Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].Lucidor. ins Kraut geredet/ da er sagte/ Nicht meine Kinder/ das ist nicht eingut Geschrey/ das ich von euch höre. Da er hätte Prügel oder harte ernste Wort brauchen sollen/ da brauchte er einen Fuchsschwantz. Aber höret mit Verwunderung/ wie Gott diesen Mann umb seiner Conniventz willen gestraffet hab. Er erlebte Krieg und Unruh im Lande/ und seine Feinde die Philister behielten den Sieg. Er und seine Söhne kamen auff einen Tag umb die Hälse. Seines Sohns Weib war schwanger/ und gieng ihr übel in der Geburt/ daß sie starb. Die- ses Weib mag wol für ihre Person ein fromm ehrlich Weib gewesen seyn/ weil sie in ihren höchsten Geburtsschmertzen so fleissig fragte nach der Laden deß Bundes. Gleichwol muste sie ihres gottlosen Manns und Schwigervaters entgelten. Alle deß Eli Nachkommen konten auf keinen grünen Zweig gerathen/ sondern musten vor andern niederfal- len/ und sie umb ein Stück Brodts und umb ein silbern Pfenning bitten und sagen: Lieber/ laß mich zu einem Priester Theil/ daß ich ei- nen Bissen Brodt esse. Was das Leuten die von hohem Stande und Herkommen sind/ für eine Qual sey/ wann sie anderer Leute Gnade leben müssen/ das ist nicht außzusprechen. Wann einer unter den Nach- kommen Eli war ein Mann worden/ daß das gantze Geschlecht eine gute Hoffnung von ihm gemacht hatte/ er würde ihnen widerumb auf die Beine helffen/ so fiel er dahin in der besten Blüht seines Alters und starb/ und verwelckete also in ihm die Hoffnung der gantzen Familiae. Also sehet ihr daß zweyerley Zorn sey/ einer ist fleischlich/ welcher die Wercke deß Fleisches würcket/ der ander ist geistlich/ welcher die Wer- cke deß Geistes würcket. Jener kombt vom Laster/ dieser kombt von Tugend her. Die Bewegung deß Gemüts kombt mit dem Beweger überein. Wann der Geist Gottes unser Gemüth beweget/ so ists ein heiliger Zorn/ wegen wichtiger Ursachen erwecket/ und mit gebührli- cher Ordnung gemässiget. Aber wann der Satan ein Gemüth bewe- get/ so erwecket er einen Zorn der unbillich ist/ oder zum wenigsten übermässig/ daß ein Mensch weder Ehrerbietung gegen seinen Nech- sten/ noch Mitleiden mit sich selbst hat/ ein ordentlicher heiliger Ampts- Zorn ist keine Sünde/ sondern den ordentlichen Ampts-Zorn unter- lassen/ ist Sünde/ und zwar eine grosse Sünde. Was aber den unor- dentlichen fleischlichen Zorn anlanget/ das auß einem verbitterten rachgierigen Hertzen herkombt/ der ist von Gott höchlich verboten/ und ein solcher zorniger/ rachgieriger Mensch wird Matth. 5. gesetzet unter die Zahl der Mörder und Todtschläger/ und der Himmel wird vor ihm zugeschlossen/ wann er nicht bey Zeiten umbkehret und Busse thut. Jch weiß Lucidor, daß ihr von keiner bösen Natur seyd/ und euch und
Lucidor. ins Kraut geredet/ da er ſagte/ Nicht meine Kinder/ das iſt nicht eingut Geſchrey/ das ich von euch hoͤre. Da er haͤtte Pruͤgel oder harte ernſte Wort brauchen ſollen/ da brauchte er einen Fuchsſchwantz. Aber hoͤret mit Verwunderung/ wie Gott dieſen Mann umb ſeiner Conniventz willen geſtraffet hab. Er erlebte Krieg und Unruh im Lande/ und ſeine Feinde die Philiſter behielten den Sieg. Er und ſeine Soͤhne kamen auff einen Tag umb die Haͤlſe. Seines Sohns Weib war ſchwanger/ und gieng ihr uͤbel in der Geburt/ daß ſie ſtarb. Die- ſes Weib mag wol fuͤr ihre Perſon ein fromm ehrlich Weib geweſen ſeyn/ weil ſie in ihren hoͤchſten Geburtsſchmertzẽ ſo fleiſſig fragte nach der Laden deß Bundes. Gleichwol muſte ſie ihres gottloſen Manns und Schwigervaters entgelten. Alle deß Eli Nachkommen konten auf keinen gruͤnen Zweig gerathen/ ſondern muſten vor andern niederfal- len/ und ſie umb ein Stuͤck Brodts und umb ein ſilbern Pfenning bitten und ſagen: Lieber/ laß mich zu einem Prieſter Theil/ daß ich ei- nen Biſſen Brodt eſſe. Was das Leuten die von hohem Stande und Herkommen ſind/ fuͤr eine Qual ſey/ wann ſie anderer Leute Gnade leben muͤſſen/ das iſt nicht außzuſprechen. Wañ einer unter den Nach- kommen Eli war ein Mann worden/ daß das gantze Geſchlecht eine gute Hoffnung von ihm gemacht hatte/ er wuͤrde ihnen widerumb auf die Beine helffen/ ſo fiel er dahin in der beſten Bluͤht ſeines Alters uñ ſtarb/ und verwelckete alſo in ihm die Hoffnung der gantzen Familiæ. Alſo ſehet ihr daß zweyerley Zorn ſey/ einer iſt fleiſchlich/ welcher die Wercke deß Fleiſches wuͤrcket/ der ander iſt geiſtlich/ welcher die Wer- cke deß Geiſtes wuͤrcket. Jener kombt vom Laſter/ dieſer kombt von Tugend her. Die Bewegung deß Gemuͤts kombt mit dem Beweger uͤberein. Wann der Geiſt Gottes unſer Gemuͤth beweget/ ſo iſts ein heiliger Zorn/ wegen wichtiger Urſachen erwecket/ und mit gebuͤhrli- cher Ordnung gemaͤſſiget. Aber wann der Satan ein Gemuͤth bewe- get/ ſo erwecket er einen Zorn der unbillich iſt/ oder zum wenigſten uͤbermaͤſſig/ daß ein Menſch weder Ehrerbietung gegen ſeinen Nech- ſten/ noch Mitleidẽ mit ſich ſelbſt hat/ ein ordentlicher heiliger Ampts- Zorn iſt keine Suͤnde/ ſondern den ordentlichen Ampts-Zorn unter- laſſen/ iſt Suͤnde/ und zwar eine groſſe Suͤnde. Was aber den unor- dentlichen fleiſchlichen Zorn anlanget/ das auß einem verbitterten rachgierigen Hertzen herkombt/ der iſt von Gott hoͤchlich verboten/ uñ ein ſolcher zorniger/ rachgieriger Menſch wird Matth. 5. geſetzet unter die Zahl der Moͤrder und Todtſchlaͤger/ und der Himmel wird vor ihm zugeſchloſſen/ wann er nicht bey Zeiten umbkehret uñ Buſſe thut. Jch weiß Lucidor, daß ihr von keiner boͤſen Natur ſeyd/ und euch und
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ins Kraut geredet/ da er ſagte/ Nicht meine Kinder/ das iſt nicht ein
gut Geſchrey/ das ich von euch hoͤre. Da er haͤtte Pruͤgel oder harte
ernſte Wort brauchen ſollen/ da brauchte er einen Fuchsſchwantz.
Aber hoͤret mit Verwunderung/ wie Gott dieſen Mann umb ſeiner
Conniventz willen geſtraffet hab. Er erlebte Krieg und Unruh im
Lande/ und ſeine Feinde die Philiſter behielten den Sieg. Er und ſeine
Soͤhne kamen auff einen Tag umb die Haͤlſe. Seines Sohns Weib
war ſchwanger/ und gieng ihr uͤbel in der Geburt/ daß ſie ſtarb. Die-
ſes Weib mag wol fuͤr ihre Perſon ein fromm ehrlich Weib geweſen
ſeyn/ weil ſie in ihren hoͤchſten Geburtsſchmertzẽ ſo fleiſſig fragte nach
der Laden deß Bundes. Gleichwol muſte ſie ihres gottloſen Manns
und Schwigervaters entgelten. Alle deß Eli Nachkommen konten auf
keinen gruͤnen Zweig gerathen/ ſondern muſten vor andern niederfal-
len/ und ſie umb ein Stuͤck Brodts und umb ein ſilbern Pfenning
bitten und ſagen: Lieber/ laß mich zu einem Prieſter Theil/ daß ich ei-
nen Biſſen Brodt eſſe. Was das Leuten die von hohem Stande und
Herkommen ſind/ fuͤr eine Qual ſey/ wann ſie anderer Leute Gnade
leben muͤſſen/ das iſt nicht außzuſprechen. Wañ einer unter den Nach-
kommen Eli war ein Mann worden/ daß das gantze Geſchlecht eine
gute Hoffnung von ihm gemacht hatte/ er wuͤrde ihnen widerumb auf
die Beine helffen/ ſo fiel er dahin in der beſten Bluͤht ſeines Alters uñ
ſtarb/ und verwelckete alſo in ihm die Hoffnung der gantzen Familiæ.
Alſo ſehet ihr daß zweyerley Zorn ſey/ einer iſt fleiſchlich/ welcher die
Wercke deß Fleiſches wuͤrcket/ der ander iſt geiſtlich/ welcher die Wer-
cke deß Geiſtes wuͤrcket. Jener kombt vom Laſter/ dieſer kombt von
Tugend her. Die Bewegung deß Gemuͤts kombt mit dem Beweger
uͤberein. Wann der Geiſt Gottes unſer Gemuͤth beweget/ ſo iſts ein
heiliger Zorn/ wegen wichtiger Urſachen erwecket/ und mit gebuͤhrli-
cher Ordnung gemaͤſſiget. Aber wann der Satan ein Gemuͤth bewe-
get/ ſo erwecket er einen Zorn der unbillich iſt/ oder zum wenigſten
uͤbermaͤſſig/ daß ein Menſch weder Ehrerbietung gegen ſeinen Nech-
ſten/ noch Mitleidẽ mit ſich ſelbſt hat/ ein ordentlicher heiliger Ampts-
Zorn iſt keine Suͤnde/ ſondern den ordentlichen Ampts-Zorn unter-
laſſen/ iſt Suͤnde/ und zwar eine groſſe Suͤnde. Was aber den unor-
dentlichen fleiſchlichen Zorn anlanget/ das auß einem verbitterten
rachgierigen Hertzen herkombt/ der iſt von Gott hoͤchlich verboten/ uñ
ein ſolcher zorniger/ rachgieriger Menſch wird Matth. 5. geſetzet unter
die Zahl der Moͤrder und Todtſchlaͤger/ und der Himmel wird vor
ihm zugeſchloſſen/ wann er nicht bey Zeiten umbkehret uñ Buſſe thut.
Jch weiß Lucidor, daß ihr von keiner boͤſen Natur ſeyd/ und euch
leicht weiſen lieſſet/ wann die Pſeudojuriſten nit thaͤten/ welche euch
im̃erdar von euer guten Sache predigen. Allein daß euer Advocaten
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