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Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663].

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Von der Einbildung.
Biren herab/ und S. Clauß Faul Aepffel wider hinauff. Viele sitzen
auff dem Rahthauß und sind grosse Hansen/ weil sie für solche gehal-
ten und angesehen werden. Fragstu wer sie so hoch bringet? Der erste
Beförderer ist fressen und sauffen/ ihr bester Lehrmeister/ mit machen.
Wann dir zukombt die Gunst und der Zeit Gelegenheit/ kombt man
alsdann bald hoch ans Bret. Es ist die verwegene Künheit glücklicher
als der mühsame Fleiß gelehrter Leute. Es fragte einsmalen ein Teut-
scher Fürst seinen Hof-Juncker/ der Jhme lange Zeit/ aber vergeblich
gedienet/ in deme er gleich andere seine Cameraden mit keinem Ambte
versehen worden/ und sprach/ hör/ wann wiltu einmal witzig werden:
hierauff antwortet er/ Gnädiger Fürst und Herr/ ich bedarff jetzo der
Witz noch nicht/ wann ich aber ein vornehm Ambt hätte/ und hätte
alsdann schon so viel Schifern im Kopff/ daß man ein Tach mitdecken
könte/ so würde man mich doch Ambts wegen für einen klugen Mann
halten. Warumb? Darumb? Mundus vult decipi opinionibus,
die Welt wil betrogen seyn/ der Holländer aber de Werlet wil beleft
sin. Jch habe offt bey mir angestanden und gedacht/ wer doch nützli-
cher seye/ ein böser Politicus mit guter opinion, oder ein rechtschaf-
fener aber von böser opinion? Die Ursach zu zweiffeln ist/ daß auch
die Herren Geistliche durch opinionen betrogen und verführet wer-
den; da mancher zum Pfarrambt kombt und erhoben wird/ dann
durch Freundschafft/ dann durch Gifft und Gaben/ dann durch ande-
re Ursachen/ doch rühmen sie sich deß göttlichen Beruffs/ Gottes
Botschaffter/ Außleger göttlicher Geheimnüsse/ Gottes Haußhal-
ter. Was meynet ihr/ solte Gott durch solche Leute seine Heerde ver-
kauffen? Solten solche nicht ehender dem Aristoteli als den Mär-
tyrern den Himmel bauen? Jn dem sie die Bibel auß der Metaphy-
sic,
diese aber auß der Bibel erklären. Solten diese nit durch opinion
betrogen werden/ in deme sie/ damit sie was zu thun haben/ die Türcken/
Barbaren und andere bekehren wollen/ die sie nit gesehen/ auch nit se-
hen werden. Saget mir liebe Zuhörer/ wo ihr jemalen gelesen/ daß
der Teuffel vor einem elenden Syllogismo gelauffen/ du seyest gleich
wer du wöllest/ wann du mit dem Teuffel und seinem Anhang zu
thun hast/ kanst du nicht anderster als durch die Furcht Gottes gegen
ihnen bestehen und sicher seyn. Wann bey der zu Franckfurt jüngsthin
entstandener Feuersbrunst alle Postillen verbrant weren/ würden viel
dafür halten/ daß so viel Menschen nicht könten zu Gott bekehret wer-
den/ aber sie werden von der opinion betrogen werden. Bekant ists/
worinnen das rechte Kunststück eines rechtschaffenen Predigers be-
stehe? nicht in grosser invention oder künstlicher Abtheilung der
Predigt. Das ist die beste Richtschnur aller Kunst und Geschickligkeit/
die der H. Geist/ wann er fleissig angeruffen wird/ dargibt. Die jenige

Predigt

Von der Einbildung.
Biren herab/ und S. Clauß Faul Aepffel wider hinauff. Viele ſitzen
auff dem Rahthauß und ſind groſſe Hanſen/ weil ſie fuͤr ſolche gehal-
ten und angeſehen werden. Fragſtu wer ſie ſo hoch bringet? Der erſte
Befoͤrderer iſt freſſen und ſauffen/ ihr beſter Lehrmeiſter/ mit machen.
Wann dir zukombt die Gunſt und der Zeit Gelegenheit/ kombt man
alsdann bald hoch ans Bret. Es iſt die verwegene Kuͤnheit gluͤcklicher
als der muͤhſame Fleiß gelehrter Leute. Es fragte einsmalen ein Teut-
ſcher Fuͤrſt ſeinen Hof-Juncker/ der Jhme lange Zeit/ aber vergeblich
gedienet/ in deme er gleich andere ſeine Cameraden mit keinem Ambte
verſehen worden/ und ſprach/ hoͤr/ wann wiltu einmal witzig werden:
hierauff antwortet er/ Gnaͤdiger Fuͤrſt und Herr/ ich bedarff jetzo der
Witz noch nicht/ wann ich aber ein vornehm Ambt haͤtte/ und haͤtte
alsdann ſchon ſo viel Schifern im Kopff/ daß man ein Tach mitdecken
koͤnte/ ſo wuͤrde man mich doch Ambts wegen fuͤr einen klugen Mann
halten. Warumb? Darumb? Mundus vult decipi opinionibus,
die Welt wil betrogen ſeyn/ der Hollaͤnder aber de Werlet wil beleft
ſin. Jch habe offt bey mir angeſtanden und gedacht/ wer doch nuͤtzli-
cher ſeye/ ein boͤſer Politicus mit guter opinion, oder ein rechtſchaf-
fener aber von boͤſer opinion? Die Urſach zu zweiffeln iſt/ daß auch
die Herren Geiſtliche durch opinionen betrogen und verfuͤhret wer-
den; da mancher zum Pfarrambt kombt und erhoben wird/ dann
durch Freundſchafft/ dann durch Gifft und Gaben/ dann durch ande-
re Urſachen/ doch ruͤhmen ſie ſich deß goͤttlichen Beruffs/ Gottes
Botſchaffter/ Außleger goͤttlicher Geheimnuͤſſe/ Gottes Haußhal-
ter. Was meynet ihr/ ſolte Gott durch ſolche Leute ſeine Heerde ver-
kauffen? Solten ſolche nicht ehender dem Ariſtoteli als den Maͤr-
tyrern den Himmel bauen? Jn dem ſie die Bibel auß der Metaphy-
ſic,
dieſe aber auß der Bibel erklaͤren. Solten dieſe nit durch opinion
betrogen weꝛden/ in deme ſie/ damit ſie was zu thun habẽ/ die Tuͤrcken/
Barbaren und andere bekehren wollen/ die ſie nit geſehen/ auch nit ſe-
hen werden. Saget mir liebe Zuhoͤrer/ wo ihr jemalen geleſen/ daß
der Teuffel vor einem elenden Syllogiſmo gelauffen/ du ſeyeſt gleich
wer du woͤlleſt/ wann du mit dem Teuffel und ſeinem Anhang zu
thun haſt/ kanſt du nicht anderſter als durch die Furcht Gottes gegen
ihnen beſtehen und ſicher ſeyn. Wann bey der zu Franckfurt juͤngſthin
entſtandener Feuersbrunſt alle Poſtillen verbrant weren/ wuͤrden viel
dafuͤr halten/ daß ſo viel Menſchen nicht koͤnten zu Gott bekehret wer-
den/ aber ſie werden von der opinion betrogen werden. Bekant iſts/
worinnen das rechte Kunſtſtuͤck eines rechtſchaffenen Predigers be-
ſtehe? nicht in groſſer invention oder kuͤnſtlicher Abtheilung der
Predigt. Das iſt die beſte Richtſchnur aller Kunſt und Geſchickligkeit/
die der H. Geiſt/ wann er fleiſſig angeruffen wird/ dargibt. Die jenige

Predigt
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[532/0574] Von der Einbildung. Biren herab/ und S. Clauß Faul Aepffel wider hinauff. Viele ſitzen auff dem Rahthauß und ſind groſſe Hanſen/ weil ſie fuͤr ſolche gehal- ten und angeſehen werden. Fragſtu wer ſie ſo hoch bringet? Der erſte Befoͤrderer iſt freſſen und ſauffen/ ihr beſter Lehrmeiſter/ mit machen. Wann dir zukombt die Gunſt und der Zeit Gelegenheit/ kombt man alsdann bald hoch ans Bret. Es iſt die verwegene Kuͤnheit gluͤcklicher als der muͤhſame Fleiß gelehrter Leute. Es fragte einsmalen ein Teut- ſcher Fuͤrſt ſeinen Hof-Juncker/ der Jhme lange Zeit/ aber vergeblich gedienet/ in deme er gleich andere ſeine Cameraden mit keinem Ambte verſehen worden/ und ſprach/ hoͤr/ wann wiltu einmal witzig werden: hierauff antwortet er/ Gnaͤdiger Fuͤrſt und Herr/ ich bedarff jetzo der Witz noch nicht/ wann ich aber ein vornehm Ambt haͤtte/ und haͤtte alsdann ſchon ſo viel Schifern im Kopff/ daß man ein Tach mitdecken koͤnte/ ſo wuͤrde man mich doch Ambts wegen fuͤr einen klugen Mann halten. Warumb? Darumb? Mundus vult decipi opinionibus, die Welt wil betrogen ſeyn/ der Hollaͤnder aber de Werlet wil beleft ſin. Jch habe offt bey mir angeſtanden und gedacht/ wer doch nuͤtzli- cher ſeye/ ein boͤſer Politicus mit guter opinion, oder ein rechtſchaf- fener aber von boͤſer opinion? Die Urſach zu zweiffeln iſt/ daß auch die Herren Geiſtliche durch opinionen betrogen und verfuͤhret wer- den; da mancher zum Pfarrambt kombt und erhoben wird/ dann durch Freundſchafft/ dann durch Gifft und Gaben/ dann durch ande- re Urſachen/ doch ruͤhmen ſie ſich deß goͤttlichen Beruffs/ Gottes Botſchaffter/ Außleger goͤttlicher Geheimnuͤſſe/ Gottes Haußhal- ter. Was meynet ihr/ ſolte Gott durch ſolche Leute ſeine Heerde ver- kauffen? Solten ſolche nicht ehender dem Ariſtoteli als den Maͤr- tyrern den Himmel bauen? Jn dem ſie die Bibel auß der Metaphy- ſic, dieſe aber auß der Bibel erklaͤren. Solten dieſe nit durch opinion betrogen weꝛden/ in deme ſie/ damit ſie was zu thun habẽ/ die Tuͤrcken/ Barbaren und andere bekehren wollen/ die ſie nit geſehen/ auch nit ſe- hen werden. Saget mir liebe Zuhoͤrer/ wo ihr jemalen geleſen/ daß der Teuffel vor einem elenden Syllogiſmo gelauffen/ du ſeyeſt gleich wer du woͤlleſt/ wann du mit dem Teuffel und ſeinem Anhang zu thun haſt/ kanſt du nicht anderſter als durch die Furcht Gottes gegen ihnen beſtehen und ſicher ſeyn. Wann bey der zu Franckfurt juͤngſthin entſtandener Feuersbrunſt alle Poſtillen verbrant weren/ wuͤrden viel dafuͤr halten/ daß ſo viel Menſchen nicht koͤnten zu Gott bekehret wer- den/ aber ſie werden von der opinion betrogen werden. Bekant iſts/ worinnen das rechte Kunſtſtuͤck eines rechtſchaffenen Predigers be- ſtehe? nicht in groſſer invention oder kuͤnſtlicher Abtheilung der Predigt. Das iſt die beſte Richtſchnur aller Kunſt und Geſchickligkeit/ die der H. Geiſt/ wann er fleiſſig angeruffen wird/ dargibt. Die jenige Predigt

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Zitationshilfe: Schupp, Johann Balthasar: Schrifften. Hrsg. v. Anton Meno Schupp. [Hanau], [1663], S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schupp_schriften_1663/574>, abgerufen am 22.11.2024.