] Freund in der Noht. Cicero vergleicht ſolche Freunde/ lib. 4. ad Herennium, den Schwalben. Wann es Sommer iſt/ ſo kommen die Schwalben/ woh- nen bey den Leuten/ und wollen gute Nachbarſchafft mit ihnen hal- ten. So bald es aber Winter wird/ ſo fliehen ſie darvon. Alſo machen es auch ſolche Freunde. Wann ſie ſehen/ daß es den Leuten wol gehet/ daß man ſich bey ihrem Feuer waͤrmen koͤnne/ ſo kommen ſie taͤglich gelauffen/ und fragen: Jſts noch wol mit ſeiner Liebſten? mit ſeinen Kindern? mit Vater und Mutter auch? Gott erhalte ſie lange dabey. Aber/ wann die Sonne ſolchen Leuten nicht mehr ſcheinen wil/ wann ſie frieret nach dem Sonnenſchein/ wann ein ungluͤcklicher Wind nach dem andern daher ſtuͤrmet/ ſo fliehen ſolche Freunde weg/ gleich wie die Schwalben/ wann der Winter kombt. Wann aber der Fruͤh- ling wider kombt/ und die Sonn widerumb anfaͤngt etwas zu ſchei- nen/ ſo ſtellen ſich ſolche Freunde widerumb ein/ und wollen wider- umb Freunde ſeyn/ wie zuvor. Gleichwie die Schwalben ihre alte Ne- ſter wider ſuchen. Jch halte aber den fuͤr einen rechtſchaffenẽ Freund/ der in gluͤcklichem Stand zu mir kombt/ wann ich ihn bitte/ und mich in ungluͤcklichem Stande beſuchet unerbetten. Ein ſolcher Freund war der Samariter. Der kam zu dem armen Menſchen/ welcher un- ter die Moͤrder gefallen war/ ungebeten. Der Verwundete hatte ihm keinen Botten geſchicket. Weil er aber ſahe/ daß deß armen Menſchen Elend groß ſey/ ſagte ihm ſein eigenes redliches auffrichtiges Hertz/ was zu thun ſey bey dem Menſchtn/ den er zuvor nicht gekandt hatte. Mancher iſt ſo undiſcret, und wil ſeinem Freund alles auffbuͤrden/ was ihme zu tragen beſchwerlich iſt. Er wil den Dorn auß ſeinem Fuß ziehen/ und ihn in ſeines Freundes Fuß ſtecken. Allein/ das iſt auch wider die Geſetz der Freundſchafft gehandelt. Dann du ſieheſt auß H. Schrifft/ daß du deinen Nechſten lieben ſolleſt/ als dich ſelbſt. Man ſagt: Ein willig Pferd/ ſolle man nicht zuviel bereiten. Abra- ham war ein rechter Freund deß Koͤnigs zu Sodoma. Dann/ wiewol er ihm/ als einem Koͤnig/ groſſe Dienſte gethan/ und ſeine Feinde ge- ſchlagen hatte/ ſo wolte er doch deßwegen keinen recompens haben/ ſondern ſagte: Jch hebe meine Haͤnde auff zu dem HErrn/ dem hoͤchſten Gott/ der Himmel und Erden beſitzt/ daß ich von allem dem/ das dein iſt/ nicht einen Faden/ noch ei- nen Schueriemen nehmen wil/ daß du nicht ſageſt/ du habeſt Abraham reich gemacht: Außgenommen/ was die Juͤnglinge verzehret haben/ und die Maͤnner Aner/ Eſcol und Mamre/ die mit mir gezogen ſind/ die laß ihr Theil nehmen/ im 1. B. Moſ. am 14. Cap. Abraham wolte ſeinem Freund/ dem Koͤnig zu Sodoma/ keine Unkoſten machen/ er wolte eben P v

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/275
Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 233. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/275>, abgerufen am 22.11.2024.